9punkt - Die Debattenrundschau
Neuseeland oder Alaska?
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Europa
In Ungarn werden die Dinge immer düsterer: Politico berichtet, dass der private israelische Nachrichtendienst Black Cube der Regierung geholfen haben soll, NGOs zu diskreditieren: "Zwischen Dezember 2017 und März 2018 traten Agenten unter Vorspiegelung falscher Identitäten an ungarische NGOs und Personen heran, die mit dem Geschäftsmann George Soros in Verbindung stehen und zeichneten dies heimlich auf. Diese Aufnahmen erschienen drei Wochen vor den Wahlen in der Jerusalem Post und der von Ungarns Regierung kontrollierten Zeitung Magyar Idők und dienten Premierminister Viktor Orban dazu, in den letzten Tagen seiner Wahlkampagne, unabhängige Bürgerrechtsorganisationen zu attackieren."
Mit dem ausufernden Handelsstreit zwischen den USA und China gehen 40 Jahre relativ friedlicher Koexistenz zu Ende, stellt Kai Strittmatter in der SZ noch einigermaßen gefasst fest. Richtig niederschmetternd findet er allerdings, wie wenig Europa dem entgegenzusetzen versteht: "Um nicht zerrieben zu werden zwischen Trump hier und China dort, um seines Einflusses auf die Gestaltung der Welt von morgen willen, bräuchte es ein einiges, starkes Europa. Schnell. Stattdessen werden sich wahrscheinlich auch morgen und übermorgen die Europäer beim Thema Flüchtlinge die Köpfe heiß reden, und so tun als sei dies die Schicksalsfrage, von der unser aller Zukunft abhängt."
NZZ-Autor Martin Beglinger war dabei, als die Politologin Ulrike Guérot im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt die Ausrufung der Republik Europa für den 10. November 2018 annoncierte: "Ihre Botschaft in dieser dramatischen Lage: 'Ein Markt, eine Währung, eine Demokratie. Und weil wir die Demokratie auf europäischer Ebene noch nicht haben, brauchen wir die europäische Republik.' Klingt anscheinend einleuchtend, auf der Berliner Bühne herrscht jedenfalls Einigkeit, nur bleibt man fast unter sich. 'Stell dir vor, Europa geht unter, und keinen interessiert's', sagt Guérot spitz mit Blick auf die 27 Zuhörer im Saal mit 500 Plätzen."
Weiteres: Theresa Mays neuer Vorschlag für einen weichen Brexit, die Briten also in einer Freihandelszone mit Europa zu halten, lässt die harten Brexiteers in ihrem Kabinett schäumen, berichtet Politico und zitiert einen von ihnen mit der Drohung: "A lot of Brexiteers are going to be very, very cross about this. She's going to have a big problem." Und der Guardian verbucht es als einen Erfolg der Bürger und Bürgerinnen von London, dass sich Donald Trump bei seinem Besuch nächste Woche nicht in die Stadt traut. Oder sollte er einfach die lieblichen Parks in Oxfordshire dem städtischen Plebs vorziehen?
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In der taz hält Tania Martini das Tragische an Jürgen Habermas' großer Rede zu Zukunft Europas fest, die er fatalerweise an die "tonangebenden Eliten" in eben jenem Kreis adressierte: "Stellen Sie sich vor, der Spiritus Rector der BRD warnt sein Publikum vor dem Rückfall ins 19. Jahrhundert und alle bleiben auf ihren Stühlen sitzen, bis der Servicearbeiter den nächsten Sekt bringt... Man weiß nicht, ob aus Selbstzufriedenheit oder weil sie verstanden haben, dass Öffentlichkeit so nicht mehr funktioniert. Was bleibt, ist die Ordnung der Inszenierung. Vielleicht ist Konsens eben doch das Ende der Politik."