Efeu - Die Kulturrundschau

Fleißbienchen mit Weltenretter-Impetus

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
27.04.2024. Die Filmkritiker trauern um Michael Verhoeven, mit dem ein Stück westdeutscher Autorenfilmgeschichte zu Ende geht. Nachtkritik und Tagesspiegel sitzen gebannt in ihren Waben, wenn Kay Voges Sibylle Bergs Systemumsturz-Spektakel "RCE" auf die Bühne des Berliner Ensembles bringt. Die SZ berichtet, wie der Berliner Technoclub about blank, ein Safe Space für die LGBTQ-Szene, für seine proisraelische Haltung von queerfeministischen Kollektiven angefeindet wird. Die taz ist mit Rainald Goetz entsetzt, wie brutal Michael Rutschky in seinen Tagebüchern mit engsten Freunden abrechnete.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.04.2024 finden Sie hier

Musik

In der Berliner Clubszene verhärten sich die Fronten im Zuge des Hamas-Massakers vom 7. Oktober immer weiter, schreibt Jan Stremmel in einer SZ-Reportage. Israelische Veranstalter und DJs bekommen die kalte Schulter gezeigt, wenn sie nicht angefeindet werden. Viele verstummen. "Das About Blank, ein erklärtermaßen antikapitalistischer, feministischer Technoclub in Ostberlin, galt jahrelang als Safe Space für die LGBTQ-Szene. Seit der Laden sich aber 2021, nach Angriffen auf deutsche Synagogen, öffentlich gegen jede Form des Antisemitismus ausgesprochen hat, wird er von queerfeministischen Kollektiven angefeindet und boykottiert. Inzwischen kommt es sogar zu physischen Angriffen. Anlässlich des Holocaust-Gedenktags Ende Januar lud das Blank zur Vorführung eines Dokumentarfilms über das Massaker auf dem Nova-Festival. In den Tagen danach warfen Unbekannte Pappbecher voller Exkremente auf das Grundstück und schmierten 'Intifada' an die Hauswand. Anfang April sprühte jemand das rote Dreieck über den Eingang, mit dem die Hamas in Propagandavideos israelische Truppen markiert. ... Immer öfter würden DJs vorab kontaktiert und unter Druck gesetzt. So erreichten die Gegner, dass sich kaum noch Künstler oder Institutionen trauten, öffentlich Stellung gegen Antisemitismus zu beziehen."

Weitere Artikel: Markus Stäbler fordert in der NZZ eine Aufarbeitung des Instrumentenklaus durch die Nationalsozialisten. Die Schweizer Popband Yello, nie um ein Avantgarde-Statement verlegen, geht im aktuellen Vinyl-Hype und (ökonomisch allerdings kaum bemerkbaren) Tape-Revival noch einen Schritt weiter, schreibt Moritz Marthaler im Tagesanzeiger, und verkauft jetzt eine eigene Tonbandgerät-Edition (limitiert auf zehn Exemplare, zu je 13.500 Euro) und Tonband-Ausgaben ihrer Alben (im mittleren dreistelligen Bereich). Im NZZ-Gespräch schwärmt Justin Sullivan von New Model Army von seiner Nahtoderfahrung, die er 1992 auf einer Schweizer Bühne erlebte ("verdammt brillant"). Frederik Hanssen freut sich im Tagesspiegel auf ein Berliner Gedenkkonzert zu Ehren von Boris Pergamenschikow. Der Tagesanzeiger gratuliert mit einer Bilderstrecke dem Fotografen Ueli Frey zu 50 Jahren Konzertfotografie.

Besprochen werden Monika Hempels Biografie über Klaus Nomi (taz), Gotham Chopras auf Disney+ gezeigte Dokuserie über Bon Jovi (FAZ) und das neue Album von St. Vincent (Zeit Online).

Archiv: Musik

Literatur

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Uri Jitzchak Katz' Debütroman "Aus dem Nichts kommt die Flut" heißt im Original "Der Mann, dem das Gesicht im Grimm erstarrte". Perlentaucherin Angela Schader stellt diesen ungeheuer komplexen und amüsanten Roman, der Kafkas "Prager Kreis" mit der Geschichte Israels verflicht, in ihrem neuesten "Vorwort" vor: "Der Mann, der von einem Moment auf den andern mit der grimmigen Miene geschlagen wird, amtiert als leitender Direktor in der 'Staatlichen Fabrik für Bleistifte und Schreibwaren'. In seinem Vorzimmer sitzt als Sekretärin eine unglücklich verheiratete Frau namens Julia Sopček, als Adlat dient ihm ein strebsamer junger Mann namens Gugel; wer hier einen allgegenwärtigen vierfarbigen Schriftzug aufleuchten sieht, liegt nicht daneben. Der Direktor versucht im Lauf der Erzählung seine böse Fratze wieder loszuwerden, der noch peinlicher heimgesuchte Gugel ringt derweil mit seinem durch ein suspektes Mittagessen heftig aufgewühlten Magen-Darm-Trakt..."

Wie tief der Schock im Literaturbetrieb über das postum veröffentlichte Tagebuch aus den letzten Lebensjahren des Essayisten Michael Rutschky und über die darin festgehaltenen Abrechnungen und Denunziationen selbst engster Freunde und Vertrauter sitzt, wird tazler Dirk Knipphals bei der Lektüre von Rainald Goetz' in der kommenden Ausgabe des Merkur veröffentlichten Lektüre-Journals noch einmal ganz besonders deutlich. Goetz, lange Zeit eng mit Rutschky befreundet, sieht sich von diesem falsch verstanden und verraten. "Die Selbstentblößung, mit der Rutschky seine depressiven Momente ausstellt, und die brutalen Beobachtungen von Bekannten, die Rutschky notiert, beschreibt Goetz als fundamental falsch: 'Schonungslosigkeit ist kein Konzept der Wahrheit, und exzessive Explizität dem eigenen Triebleben gegenüber […] keine gute Methode, sich selbst und das Lebensschicksal, das einem zugelost war, richtig zu verstehen.' ... An einer Stelle überlegt Goetz, ob Rutschkys Tagebuch nicht als 'das essenzielle Dokument der Kaputtheit dieser Zeit, dieser Generation von 68, der gigantischen Enttäuschung durch das Altern, das Scheitern von Ambitionen' gelten müsse. #MeToo dagegen beschreibt er als 'schönste Diskursrevolution seit 68', verteidigt das 'Hysterische' im Kampf gegen das strukturelle Patriarchat - 'es geht nur so, eine leisere Sprache versteht die Macht nicht'."

Weitere Artikel: Für die FAS unterhält sich Airen mit der Soziologin Angélica Ospina-Escobar über die Rolle von Frauen in mexikanischen Drogenkartellen, ein Thema, zu dem sie auch gerade die Studie "Partners in Crime" veröffentlicht hat. Burkhard Müller erinnert in der SZ an Karl Kraus, der vor 150 Jahren geboren wurde. In "Bilder und Zeiten" der FAZ wirft Leo Lensing einen Blick auf Karl Kraus' journalistisches Frühwerk, das sich archivarisch allmählich immer mehr erschließt. Und Ronald Pohl hat für den Standard eine Kraus-Ausstellung in Wien besucht. Für "Bilder und Zeiten" der FAZ unterhält sich Barbara von Machui mit der senegalesisch-französischen Autorin Fatou Diome. Sylvia Staude spricht für die FR mit der Bestseller-Autorin Val McDermid. Achim Hölter ergründet für "Bilder und Zeiten" der FAZ das mitunter "möbelhafte Schweigen" oder auch die "Vielwissenheit der stummen Dinge", von denen Heimito von Doderer in seinem Roman "Die Strudlhofstiege" schreibt. Jan Paersch spricht für die taz mit Marie Völkening, die als Literaturagentin und Instabook-Bloogerin tätig ist. In der FAZ gratuliert Thomas Sparr dem israelischen Dichter Jehuda Amichai, dessen Werk er bei Suhrkamp betreut, zum 80. Geburtstag.

Besprochen werden unter anderem Philipp Lenhards "Café Marx. Das Institut für Sozialforschung von den Anfängen bis zur Frankfurter Schule" (taz), Kristin Höllers "Leute von früher" (taz), Abdulrazak Gurnahs "Das versteinerte Herz" (SZ) und Deniz Ohdes "Ich stelle mich schlafend" (FAZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.
Archiv: Literatur

Architektur

So schön könnte die Stadt der Zukunft sein, denkt sich Niklas Maak (FAS) in der von Joanna Warsza und Benjamin Foerster-Baldenius vom Berliner Architektenkollektiv Raumlabor im Berliner Gropius-Bau kuratierten Ausstellung "Radical Playgrounds", die nicht nur die Geschichte des Spielplatzes erzählt, sondern auch Visionen von Spielplätzen für Erwachsene entwirft: "Wie in der Vision des 'New Babylon' des Architektur-Utopikers Constant, der in den Fünfzigerjahren für den Idealzustand einer Welt, in der Maschinen die Arbeit erledigen, ein endloses Flanierlabyrinth entwarf, kann der postindustrielle Homo ludens hier seine Zeit mit Herumwandern und Schauen, Gesprächen und Spiel verbringen: Die ganze Stadt wird Spielplatz für Erwachsene, aber natürlich auch für Kinder, die hier durch bunte Röhren kriechen und auf einer aus Strohballen aufgetürmten Pyramide von Edgar Calel herumturnen dürfen. ... Auf einem Kunstsportplatz kann man Basketball spielen oder aber die Informationen lesen, die diesem Werk von Céline Condorelli beigefügt sind: Das verwirrende Dickicht von Linien, gekurvten Wänden und Hinweisen erzählt auch, wann Frauen für welche Sportarten überhaupt zugelassen wurden."

Gustav Düsing und Max Hacke: Studierendenhaus der Universität Braunschweig. Foto: Iwan Baan, Lemmart, Leonhard Clemens

In der FAZ gratuliert Niklas Maak außerdem den Architekten Gustav Düsing und Max Hacke zum "Mies van der Rohe"-Preis, den die beiden Berliner für das Studentenhaus der Universität Braunschweig erhalten haben. Ein "Vorzeigeobjekt einer neuen deutschen Architekturbewegung, des 'Eco-Minimalism'", so Maak: "Den Auftrag, ein Haus mit zweihundert Arbeitsplätzen und Vortragsräumen für Studenten zu bauen, haben Düsing und Hacke mit seiner strengen 'Superstructure' im Geist der Sechzigerjahre gelöst. Sie haben ein zweigeschossiges feingliedriges Stahlraster aus nur zehn Zentimeter breiten Stützen entworfen, das man immer wieder umbauen und neu nutzen kann. Die Stahl-Holz-Hybridkonstruktion ist komplett demontierbar, das Tragwerk, wie japanische Tatami-Matten, auf einem quadratischen Achsmaß von drei mal drei Metern geplant. In die Trägerrahmen sind Holzrippendecken eingeschraubt, nichts ist verklebt, nichts verschweißt. Das Stahlhaus ist auch ein 'Materiallager für die Zukunft', wie es die Architekten nennen..."
Archiv: Architektur

Film

Michael Verhoeven beim Fernsehfilm-Festival Baden-Baden 2009. Foto: Rainer Lück unter CC-Lizenz
Die Filmkritiker trauern um Michael Verhoeven, mit dem ein Stück westdeutsche Autorenfilmgeschichte zu Ende geht. Er "war ein aufrechter Mensch und hat aufrechte Filme gedreht", schreibt Georg Seeßlen auf ZeitOnline. Sein Kino verstand sich als "Teil des gesellschaftlichen Dialogs und des politisch-historischen Bewusstseins", seine "Filme sind demokratische Aufklärung in Form von Bild-Erzählungen" und "haben drei besondere Eigenschaften. Das eine ist ihr Wille zur politischen und historischen Zeugenschaft, eine Haltung des Nicht-Vergessens und Nicht-Wegschauens. Das zweite ist eine mitfühlende Nähe zu seinen Charakteren, real oder fiktiv. Wer will, kann darin eine ästhetische Nachwirkung des Medizinstudiums sehen: eine Mischung aus Empathie und Distanz. Und das dritte schließlich ist das Gespür für Orte und ihre Stimmungen. München war Verhoevens Filmstadt, zwischen dem Grauen der Vergangenheit und dem, was vom Lebensgefühl der Siebzigerjahre blieb."

Verhoevens "Die weiße Rose" von 1982 prägte eine ganze Gymnasiastengeneration, schreibt Daniel Kothenschulte in der FR. Knapp über ein Jahrzehnt zuvor hatte Verhoeven die Berlinale gesprengt und damit indirekt zur Gründung des Berlinale-Forums beigetragen: "Nah am epischen Theater hatte er 1970 seinen Antikriegsfilm 'o.k.' inszeniert, der zum bis dahin größten Skandal der Berlinale führte. Ausgehend von einem realen Kriegsverbrechen erzählt er von einer vierköpfigen Einheit amerikanischer Soldaten, die während des Vietnamkriegs eine junge Frau verschleppen und ermorden. Nur einer verweigert seine Beteiligung und muss dafür um sein Leben fürchten. Von Jury-Präsident George Stevens als antiamerkanisch empfunden, führte dies zum Eklat und Abbruch des Wettbewerbs." Dem moralischen Anspruch seiner Filme entsprach dieser "liebenswerte, nahbare und moralisch integre Mensch" selbst, schreibt Claudius Seidl in der FAZ. Weitere Nachrufe kommen von Gerrit Bartels (Tsp), Jan Küveler (Welt) und Fritz Göttler (SZ). Bayern2 hat ein großes Archivgespräch mit Verhoeven wieder online gestellt.

Weitere Artikel: Knapp vier Prozent teurer würde ein durchschnittlicher "Tatort", wenn man ihn nach Vorgaben klimaschonenden Drehens produziert, hat Elmar Krekeler für die WamS ausgerechnet. Allerdings sänken die CO2-Emissionen dann auch um ansehnliche 50 Prozent. Cornelia Geißler unterhält sich für die Berliner Zeitung mit Corinna Harfouch über deren Rolle in Matthias Glasners "Sterben" (mehr zu dem Film bereits hier). Auf Zeit Online findet es Marlen Hobrack sehr interessant, dass es im jüngsten Gegenwartskino von "Barbie" bis "Poor Things" und in der Science-Fiction-Serie "Fallout" gerade naive weibliche Figuren sind, die den Feminismus in die eigenen Hände nehmen: "Beide Charaktere sind Erlöserfiguren und gerade keine feuchten Männerfantasien." Lena Karger erzählt in der Welt von dem Tag, den sie gemeinsam mit der für den Deutschen Filmpreis nominierten Schauspielerin Bayan Layla verbracht hat. Für den Filmdienst stellt Felicitas Kleiner durch die interessantesten Neu-Erscheinungen des kommenden Monats beim Streamingdienst Mubi vor. In der NZZ gratuliert Patrick Holzapfel dem Schweizer Filmemacher Erich Langjahr zum 80. Geburtstag.

Besprochen werden der auf Robert Habecks und Andrea Paluchs "Schimmelreiter"-Fortschreibung "Hauke Haiens Tod" basierende ARD-Film "Die Flut" (FAZ, NZZ), Jérémie Périns Animationsfilm "Mars Express" (Zeit Online), Shane Atkinsons Neo-Western "LaRoy" (Standard), David Leitchs Actionkomödie "The Fall Guy" mit Ryan Gosling (FAZ) und die Apple-Serie "Franklin" (Jungle World).
Archiv: Film

Kunst

Peter Richter empfiehlt am Rande des Berliner Gallery Weekends zwei Ausstellungen: Der amerikanische Medienkünstler Cory Arcangel hat den Laptop von Michel Majerus, der 2002 bei einem Flug ums Leben kam, repariert und präsentiert im Michel Majerus Estate nun digital dessen geplante Werke. Außerdem lohnt ein Besuch im Kunstverein Ost, der der DDR-Künstlergruppe "Auto-Perforations-Artisten" eine Retrospektive widmet. In der Berliner Zeitung gibt Ingeborg Ruthe weitere Tipps fürs Berliner Gallery Weekend. Für den Tagesspiegel macht Michaela Nolte einen Ausflug zur "Paper Positions" in die Telekom Hauptstadtrepräsentanz. Dietmar Dath gerät in der FAZ schließlich doch noch ins Plaudern bei seinem Besuch im Frankfurter Museum für Kommunikation, das dem Comiczeichner und Künstler Volker Reiche, der in der FAZ für die "Strizz"-Karikaturen verantwortlich zeichnet, eine Ausstellung widmet.

Besprochen werden die drei Elfriede-Mejchar-Ausstellungen in der Landesgalerie Niederösterreich, im Wiener Musa und im Salzburger Rupertinum (FAZ, mehr hier) und die Sammlung Marli Hoppe-Ritter in der Berliner Repräsentanz des Auktionshauses Ketterer (Tsp).
Archiv: Kunst

Bühne

Szene aus "RCE" am Berliner Ensemble. Bild: Marcel Urlaub

Nachtkritikerin Frauke Adrians ist schier überwältigt: Kay Voges hat Sibylle Bergs 700-Seiten-Systemumsturz-Spektakel "RCE" für das Berliner Ensemble auf siebzig Minuten gekürzt und herausgekommen ist ein alle Theater-Sehgewohnheiten sprengendes Techno-Wunderwerk samt KI-Filmsequenzen, schwärmt der Kritiker: "Fünf Erzähler/Avatare/Nerd-Darsteller schweben in einer begeh- und erklimmbaren Wabe durch Hochhausschluchten und durchs All, durch Raum und Zeit; fünf Fleißbienchen mit Weltenretter-Impetus. Sie sprechen und rappen ihren Part - mal mit ausdruckslosen Computerstimmen, mal emotional gefärbt in Wahlkampf-Sound - nach strikter Zeitvorgabe über exakt eine Stunde und zwölf Minuten: Damit Text, Musik und KI-generierte Bilder haargenau aufeinander passen, bekommen die Schauspieler ihre Texte via Kopfhörer aufs Ohr und sprechen exakt mit, als uniforme Mensch-Maschinen." Dieser Abend "zieht visuell mitreißend in ein Rabbit-Hole der Algorithmen, wo die Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine nicht mehr so leichtfällt", kommentiert Patrick Wildermann im Tagesspiegel.

Szene aus "Intermezzo". Bild: Monika Rittershaus

Exakt hundert Jahre nach ihrer Uraufführung feiert Richard Strauss' autobiografische Oper "Intermezzo" über die Abgründe (s)einer Ehe Premiere an der Deutschen Oper Berlin, inszeniert hat Tobias Kratzer, und zwar erstaunlich werktreu, meint Helmut Mauro in der SZ: "Kratzer hat die Oper dort gelassen, wo sie angesiedelt ist, hat sich aufs elegant Komische konzentriert und sich für eine gepflegte Gesellschaftskomödie entschieden, die sich aber im Privaten erschöpft." Ähnlich urteilt Judith von Sternburg in der FR: "Man muss 'Intermezzo' nicht wichtiger machen, als es ist, aber es ist gut, eine große und durchtriebene Produktion dieses unterschätzten Strauss-Projekts zu sehen." Hingerissen von Kratzers "Instinkt für das Loriothafte der Wirklichkeit" ist hingegen nmz-Kritiker Joachim Lange. Und auch die "parlierende Intermezzo-Musik" ist für "Liebhaber des schwelgerischen Richard-Strauss-Tons ist ein Fest", jubelt er: "Eines, bei dem man an einer üppig gedeckten musikalischen Tafel, den Verwandten und Bekannten begegnet, die man gerne von Zeit zu Zeit wiedersieht bzw. hört. Aufbruch zu neuen Ufern oder Einbruch der Turbulenzen der Gegenwart gibt es anderswo."

Weitere Artikel: In der Berliner Zeitung blickt Stella Tringali auf vierzig Jahre Friedrichstadt-Palast zurück. Für die taz porträtiert Katrin Bettina Müller die Schauspielerin Lina Beckmann, die in Karin Beiers Inszenierung von Ronald Schimmelpfennigs Stück "Laios" beim Berliner Theatertreffen zu sehen sein wird. Rita Argauer wirft in der SZ einen Blick auf das Programm der Tiroler Festspiele Erl unter dem neuen Intendanten Jonas Kaufmann. Ebenfalls in der SZ trifft Marlene Bock die Gender-Performerin Bridge Markland, die das Münchner "Go Drag!"-Festival kuratiert.

Besprochen werden Johan Simons Inszenierung von Eugène Ionescos "Die kahle Sängerin" am Schauspielhaus Bochum (FAZ, SZ), die Ausstellung "Wilfried Hösl: Bühnenwelt - Weltbühne" an der Bayerischen Staatsoper (SZ), Rafael Sanchez' Inszenierung von Nora Abdel-Maksouds Stück "Jeeps" am Theater Essen (nachtkritik), Yana Eva Thönnes' Inszenierung von Unica Zürns Stück "Dunkler Frühling" am Zürcher Theater am Neumarkt (nachtkritik), Jan Christoph Gockels Inszenierung von "Der Schimmelreiter / Hauke Haiens Tod" nach der Novelle von Theodor Storm und dem Roman von Andrea Paluch und Robert Habeck am Deutschen Theater Berlin (nachtkritik) und der dreistündige René-Pollesch-Gedenkabend an der Berliner Volksbühne (Offen bleibt sowohl die Frage, was aus Polleschs Stücken wird, hat er doch verfügt, dass andere Regisseure seine Texte nicht nachinszenieren, sowie die Frage, wer künftig die Intendanz übernehmen wird, schreibt Peter Laudenbach in der SZ. Weitere Besprechungen in taz, FAZ und Welt, mehr hier).
Archiv: Bühne