Magazinrundschau
Die Unmittelbarkeit des Todes
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
02.02.2021. Der Rolling Stone erzählt am Beispiel eines Highways, wie viel und wie wenig gleichzeitig die USA mit ihrem Krieg in Afghanistan erreicht haben. Im New Statesman erklärt John Gray, warum eine Welt ohne Unglück und Zwietracht nur eine Dystopie sein kann. Die New York Review of Books würdigt die japanische Fotografie. Die Stadtstaaten am Golf sind heute noch echte Sklavengesellschaften, meint Aeon mit Blick auf die Wanderarbeiter dort. A2larm erinnert an die Pockenepidemie in Polen 1963. Die Äthiopier sollten einen kritischen Blick auf die Geschichte ihres Landes werfen, wünscht sich in der London Review die äthiopisch-amerikanische Schriftstellerin Maaza Mengiste.
Rolling Stone (USA), 02.02.2021
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New Statesman (UK), 01.02.2021
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Francis Bacon war der größte Maler war, den Britannien seit William Turner hervorgebracht hat, stellt Andrew Marr klar. Müssen wir da noch einmal all die saftigen Geschichten aus seinem Leben lesen, die Mark Stevens und Annalyn Swan in ihrer Biografie "Francis Bacon: Revelations" zusammentragen? "Sex, Tod, Glamour, Tratsch, Tratsch, Tratsch"? Ja doch, auch wenn sie keine echten Enthüllungen mehr sind: "Bacon hat den Zweiten Weltkrieg äußerst intensiv erlebt und erfahren. Als Brandmeister im Blitz sah er unaussprechliche Dinge; beim Warten auf Hitler hatte er sein Monster fertig vor Augen. Die Unmittelbarkeit des Todes putscht auf - und aus ihr entstand sein Wunder. Aber wie bewahrt man sich diese Intensität, wenn die Welt banal wird? Als schwuler Mann mit sadomasochistischer Ader, fand Bacon eine Art, könnte man sagen, im Privaten mit dem drohenden Desaster zu leben. Hielt ihn das als Künstler lebendig? Er brauchte das gefährliche Cruising, die abenteuerlichen Wetten, die Schläge, sie gaben seinem Leben die nötige Kantigkeit. Deswegen sind die berühmten Geschichte nicht unwichtig. Einen großen Empfang geben für die neue Ausstellung im Herzen von Paris, mit den Größen der Stadt lachend und plaudernd, während der Liebhaber sterbend im Hotelzimmer liegt - und dann für Jahre die niederschmetternde Schuld spüren. Was kann einen berechenbarer daran erinnern, dass man am Leben ist, aber nicht mehr für lange?"
Weiteres: Der Historiker Richard J. Evans wirft der britischen Regierung eine desolate Politik in der Pandemie vor, die das Land über 100.000 Tote gekostet hat: "Die britische Corona-Krise rührt aus dem Versagen grundlegender Staatsführung, einer tödlichen Kombination aus Inkompetenz und Untätigkeit.
Magyar Narancs (Ungarn), 01.02.2021
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New York Review of Books (USA), 11.02.2021
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A2larm (Tschechien), 30.01.2021
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London Review of Books (UK), 04.02.2021
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Jeremy Harding dröselt außerdem en detail den Konflikt zwischen französischem Säkularismus und Islamismus auf, und am Ende ist klar, wem er einen Mangel an pragmatischer Vernunft ankreidet: "Mit der Realität dschihadistischer Mordtaten vor Augen muss man fragen, ob Charlie Hebdos Krieg gegen Bigotterie und Gewalt eine präzis geführte Offensive war oder ein Flächenbombardement muslimischer Sensibilitäten. Und unabhängig davon: Verminderte er im Ergebnis die dschihadistische Gewalt oder erhöhte er sie? Trennte Charlies Halsstarrigkeit den Feind von der großen Mehrheit der französischen Muslime, oder unterzog er ihre republikanische Loyalität einer neuen Art von Stress? Verstärkte er den Respekt für die Laizität unter Muslimen oder erweiterte er den Rahmen der Ambivalenz? Eine weitere Zwickmühle: Ist die Meinungsfreiheit ein absolutes Recht, auf das sich jeder berufen kann, der behauptet, in ihrem Namen zu zeichnen, zu rappen, zu lehren, zu veröffentlichen oder zu töten?" Überschrieben ist der Artikel dann auch mit "Charlie's War" - als wären es die Journalisten gewesen, die einen Krieg angefangen hätten.
Aeon (UK), 02.02.2021
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Elet es Irodalom (Ungarn), 29.01.2021
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Tablet (USA), 02.02.2021
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Amerika hat ein neues Klassensystem, behauptet Michael Lind von der University of Texas at Austin. Und zum ersten Mal wird es nicht bestimmt von Lokalfürsten. "Erst in der letzten Generation sind diese regionalen Patrizier in einer einzigen, zunehmend homogenen nationalen Oligarchie aufgegangen, mit demselben Akzent, denselben Umgangsformen, denselben Werten und demselben Bildungshintergrund von Boston über Austin und San Francisco bis nach New York und Atlanta. Dies ist eine wahrhaft epochale Entwicklung. ... Immer mehr Amerikaner finden heraus, dass 'Wokeness' in der neuen, zentralisierten amerikanischen Elite als Mittel zum Ausschluss von Amerikanern der Arbeiterklasse aller Rassen funktioniert, zusammen mit den rückständigen Überbleibseln der alten regionalen Eliten. Tatsächlich ändert die neue nationale Oligarchie die Codes und Passwörter etwa alle sechs Monate und informiert ihre Mitglieder über die Universitäten und die Prestigemedien und Twitter. Amerikas Arbeiterklasse-Mehrheit aller Rassen schenkt den Medien weit weniger Aufmerksamkeit als die Elite und es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie ein Kind in Harvard oder Yale hat, das sie aufklärt. Und nicht akademisch gebildete Amerikaner verbringen sehr wenig Zeit auf Facebook und Twitter... Das ständige Ersetzen alter Begriffe durch neue Begriffe, die nur den Oligarchen bekannt sind, ist eine brillante Strategie der sozialen Ausgrenzung."
Außerdem: Dana Kessler liest ein Buch über israelische Lapid Keramiken (mehr dazu auch hier).
New York Times (USA), 31.01.2021
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Außerdem: Kashmir Hill erzählt die haarsträubende Geschichte eines erschreckend fleißigen Internet-Trolls. David Marchese unterhält sich mit Jodie Foster übers Schauspielen. Und Brooke Jarvis fragt, was wir seid Covid-19 neu über unseren Geruchssinn gelernt haben.
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