Im Kino

Zwei Teenager in Montauk

Die Filmkolumne. Von Kamil Moll
21.06.2023. Im Frühjahr und im Winter kann man den Leuten auf die Nerven gehen, aber bitte nicht im Juni: In Gene Stupnitskys Sommer-Teenagersexkomödie "No Hard Feelings" darf Jennifer Lawrence einem Rich Kid den Kopf verdrehen und wunderbar kehlig lachen. Der Film ruft Erinnerungen wach an jene Zeit, als Hollywood noch RomComs, Kifferkomödien und High-School-Sauereien konnte.


Es war, ich gebe es zu, vor ein paar Monaten im Vorprogramm zu Til Schweigers "Manta Manta - Zwoter Teil" ein Trailer, der mich mehr für sich einnahm als jede kinosommerliche Aussicht auf ein Superhelden-Multiversum: Jennifer Lawrence geht darin in einem Tierheim auf einen in einer Nische zwischen Käfigen kauernden jungen Mann zu, der einen Hund in den Armen wiegt und sagt: "Can I touch your Wiener?" Die eher abgeschmackte Mehrdeutigkeit des Satzes ist sofort offensichtlich, auch wenig originell und oftmals variiert, doch mir signalisierte diese Szene sofort: Eine solche Anspielung bestimmt in einer amerikanischen Komödie die Altersfreigabe für den Film, der somit unter keinen Umständen unter einem R-Rating (Eintritt ohne volljährige Begleitung nicht unter 17 Jahren) davonkommt. Damit zu werben heißt: damit zu locken. Dieser Film, "No Hard Feelings", kann nur ein rares, unbedingt schützenswertes Gut sein, dachte ich. Eine aktuelle Komödie mit R-Einstufung hatte ich schon länger nicht mehr im Kino gesehen.

Jennifer Lawrence spielt Maddie, die in Montauk lebt, an der äußersten Spitze von Long Island, in einer dieser Städte an der Ostküste, die für ein paar Monate als Sommerreiseziel existieren und den Rest des Jahres in Winterschlaf verfallen. Zu Beginn des Films ist Maddie Uber-Fahrerin, bzw. sie ist es sofort nicht mehr, denn da sie die ausstehenden Grundsteuern für ihr Haus nicht bezahlen kann, wird ihr Auto abgeschleppt und verpfändet. Sie versucht in einer Kneipe am Hafen zu arbeiten, aber das geht nicht lange gut. Du kannst eine Nervensäge im Frühjahr sein und eine im Winter, sagt die Besitzerin der Strandbar zu ihr. "But don't be a bitch in June." Der Sommer hat erst begonnen.

Bei "Craigslist" liest Maddie, und so wird eine Teen-Komödie daraus, eine Annonce, in der Helikoptereltern (der Vater: Matthew Broderick mit silberfuchsigen Perückenzotteln) im Geheimen ihrem Sohn ein Date arrangieren wollen, bevor er zum Studienbeginn nach Princeton aufbricht: rich kid problems also. Als Gegenleistung dafür lockt ein Buick Regal, ein Auto, das sein Versprechen auf ein gehobenes Leben bereits im Namen (Regal wie: königlich, vornehm) trägt. In seiner Freizeit arbeitet der Sohn, Percy (der Musiktheater-Nachwuchs-Schauspieler Andrew Barth Feldman in seiner ersten Filmhauptrolle) ehrenamtlich in einem Tierheim, und dort beginnt Maddie einen ersten, verunglückenden Annäherungsversuch, indem sie vorgibt, einen Streuner aufnehmen zu wollen. Welche Art von Hund sie denn retten wolle, fragt Percy. Ich weiß es nicht, antwortet Maddie. "Which is the most fucked-up?

Ab diesem Moment ist "No Hard Feelings" auch eine Komödie über das Wechselspiel zwischen berechnender Verführung und eingestandener Verletzlichkeit. "Money's the matter/ If you're in it for love/ You ain't gonna get too far" heißt eine Textzeile aus dem Song "Maneater" von Hall & Oates. Maddie und Percy hören ihn zuerst gemeinsam im Auto, er missversteht die Lyrics, sie versucht es zu erklären. Später singt er ihr das Lied noch einmal vor, und die tatsächliche Bedeutung wird allmählich erst, letztlich unverrückbar überschrieben, so wie es nur gelingen kann, wenn in Filmen Popmusik das alleinige Recht zugesprochen wird, über alles Weitere zu entscheiden.



Komödien mit einer R-Einstufung sind eine widersprüchliche Kategorie: Filme, die sich insbesondere an ein Publikum richten, das per Altersfreigabe vom Kinobesuch ausgeschlossen werden soll. Auf dem Höhepunkt des Erfolges der "American Pie"-Reihe, einem der Urtexte postmoderner High-School-Sexkomödien, bewirkte deswegen um die Jahrtausendwende der republikanische Politiker John McCain in einer Senatssitzung, dass Filme mit einem R-Rating nicht mehr tagsüber im Fernsehen und Kino beworben werden durften und im Marketing eingeschränkt werden mussten.

Als unmittelbare Reaktion darauf wandten sich die erfolgreichsten Regisseure von Gross-out-Komödien der 90er-Jahre wie die Farrelly-Brüder zunehmend dem Markt familienfreundlicherer PG13-Komödien zu. Dennoch oder gerade durch diese restriktionsbedingte Verknappung wurden die Nullerjahre kommerziell zum goldenen Zeitalter jugendgefährdender Komödien, die plötzlich zu selteneren Events mit einem selbstbewussten Eskalationsethos gerieten. Neben den oftmals kopierten und variierten Bro-Culture-Filmen von Todd Phillips, der am Ende der Dekade mit "The Hangover" die in den USA finanziell einträglichste Komödie mit R-Einstufung überhaupt veröffentlichte, bestimmte insbesondere die Produktionstraumfabrik von Judd Apatow den Komödien-Groove der Zeit. Eine Flut an Arbeiten, die sich fast schon lexikalisch an der derberen Umkodierung und Zuspitzung aller möglichen Subgenres (RomComs, Kifferkomödien, Schulfilme, Roadmovies, Musik-Biopics, Sportfilme und so weiter) versuchte und mit der beherzten High-School-Sauerei "Superbad" einen künstlerischen Höhepunkt erreichte, dessen lustvolle Talking-dirty-Chuzpe selbst in Deutschland die an Komödien selten vergebene FSK-16-Freigabe erzwang.

Wenn ich so nostalgiebeseelt und ausschweifend von einer Zeit schwärme, die erst wenige Jahre zurückliegt, so liegt das daran, dass "No Hard Feelings" 2023 in einem franchisedominierten Kino-Blockbuster-Umfeld erscheint, das kaum noch irgendeine Spielart von Komödien kennt. Das Genre taugt höchstens noch als Füllware für den Filmbestand von Streamingdiensten, wo es selten Resonanz erhält. Die wenigen Kinokomödien der letzten Jahre mit R-Rating waren meist eher Symptom ihrer eigenen Filmindustrie denn Reaktion auf diesen Zustand: Entweder arbeiten sie sich wie "Booksmart" revisionistisch an einem klischeeisiert empfundenen Figuren- und Situationenrepertoire ab, oder sie leisten sich wie die "Deadpool"-Reihe innerhalb eines größeren Franchise-Rahmens kalkulierten Zynismus, der kaum einer tatsächlichen komödienhaften Tonalität nahekommt.

Der Regisseur von "No Hard Feelings", Gene Stupnitsky, hatte sich mit seinem Drehbuch für die Cameron-Diaz-Komödie "Bad Teacher" als Klassizist mit ausgeprägtem revivalistischen Bewusstsein erwiesen. Seine erste Regiearbeit "Good Boys" besaß mit ihrer Prämisse (Kinder plappern wie hormonell geplagte Teenager) zwar knuffigen Novelty-Charme, ächzte aber unter einer überdeterminierten Plotmechanik, der sich alle interessanteren Genre-Elemente unterordnen mussten. In "No Hard Feelings" hingegen besinnt sich Stupnitsky auf den wesentlichen Grund, eine Komödie zu drehen: Es geht darum, einen Rahmen für das komödiantische Timing-Gespür von Schauspielern zu schaffen, anstatt sie durch eine überspannt konstruierte Geschichte zu jagen. Hört man Jennifer Lawrences kehliges Lachen und sieht, welche kreative Energie sie selbst aus Gag-Beiläufigkeiten wie dem Erklimmen von Treppenstufen auf Rollerskates schlägt, fragt man sich, wieso das amerikanische Kino seit dem Ende der "Hunger Games"-Reihe kaum etwas mit ihr anzufangen weiß.

"No Hard Feelings" mag im Rückbezug auf die Filmgeschichte (insbesondere die neokapitalismuskritische Ermächtigungsfantasie "Risky Business" lässt sich als Schablone erkennen, wie überhaupt die so affirmativen wie leistungszersetzenden Komödien der Reagan-Ära) gelegentlich zu überdeutlich sein und Stupnitsky etwas zu kenntnisreich in der Mechanik von Teenagerkomödien. Letztlich muss man dem Film aber eben das Kompliment machen, das er gerne für sich beanspruchen möchte: Näher kam ihren Vorbildern schon lange keine Komödie mehr.

Kamil Moll

No Hard Feelings - USA 2023 - Regie: Gene Stupnitsky - Darsteller: Jennifer Lawrence, Natalie Morales, Ebon Moss-Bachrach, Matthew Broderick, Andrew Barth Feldman - Laufzeit: 103 Minuten.