Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

Kunst, Ausstellungen, Architektur

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Efeu - Die Kulturrundschau vom 24.04.2024 - Kunst

Werbeplakat für Fahrräder der Marke Plasson Cycles, Lithographie von Manuel Robbe, Paris ca. 1897. Quelle: SDTB, Historisches Archiv, V.4. X 0008

Das Deutsche Technikmuseum in Berlin zeigt ab heute die Ausstellung "Freiheit auf zwei Rädern" mit vierzig französischen Werbeplakaten aus dem eigenen Bestand. Es ist aber nicht nur eine Schau über das Fahrrad, sondern vor allem über das Frauenbild der Belle Époque, stellen Sophie-Marie Schulz und Linnéa Grajetzki in der Berliner Zeitung fest: "Auf der einen Seiten werden Rollenbilder bewusst aufgebrochen, erhalten eine moderne Nuance. Andererseits wurde das Fahrradfahren in Verbindung mit dem weiblichen Körper zu einem Streitthema. Was, wenn eine Frau auf dem Fahrrad anfängt zu schwitzen? Wenn sie sich zu sehr vom männlichen Familienoberhaupt emanzipiert? Während sich einige Künstler mit mythologischen oder kriegerischen Darstellungen befassten, hielten sich andere an die gegebenen Schönheitsideale. Mit dem Abbild der sogenannten Parisienne - eine Frau mit Wespentaille, langen Kleidern und perfekt liegenden Haaren - sollte verdeutlichen, dass Fahrradfahren nicht auf Kosten der Weiblichkeit geht." Männer sorgten sich, dass "Frauen wegen der Form des Sattels Schaden nehmen könnten und permanent stimuliert werden. Die Industrie fackelte nicht lange und entwarf einen 'frauengerechten Sattel'."

Elfriede Mejchar: aus der Serie "Wienerberger Ziegelöfen", 1979-81, Wien Museum

Gleich drei Häuser, nämlich die Landesgalerie Niederösterreich, das Wien-Museum und das Museum der Moderne Salzburg widmen der österreichischen Fotografin Elfriede Mejchar derzeit Ausstellungen zum hundertsten Geburtstag, freut sich im Standard Caroline Schluge, denn Mejchar, die "unbekannte Konstante" in der österreichischen Fotografie, machte neben Landschaftsfotografie, Porträts, Collagen und experimenteller Analogfotografie auch Aufnahmen von Lost Places, lange bevor es Trend wurde: "Immer wieder steigt sie aus ihrem Dienstwagen aus und nimmt alte Strommasten, Vogelscheuchen oder Autowracks auf. Die Bilder werden zu Zeitdokumenten der österreichischen Peripherie, in der die Uhren stillzustehen scheinen. Es ist immer wieder das vermeintlich Hässliche, in dem Mejchar das Schöne sieht: Die Stofffetzen an den heruntergekommenen Vogelscheuchen flattern im Wind, Pflanzen ranken sich um die verlassenen Autos und machen sie zu einem permanenten Teil der Landschaft."

Weitere Artikel: Ein Rembrandt von 2016? Kann man im Kurzpfälzischen Museum Heidelberg sehen, das in der Ausstellung "Kunst und Fälschung" nicht nur Werke aus LKAs präsentiert, sondern auch offenbart, wo Künstliche Intelligenz nach wie vor Schwächen zeigt, wie Katharina J. Cichosch (taz) feststellt.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 23.04.2024 - Kunst

Plakat von Women Life Freedom Italien, Instagram


Jonathan Guggenberger begibt sich für die taz auf der Biennale in Venedig mal etwas abseits der zentral liegenden Pavillons, weil er wissen will: Was ist eigentlich mit dem Iran? Statt der geplanten Ausstellung "Of One Essence is the Human Race" mit Malereien der "hier unbekannten iranischen Künstler Abdolhamid Ghadirian, Gholamali Taheri oder Mostafa Goudarzi, findet man dort nur eines: Protestplakate der italienischen Sektion von Women Life Freedom. Auf Farsi, Englisch und Italienisch ist zu lesen: 'Die Islamische Republik Iran entschuldigt sich bei der Biennale für die verspätete Eröffnung des Pavillons. Wir haben unseren Flieger verpasst, da Israel uns bombardiert und wir sehr beschäftigt sind damit, das iranische Volk zu verfolgen.'" Die Plakate stammen vom iranischen Kollektiv "Woman, Life, Freedom", das die Biennale auch zum Boykott der Islamischen Republik aufrief, weiß Guggenberger. Die Leitung der Biennale kam dem nicht nach. Überhaupt weiß niemand so richtig, was jetzt eigentlich mit dem Pavillon los ist, zur offiziellen Eröffnung findet der Kritiker nur verwirrte Gäste, aber keinen Pavillon: "Der Iran scheint in Venedig ein blinder Fleck zu sein. Während seit Tagen über den aus Protest geschlossenen Pavillon Israels berichtet wird, will von der dubiosen Präsenz und dann wieder Nicht-Präsenz des theokratischen Regimes auf der Kunstbiennale niemand Kenntnis nehmen. Die Aktivisten von ANGA rufen lautstark zur 'Intifada' gegen ihren Erzfeind Israel auf, zum Iran aber schwiegen sie."

Weiteres: In der Berliner Zeitung macht sich Ingeborg Ruthe auf die Suche nach Jean Ipoustéguys Skulptur "Ekbatana", dem "eisernen Maschinen-Menschen" vor dem Berliner ICC. Ebenfalls dort schreibt Mathias Bertram einen Nachruf auf den Galeristen Norbert Bunge. Im Tagesspiegel gratuliert Christiane Meixner dem "Gallery Weekend" Berlin zum zwanzigjährigen Jubliäum. Besprochen wird die Ausstellung "Michael Wesely. Berlin 1860-2023" im Museum für Fotografie Berlin (FAZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 22.04.2024 - Kunst

Archie Moore, neuseeländischer Pavillon auf der Biennale von Venedig 2024. Courtesy of Archie Moore and TheCommercial | photography by Andrea Rossetti


Der Goldene Löwe der diesjährigen Biennale geht an den australischen Künstler Archie Moore, berichtet Jörg Häntzschel in der SZ. Moore, der von den Kamilaroi und Bigambul abstammt, hat "seinen Stammbaum mit Kreide an die Wände gezeichnet. Er umfasst 3.500 Personen und reicht Hunderte Jahre zurück. Immer wieder sind darin Lücken zu sehen, weil die Genealogie der First Nations oft undokumentiert blieb. Moore erklärte, er wolle mit seiner Arbeit an die Unterdrückung der Aborigines durch die europäischen Siedler erinnern. 'Wir sind alle eins und tragen gemeinsam die Verantwortung für alle Lebewesen, jetzt und in der Zukunft', sagte er." Damit gewinnt "die strengste, stillste und konzeptuell stringenteste unter den Länderbeiträgen der Biennale. Sie kommt ohne Bilder und ohne Farbe aus und stellt damit nicht nur ein radikales Gegenprogramm zu den meisten Pavillons dar, sondern hebt sich auch von der Ästhetik vieler anderer indigener Künstler auf der Biennale ab." Der Preis für die besten Künstler ging an das neuseeländische Mataaho Collective, so Häntzschel.

Fingerring mit byzantinischer Goldmünze als Platte. Foto: Peter Gaul.

Viele wertvolle und seltene Exponate bekommt FAZ-Kritiker Tilmann Spreckelsen in einer Ausstellung im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz zu sehen: "Welterbe des Mittelalters: 1.300 Jahre Klosterinsel Reichenau" hat nicht weniger als "fünf der zum UNESCO-Welterbe zählenden Reichenauer Prachthandschriften" zu bieten, staunt Spreckelsen, und das ist nicht alles: "Gezeigt werden etwa ein kostbarer Schrein mit Reliquien des Klostergründers Pirmin und ein Armreliquiar der heiligen Verena, ebenfalls im Bodenseeraum tätig und berühmt dafür, Schlangen und anderes Gewürm vertrieben zu haben. Pirmin leistete dasselbe auf der Reichenau, und angeblich soll die umliegende Seeoberfläche drei Tage lang von davonziehenden Reptilien gewimmelt haben." Auch Johann Schloemann jubelt in der SZ über diese "prächtige" Ausstellung.

Besprochen werden die Ausstellung "War Requiem" mit Werken des israelischen Filmemachers Amos Gitai in der Salzburger Villa Kast (Welt) und die Ausstellung "Nova" von Li Zhi in der Galerie Bernet Bertram in Berlin (tsp).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 20.04.2024 - Kunst

Jörg Häntzschel scheint in der SZ ganz angetan von der 60. Venedig-Biennale, anders als manche seiner Kollegen (Unsere Resümees) und teilt Eindrücke aus den verschiedenen Pavillons. Nicht alles ist spannend, räumt der Kritiker ein, dafür geht manches so richtig unter die Haut: "Das ukrainische Kollektiv Open Group gibt dort unter dem Titel 'Repeat After Me' Videounterricht in der Sprache des Kriegs. Die Abfolge der Videos immer dieselbe: Kriegsflüchtlinge schauen emotionslos in die Kamera, sagen ihren Namen und ihren Herkunftsort. Dann ahmt jede und jeder von ihnen das Geräusch einer russischen Waffe nach: den T-80-Panzer, den Kampfbomber Su 34, die AK 47. Sie machen 'Wuuuhuuu-Buhh', 'SHHhhhhh-s-s-shhh-sh' oder 'TDDDDZDZHZZZHHHZZZHHH'. Zweimal heulen, rattern, zischen sie die Geräusche in die Kamera, dann sind die Schüler dran, das Gelernte mithilfe der phonetischen Umschreibung und der stummen Lippenbewegungen zu wiederholen. Niemand wagt es, nach vorn zu treten. Die Ukrainer bleiben allein mit den grotesken Tonfolgen."

Sophie Jung ist in der taz nicht so ganz glücklich damit, wie hier Kunst aus dem "Globalen Süden" präsentiert wird. Das Motto "Foreigners everywhere" findet sie toll, "doch das gewitzte Sprachspiel von Claire Fontaine, das eigentlich alle zu Fremden macht, wird von Pedrosa in dieser Ausstellung wieder zurückgedreht. Adriano Pedrosa... will den Fokus auf diejenigen legen, die über Dekaden von der westlichen Kunstwelt nicht beachtet wurden. Das ist ein gutes Anliegen. Doch Pedrosa muss die von der Kunstgeschichte Marginalisierten erst einmal identifizieren, sie vielleicht mehr zu Fremden machen, als sie es sind... Dabei scheint Pedrosa sich mit der Identität als künstlerischer Kategorie keinen Gefallen getan zu haben, visuell schön angeordnet, hängt die Kunst hier häufig in einem luftleeren Raum. Hätte Pedrosa die Übersehenen der jüngeren Kunstgeschichte nicht ganz selbstverständlich als Teil einer globalen Kunst positionieren können, ohne diese soziogeografische Trennlinien ziehen zu müssen?"

Auch Boris Pofalla und Marcus Woeller machen in der Welt einen Rundgang durch die Pavillons. Im Tagesspiegel berichtet Birgit Rieger.

Für die taz besuchen Waltraud Schwab und Jens Gyarmati die Fotografin Gundula Schulze Eldowy, die mit ihren Fotos aus dem Ost-Berlin der Siebziger und Achtziger Jahre berühmt wurde "die die Menschen mit schonungsloser Offenheit zeigen. Sie waren den DDR-Oberen nicht genehm. Direktheit strahlen die Leute auf den Schwarz-Weiß-Fotos aus. Und in der Direktheit liegt Unangepasstheit. Da ist keine sozialistische Propaganda, sind keine Potemkinschen Dörfer, stattdessen das unsanierte Berlin von damals, mit Einschusslöchern noch in den Häuserwänden. Heute ist ihre Wohnung vor allem Archiv, denn Schulze Eldowy lebt, wenn sie nicht in Berlin ist und sich um ihr Œuvre kümmert, oft länger in Peru, am Fuße des Cerro Bianco, des Weißen Berges.

Perlentaucher Peter Truschner, der einige Verdienste für die Wiederentdeckung Schulze Eldowys hat, weist im "Fotolot" im übrigen noch auf eine Berliner Ausstellung mit ihren Aktbildern hin - Bilder, die so noch nie gezeigt oder veröffentlicht worden sind - die Bilder werden nächstes Wochenende nur für drei Tage gezeigt.

Ebenfalls in der taz schreibt Benno Schirrmeister über den Raub von kostbarer chinesischer Keramik aus gleich drei deutschen Museen. Der Handel mit gestohlener Kunst boomt, weiß Schirrmeister: "Allein in Europa sind 2020 laut Interpol 567.465 gestohlene Kunstobjekte durch die Polizei eingezogen worden. In Deutschland liegt die Aufklärungsquote bei Kunstdiebstahl bei rund 30 Prozent. Die Zahlen machen die Einschätzung des Deutschen Museumsbundes plausibel, laut der 'das finanzielle Volumen des illegalen Kunsthandels international an dritter Stelle hinter dem Drogen- und dem illegalen Waffenhandel' rangiert. Das Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für Kriminalität und Rechtspflege (Unicri) geht davon aus, dass er vor allem die diffuse Bedrohung finanziert, die Sicherheitsfachleute 'internationalen Terrorismus' nennen."

Weiteres: Der Tagesspiegel meldet mit dpa eine besonders eindeutige Kunstaktion der Aktivistinnen-Gruppe Pussy Riot: Bei einer Performance in der Pinakothek der Moderne in München urinierten die Frauen auf ein Bild von Wladimir Putin. Anne Diekhoff trauert in der taz um die Alte Börse in Kopenhagen - ein kleiner Trost sind ihr die Videos, die Passanten dabei zeigen, wie sie Kunstwerke aus dem Innenraum retten, bevor das Gebäude endgültig in Flammen aufging. die  Die FAS stellt ihre "Vier Fragen" dieses Mal der Direktorin des Gropius-Bau, Jenny Schlenzka. Max Florian Kühlem war für die SZ in drei Ausstellungen, in denen man Kunst nicht nur anschauen, sondern auch anfassen darf: "SHAPE! Körper + Form" im Lehmbruckmuseum Duisburg, "Tony Cragg. Please touch!" im Kunstpalast Düsseldorf und "Kopfüber in die Kunst" im Dortmunder U. Besprochen wird ansonsten die Ausstellung "Poetics of Encryption" im HKW Berlin (FAS).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 19.04.2024 - Kunst

Anders als Hanno Rauterberg gestern in der Zeit (unser Resümee) ist Stefan Trinks heute in der FAZ eigentlich recht zufrieden mit Adriano Pedrosas Biennale di Venezia, die vor allem unbekannte Künstler aus dem "Globalen Süden" versammelt, und das ganz "ohne Schaum vorm Mund": "Will man hier in der Vielsprachigkeit der Positionen ein verbindendes Oberthema finden, wäre es wohl das in den vergangenen Jahren ohnehin virulente textile Verweben und Verknüpfen von Menschen und Ideen mittels Kunst, ganz konkret auch im Sinne der in zahlreichen Ländern, die in Venedig nun in den Fokus rücken, viel unmittelbareren und lebensnäheren Web-, Knoten- und Textilkünste. Der Knoten als Ur- und Mikroform aller schützenden Bekleidung, von Zelten - und von Leinwänden. Wie überlebenswichtig das Knüpfen von Netzen in Kriegszeiten von Künstlerseite aus sein kann, stellt ein Künstlerkollektiv im Ukraine-Pavillon im Arsenale aus: unter dem Titel 'Net-Making' zeigen sie, wie nicht nur das Verknüpfen untereinander, sondern ganz konkret das gemeinsame Schaffen von Camouflage-Netzen und kunstvoller Tarnung schon seit dem russischen Angriff 2014 zahlreiche Leben schützte."

Peter Richter erscheint in der SZ die Biennale genau wie Rauterberg zu "konventionell und museumsartig". Zudem man "gerade von Besuchern mit sogenanntem Migrationshintergrund hinter vorgehaltener Hand immer wieder auch Unmut hören konnte über die unterkuratierte Überfülle an Ähnlichem. Über eine Reduktion auf Herkünfte wurde geklagt. Der Vergleich mit den Menschenzoos auf kolonialzeitlichen Völkerschauen wurde gezogen. Wahrscheinlich muss man diese Ausstellung aber ohnehin als die letzte Blüte eines Trends und eines Sounds begreifen, die die vergangenen zehn Jahre geprägt haben, bevor das schon sehr bald in etwas ganz anderes umschlagen könnte. Sind demnächst also deutsche Beiträge zu erwarten, die das geheime Wissen des Teutoburger Walds beschwören, sich am Limes reiben und überhaupt am Kolonialismus der Römer, denen wir das Wort schließlich verdanken? Möglich scheint alles."

Der Biennale geht's ja wie eigentlich jeder Kunstveranstaltung heutzutage um den "globalen Süden". Dazu gehört für die Biennale-Kuratoren aber offenbar indirekt auch Russland, das zwar selbst nicht teilnimmt, seinen Pavillon aber Bolivien überlassen hat, erzählt  Yelizaveta Landenberger in der taz: "Bolivien selbst soll sich gemäß Pressesprecher des Pavillons an Russland gewandt haben, um angesichts der anstehenden 200-Jahr-Feier seiner Staatsgründung im nächsten Jahr sich bereits vorab auf der internationalen Kunstschau präsentieren zu können. Im Gegenzug zeigt sich Bolivien bereit, sein großes Lithiumvorkommen nach Russland zu exportieren. Man braucht es etwa für die Herstellung von Batterien. Durch den Verleih des Pavillons an das südamerikanische Land ergibt sich für Russland eine Win-win-Situation: Der Putinstaat macht sich nicht nur bei Bolivien beliebt, sondern inszeniert sich zugleich als Vorreiter im dekolonialen und antiimperialistischen Kampf." Kurzum: Für den "globalen Süden" werden sogar Sanktionen des Westens unterlaufen! Im Tagesspiegel schreibt Birgit Rieger zur Biennale.

Weiteres: Ingeborg Ruthe schaut sich für die FR in der neu eröffneten Kleihues-Halle im Hamburger Bahnhof in Berlin um, in der die Beuys-Werke neu präsentiert werden. Auf einer Feuilleton-Seite in der SZ geht Johanna Adorjan der Identitätssuche von "Fräulein Lieser" nach, dem wiederentdecktem Frauenporträt von Gustav Klimt, das In Wien nächste Woche versteigert wird.

Besprochen werden die Ausstellung "Oliviero Toscani: Fotografie und Provokation" im Museum für Gestaltung in Zürich (NZZ) und die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung, die jetzt nach Berlin wandert (Zeit).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 18.04.2024 - Kunst

Am Samstag eröffnet die Kunstbiennale in Venedig, die sich, kuratiert von Adriano Pedrosa, unter dem Titel "Foreigners Everywhere" auf queere und indigene Volkskünstler aus dem Globalen Süden konzentriert. Die KunstkritikerInnen waren schon da und sind ernüchtert. "Selten sah man eine Biennale, die so wohlsortiert und museal aufbereitet war. Selten wurde so eifrig gemalt und gezeichnet, gewebt, gestrickt, gehäkelt", seufzt in der Zeit Hanno Rauterberg, der auf dieser "Biennale des guten Gewissens" lauter hochbetagte, teils tote Künstler aus dem Globalen Süden sieht und feststellt: Hier zählt offenbar vor allem Herkunft. "Fast könnte man meinen, Pedrosa habe seine Ausstellung vor der Erfindung des Internets konzipiert. (...) Das zirkuläre Denken, wie Pedrosa es favorisiert, scheint eine gewisse Gediegenheit zu begünstigen, und nicht immer ist sie frei von Kitsch und Klischee. (...) Noch die schlimmste Ethnofolklore gilt als gerechtfertigt und gut, solange sie von indigener Hand gefertigt wurde. Und egal wie altbacken ein Stillleben mit Blumenstrauß auch sein mag, solange es von einem schwulen Maler stammt, hat es seine Berechtigung und wird auf der Biennale präsentiert."

Was ist sie denn nun, die Kunst des "Globalen Südens", fragt sich auch Marcus Woeller (Welt), der statt der Einordnung in Kategorien wie "fremd", "migrantisch" oder "queer" gern einen Austausch mit europäischen oder amerikanischen Werken gesehen hätte. Denn Überschneidungspunkte gibt es durchaus: "So gab es Varianten der geometrischen Abstraktion und Hard-Edge-Malerei auch etwa im Irak mit Mahmoud Sabri, Mohamed Melehi in Marokko oder Judith Lauand in Brasilien." Ohne Kontext bleiben sie aber "seltsam fremd", meint er: "Mit einem derart kuratorisch verengten Blickwinkel stellt man Werke in einen Kontext, der andere Zusammenhänge überlagert bis negiert. Gleichzeitig fehlt die Sensibilität für aktuelle weltpolitische Themen, die den 'Globalen Süden' und den 'Globalen Norden' eher stärker polarisieren."

Unpolitisch geht es auf der Biennale allerdings keineswegs zu: Vor dem israelischen Pavillon verteilten ein paar Dutzend Personen Flugblätter mit der Aufschrift "no death in Venice, no genocide pavillon"  und schrien später vor dem deutschen Pavillon "Shame on Germany", wie Niklas Maak in der FAZ berichtet. Der Krieg in der Ukraine wiederum ist im vom ukrainischen Kollektiv Open Group bespielten polnischen Pavillon zu hören, wo der Klang der Angriffe nachgeahmt wird, berichtet Tobias Timm in der Zeit. Und im österreichischen Pavillon lässt die in Russland geborene Konzeptkünstlerin Anna Jermolaewa die ukrainische Balletttänzerin Oksana Serheieva dreimal täglich zu Schwanensee tanzen, wie Stefan Weiss im Standard mitteilt: "Jermolaewa will daran erinnern, dass in der Sowjetunion im Staatsfernsehen immer dann Schwanensee in Endlosschleife gesendet wurde, wenn es gerade einen Regimewechsel oder politische Unruhe im Land gab. Aus der Propaganda-Beruhigungspille wurde so über die Jahrzehnte ein Signal der politischen Bewegtheit, das Jermolaewa nun freilich in Richtung Putin umdeuten will. Der Diktator muss weg, sagt die Künstlerin ganz offen."

Ersan Mondtag: "Monument eines unbekannten Menschen". Foto: Andrea Rossetti

Kein Pavillon ist so überwältigend wie der deutsche, jubelt Jörg Häntzschel derweil in der SZ. Bespielt wird er von Yael Bartana (Unsere Resümees) und dem Theaterregisseur Ersan Mondtag, der ein dreistöckiges Gebäude geschaffen hat, in dem er das Leben seines Großvaters, der als Gastarbeiter nach Deutschland kam, mit fünf SchauspielerInnen als "klaustrophobische begehbare Biografie" inszeniert: "Mondtag hat hier nicht nur den türkischen Gastarbeitern ein Denkmal gesetzt, sondern auch den Deutschen, die in der DDR geboren wurden, und deren Erfahrung, so sagt er am Eröffnungstag, denen der BRD-Einwanderer viel näher sei, als beide Seiten wahrhaben wollen. 'Auch sie haben ihre Heimat verloren, auch sie wurden schlecht behandelt.'" In der Welt ist Boris Pofalla nicht ganz so enthusiastisch, meint aber: "Den Vergleich mit der Konkurrenz muss der deutsche Beitrag dieses Jahr nicht scheuen."

Besprochen werden die Caspar David Friedrich-Ausstellung "Unendliche Landschaften" in der Alten Nationalgalerie, die das Werk des Malers "über seine Rezeption durch die Nachwelt erschließt" und auch die Kriegsverluste der Berliner Sammlung mit Fotografien und Kopien dokumentiert, wie Andreas Kilb in der FAZ schreibt, die Ausstellung "Mind the Memory Gap" im Kindl - Zentrum für Zeitgenössische Kunst in Berlin, in der der Künstler Franz Wanner den Zusammenhang von Plexiglas und Zwangsarbeit untersucht (taz) und die Ausstellung "Michael Wesely. Berlin 1860-2023" im Museum für Fotografie (Blz).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 17.04.2024 - Kunst

Ruth Patir, Keening, 2024, courtesy of the Artist and Braverman Gallery, Tel Aviv

Auf der diesjährigen Biennale in Venedig wird der israelische Pavillon aller Voraussicht nach nicht für das Publikum geöffnet werden. Ein Plakat am Fenster verkündet: "Die Künstlerin und die Kuratoren des Israelischen Pavillons werden die Ausstellung erst öffnen, wenn eine Vereinbarung über einen Waffenstillstand und eine Freilassung der Geiseln erreicht ist." Ist das ein Erfolg der "Art Not Genocide Alliance" die, vermittels eines vielfach unterzeichneten offenen Briefs, gefordert hatte (unser Resümee), Israel von der Schau auszuschließen? Nein, glaubt Marcus Woeller in der Welt: "Auf der Website der Künstlerin Ruth Patir, die hier ausstellen sollte, erfährt man, dass die Entscheidung nicht als Cancel Culture gegen sich selbst zu verstehen sei. Sie wolle sich aber solidarisch erklären mit den Geiseln und ihren Angehörigen."

Sebastian Frenzel analysiert in Monopol: "Ruth Patir und das kuratorische Team waren damit in einer aussichtslosen Lage: Im aufgeheizten Klima hätten sie vermutlich sogar einen Hamas-Propagandafilm zeigen können und wären niedergebrüllt worden. Auf den ersten Blick wirkt es nun, als hätte der Boykottaufruf indirekt Wirkung gezeigt. Doch mit der Schließung des Pavillons vermeidet das israelische Team gleichzeitig, den Aktivisten ein Podium zu bieten, denen ein bisschen medienwirksamer Radau gerade recht gekommen wäre. Zugleich sendet ihre Entscheidung eine Botschaft, die die aktuelle politische Situation zu den Möglichkeiten der Kunst in Beziehung setzt."

Und Ruth Patir selbst? Ulrike Knöfel trifft sie für Spiegel Online. Auch hier macht die Künstlerin deutlich, dass sie es ablehnt, als Israelin boykottiert zu werden. Dass Israel "von links und rechts gecancelt" wird, gefällt ihr keineswegs. Enttäuscht ist sie aber vor allem, dass nun ihre Arbeit mitsamt ihrem eigentlichen Anliegen unter den Tisch fällt: "Als Künstlerin", so Knöfel, "gelingt ihr etwas Außergewöhnliches, sie schafft Filme, die persönlich und dokumentarisch sind, aber surreal wirken. Von ihr selbst ausgehend, ihr Innerstes offenbarend, nähert sie sich großen gesellschaftlichen Themen, in diesem Fall der in Israel so selbstverständlichen, geradezu populären Reproduktionsmedizin. Venedig war ihre Chance, ein entsprechendes Projekt zu realisieren, an dem sie seit Jahren arbeitet. Und jetzt das: 'Ich wollte meine Arbeit zeigen, aber nicht um jeden Preis.'" Peter Richter fragt sich wiederum in der SZ: Wird jetzt statt gegen den israelischen gegen den deutschen Pavillon protestiert werden?

Eben diesen deutschen Pavillon nimmt Daniel Völzke für Monopol unter die Lupe. Unter anderem ist hier Yael Bartanas Videoarbeit "Light to the Nations" zu sehen, ein "Pre-enactment" (Bartana) einer kommenden kosmischen Migrationsbewegung: "Das nach einer Bibelstelle aus dem Buch Jesaja benannte Generationenschiff für Juden startet ins Ungewisse, weil die Erde durch eine ökologische Katastrophe zerstört ist, es basiert auf jüdischen mystischen Lehren und soll den Samen legen für neue Gesellschaftsformen jenseits territorialer, ethnischer, religiöser und staatlicher Festlegungen. Es soll die Menschheit zu 'Tikkun Olam' (wörtlich: 'die Reparatur der Welt') führen. Das Schiff sei so konzipiert, dass es eine große Gemeinschaft für Jahrtausende beherbergen und weit über unser Sonnensystem hinaus reisen kann." Laut Völzke liegt es nahe, die Arbeit auch auf die Gegenwart des Gazakriegs und des grassierenden Antisemitismus zu beziehen.

Besprochen werden die Ausstellung "Rodin. Eine moderne Renaissance" im BAM Mons (FAZ), die der Malerin Tamuna Sirbiladze gewidmete Schau "Not Cool but Compelling" im Wiener Belvedere (Standard), die Schau "Alfred Ehrhardt & Rolf Tietgens: Hamburger Hafen und Norddeutsche Küste" in der Alfred Ehrhardt Stiftung, Berlin (Tagesspiegel) und die Doppelausstellung "Naturstreit - Erzählungen im Antropozän" / "Zeit Falten" in der Berliner Galerie Tammen (taz).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 16.04.2024 - Kunst

Portrait of an Image (with Isabelle Huppert) (Detail), 2005-2006 Aufgezogene und gerahmte, 50-teilig, Foto: Genevieve Hanson, Courtesy the artist and Hauser & Wirth., © Roni Horn

Eine "collageartige Wunderkammer" betritt SZ-Kritiker Alexander Menden im Museum Ludwig in Köln: Die Ausstellung "Roni Horn - Give Me Paradox or Give Me Death" zeigt eine große Retrospektive der amerikanischen Künstlerin. Menden weiß bei den vielfältigen Motiven gar nicht so richtig, wo er zuerst hinschauen soll. Doch "anders als bei vielen zeitgenössischen Künstlern, bei denen die oft wilde Heterogenität von Materialien und Ausdrucksformen oft Ausdruck von Beliebigkeit, ja Ratlosigkeit zu sein scheint, ist sie bei Horn Programm". Der permanenten Wandelbarkeit und Fluidität ihres Werkes entspricht ihre Vorliebe für das Element Wasser - Menden bestaunt ihre Bilder der Themse in London, die fast wie ein Porträtserie erscheinen: "Ruhiges Wasser (Der Fluss Themse, zum Beispiel)", ist eine Serie von 15 großformatigen Fotolithografien von 1999 von der Wasseroberfläche der Themse in London. Ihre Textur und Farbgebung variiert in erstaunlichem Maße: Manchmal ist sie bleigrau, manchmal grünlich oder blau, manchmal schwarz. Bisweilen wirkt das Wasser bewegt, in anderen Bildern ruhig und kaum gekräuselt. Auf allen Bildern sind Zahlen verteilt wie auf einem Adventskalender, die mit Fußnoten am unteren Rand korrespondieren. Diese enthalten Überlegungen, Fakten und Zitate über die Themse. Dasselbe in seiner unendlichen Variabilität zu zeigen, gelingt hier besonders eindrücklich."

Die Kunst am Bosporus boomt, dank des Oberbürgermeisters von Istanbul, freut sich Ingo Arend in der taz. Der Kunstliebhaber Ekrem İmamoğlu eröffnete unter anderem das erste öffentliche Kunstmuseum in der Hauptstadt, das "İstanbul Sanat Müzesi": "Mit den neu eröffneten Häusern sichert die Stadt Istanbul das kulturelle Erbe der Stadt, das oft einer obsessiven Bauwut zum Opfer fiel. Sie funktionieren nicht nur als Sehenswürdigkeiten und White Cubes, sondern auch als soziokulturelle Zentren für die Nachbarschaft. Vielleicht mögen sie die in Istanbul ohnehin rasante Gentrifizierung noch mehr beschleunigen, aber gerade sind vielmehr alle begeistert von den hochmodernen, stilvoll ausgestatteten Bibliotheken, in die jedermann/frau unangemeldet spazieren, den Laptop auspacken und arbeiten kann."

Weiteres: Antonia Herrscher entdeckt für die taz das Pflanz-Projekt "Gertraudenhain" des Künstlers Christof Zwiener am Berliner Spittelmarkt. Ida Luise Krenzlin erzählt in der Berliner Zeitung, wie Firmen und Hauseigentümer Geld mit Street-Art verdienen. Besprochen wird eine Ausstellung mit Werken der portugiesischen Fotografin Maria Lamas im Gulbenkian-Museum in Lissabon (FAZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 15.04.2024 - Kunst

Käthe Kollwitz, "Frau und Tod". Städel-Museum, Frankfurt.

Im Frankfurter Städel-Museum sind im Moment die Skulpturen und Grafiken der großen Käthe Kollwitz zu sehen: Es wird auch Zeit, ruft Kia Vahland in der SZ. Es sind besonders die Nuancen in Kollwitz' sozialkritischen Werken, die die Kritikerin hervorhebt. Oft, so Vahland, geht es hier erstmal nicht um einzelne Individuen, sondern um die kollektive Darstellung von, vor allem weiblicher, Armut und Prekarität. Nicht so bei der "Schwarzen Anna" aus Kollwitz' druckgrafischem Zyklus zu den Bauernkriegen: "Sie ist auf dem Blatt von 1905 beim Dengeln zu sehen, beim Schärfen ihrer Sense. Im Entstehungsprozess verdichtete die Grafikerin dieses Motiv immer weiter, bis Anna schließlich die Sense an ihr Gesicht drückt. Das kalte Metall streift ihre große Nase, die Augen sind fast geschlossen. Die kräftige Hand der Bäuerin presst das Schleifwerkzeug an die Sense, und sie scheint sich dabei auf einen Kampf vorzubereiten, als wäre sie David und die Sense ihre Steinschleuder. Uns beachtet sie nicht, obwohl der Bildausschnitt suggeriert, man könne ihren Atem riechen, so nah kommt sie den Betrachtenden. Die Sensenfrau Anna, so viel ist klar, möchte man nicht zur Feindin haben."

Der israelische Filmemacher Amos Gitai ist auch Künstler, erfahren wir von Marcus Woeller in der Welt. In der Villa Kast in Salzburg sind nun einige seiner Werke zu sehen, zum Beispiel vom Herbst 1973, unter dem "unmittelbaren Eindruck des Jom-Kippur-Kriegs", berichtet Woeller: "Abstrakte Zeichnungen hängen da an den Wänden, kraftvolle Striche mit dem Grafitstift, bunte Knäuel aus Pastellkreide auf angegilbtem Papier oder ausgerissenen Zeitungsseiten. Erst langsam, nach und nach, scheinen Gesichter aus dem Gekritzel auf. Erschreckte, leidende, traumatisierte Gesichter ..."

Weiteres: Die FAZ trauert um die afroamerikansiche Künstlerin Faith Ringold. Im Tagesspiegel denken Nicola Kuhn, Krist Gruijthuijsen und Birgit Rieger darüber nach, ob es dieses Jahr in Venedig zu einer "Boycott-Biennale" kommen wird. Peter Kropmanns freut sich in der FAZ über die Wiedereröffnung der Kunstsammlung Bemberg in Toulouse.

Besprochen werden die Ausstellung "Rewilding" im Kunsthaus Baselland (NZZ) und die Ausstellung "Auguste Herbin" im Musée Montmartre in Paris (FAZ), die Ausstellung "Günter Haese zum 100. Geburtstag" im Sprengel Museum in Hannover (taz) und die Ausstellung "Michael Wesely. Berlin 1860 - 2023" im Museum für Fotografie in Berlin (tsp).
Stichwörter: Kollwitz, Käthe, Gitai, Amos

Efeu - Die Kulturrundschau vom 13.04.2024 - Kunst

Ausstellungsansicht: Anri Sala, Noli Me Tangere. Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin/ Paris/ Seoul. Photo: Andrea Rossetti


Stefan Trinks stellt in "Bilder und Zeiten" (FAZ) den albanischen Künstler Anri Sala vor. Video und Musik sind meist die Mittel seiner Wahl, sein Thema die Pause oder die "Lücke zwischen A und B", wie Trinks schreibt. "Umso mehr überrascht aktuell in Seoul eine Galerieausstellung mit einer auf den ersten Blick für den Künstler völlig neuen, aber hochinteressanten Werkgruppe, die das Thema Zeit erneut in eigenwilliger Weise thematisiert: Fresken. Für die menschheitsalte Technik schießt er auf dem Zeitstrahl in seine eigene Vergangenheit zurück, zu seinem Kunststudium an der Albanischen Kunstakademie in den Jahren 1992 bis 1996, in dem er - Abstraktion war böse, solides Handwerk war alles - auch in der Technik des Freskierens ausgebildet wurde. Die Ausstellung steht unter dem Obertitel 'Noli me tangere'", wie auch ein Fresco von Fra Angelico heißt. Und wie bei Fra Angelico schweben Hände in einem Garten. Die Farben führen aber wieder in eine andere Zeit - "sie schillern in grünen und dunkelblauen Tönen, weil Sala den Teint der Haut eines Farbnegativs invertiert hat." Damit, so Trinks, bringt Sala "ein anderes, jüngeres Medium ins Spiel - die analoge Fotografie, die selbst schon wieder anachronistisch ist."

In der Welt staunt Hans-Joachim Müller über den gewaltigen Erfolg der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in Hamburg, der sich in Berlin wohl wiederholen wird. Woran mag es liegen? Weil jeder alles in die Bilder interpretieren kann? Weil sie immer "zu symbolischer Fantasiearbeit angeregt" haben? Oder liegt es an dieser "Übereinstimmung von gesehener, erlebter und erträumter Welt, die Ununterscheidbarkeit von Innen- und Außenbildern. Dass Sehen und Séance nur zwei Worte für dieselbe Sache sind, das haben wir vor diesem Werk gelernt. Und nur davon handeln Caspar David Friedrichs Bilder, vom stummen Dastehen, vom Geschehenlassen, von der Sprachlosigkeit, die das kampflose Beteiligtsein begleitet. Immer herrscht diese feierliche Ausnahmestimmung, Andacht, Gelassenheit. Und keiner tut etwas, keinem sieht man an, dass er sich die Aufklärungs-Emphase zu eigen gemacht hätte und sich mit großer Gebärde aus selbstverschuldeter Unmündigkeit befreien würde. So geht es in diesen Bildern weder um Frust und Enttäuschung noch um demütig fromme Bescheidung. Ihr Motiv ist überlegene Vernunft, die die Dinge sein lässt, wie sie sind."

Weitere Artikel: Die FAZ stellt mit vielen Fotos den Fotografen Francis Kokoroko vor, der die Auswirkungen des Klimawandels und der illegalen Goldgräberei auf den Kakaoanbau in Ghana und der Elfenbeinküste dokumentiert hat. In der FR schreibt Monika Gemmer zu 150 Jahren Impressionismus, die das Musée d'Orsay mit einer großen Jubiläumsausstellung feiert, die Franz Zelger in der NZZ bespricht. Hannes Hintermeier besichtigt für die FAZ die neu eröffnete Albertina Klosterneuburg.

Besprochen werden außerdem eine Installation von Isabel Tueumuna Katjavivi im Museum Neukölln, die an den Kolonialismus im damaligen Deutsch-Südwestafrika erinnert (BlZ) und die Klima Biennale in Wien (die Sophie Jung in der taz zu einigen kritischen Gedanken anregt: "Man kann sagen, die freie Kunst wird hier instrumentalisiert, auch für das Stadtmarketing von Wien. Der Weg zur Auftragskunst ist nicht sehr weit. Derzeit wird viel über politische Einflussnahme auf die Kunst debattiert. Am Donnerstag noch übergab die Initiative #standwithdocumenta eine Petition an den Aufsichtsrat der documenta gGmbH, um sich gegen die Einführung von Verhaltensregeln für die zukünftigen künstlerischen Leiter:innen der documenta zu stellen. Es heißt, 'Codes of Conduct' würden die Kunstfreiheit einschränken. Vielleicht sollte man mit Kritik woanders ansetzen, nämlich an einem derzeitigen Verständnis von freier Kunst, die einer politischen Agenda dienen solle.")