Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Mohammad Rasoulof (@mohammad_rasoulof_official)
Der in
Iran vor einer Woche zu einer achtjährigen Haftstrafe plus Peitschenhiebe verurteilte Filmemacher
Mohammed Rasoulof ist aus seiner Heimat geflohen und befindet sich in
Europa,
melden die Agenturen. Die Reise ging offensichtlich durchs Grenzland in den iranischen Bergen, wie dem oben eingebundenen
Instagram-Posting zu entnehmen ist. Im Text dazu erfahren wir Weiteres: "Wenn der geografische Iran
unter den Stiefeln Eurer religiösen Tyrannei leidet, so lebt der
kulturelle Iran in den Köpfen von Millionen Iranern weiter, die wegen Eurer Unterdrückung und Barbarei gezwungen waren, das Land zu verlassen." Es ist ein bitterer Abschied mit Kampfansage: "Ab heute bin ich
Bewohner des kulturellen Iran. Ein grenzenloses Land, das Millionen Iraner mit alter Geschichte und Kultur in jeder Ecke der Welt gebaut haben. Und sie warten ungeduldig darauf, dich und deine Unterdrückungsmaschine
in den Tiefen der Geschichte zu begraben." Die Presseagentur seines neuen Films kommt auch auf die Repressalien zu sprechen, denen er und seine Crew zuletzt ausgesetzt waren: "Bevor die Geheimdienste der Islamischen Republik über die Produktion meines Films informiert wurden, konnten einige der Schauspieler den Iran verlassen. Viele der Schauspieler und Agenten des Films befinden sich jedoch noch im Iran und werden
vom Geheimdienst unter Druck gesetzt." Die Geheimdienstler "stürmten das Büro des Kameramanns, und seine gesamte Arbeitsausrüstung wurde beschlagnahmt. Sie hinderten auch den Tontechniker des Films daran, nach Kanada zu reisen. Während der Verhöre der Filmcrew forderten die Geheimdienstler sie auf, mich unter Druck zu setzen, damit ich den Film vom
Festival in Cannes zurückziehe."
Das Festival in
Cannes wird heute Abend eröffnet, die Filmkritiker bieten einen ersten Ausblick. Es ist ein Jahrgang unter den Eindrücken von
MeToo, die jüngsten Skandale um
Gérard Depardieu,
Jacques Doillon und
Benoît Jacquot erschüttern die französische Filmbranche,
schreibt Tim Caspar Boehme in der
taz. "Wie die Zeitung
Le Figaro berichtet, trifft das Festival schon Vorbereitungen für zu erwartende #MeToo-Proteste im großen Stil. So hat dessen Präsidentin Iris Knobloch eigens ein Team für das Krisenmanagement angeheuert. Die Rede ist von
Dutzenden Regisseuren,
Schauspielern und Produzenten, denen zusätzlich öffentliche Vorwürfe wegen sexualisierter Gewalt gemacht werden könnten."
Die Gallionsfigur der Proteste ist die Schauspielerin
Judith Godrèche, schreibt Andreas Busche im
Tagesspiegel. Dass deren "Kurzfilm 'Moi aussi' ('Me too') nun während der Eröffnungszeremonie gezeigt werden soll, ist
nicht mehr als ein Feigenblatt. Noch im vergangenen Jahr hatte sich Fremaux auf der Cannes-Pressekonferenz pikiert über die Schauspielerin
Adèle Haenel geäußert, die den virulenten Sexismus in der französischen Filmbranche und in Cannes beklagte." Für
Standard-Kritikerin Valerie Dirk "
grenzt es nahezu an ein Wunder, dass Cannes - ein Festival, das traditionell auf l'art pour l'art und mitunter auch auf umstrittene Persönlichkeiten setzt - der MeToo-Debatte Platz einräumt. Doch vielleicht dreht sich der Mistral an der Côte d'Azur ja, seitdem mit Iris Knobloch 2022 die erste Frau an der geschäftsführenden Spitze des Festivals steht. Mit
Greta Gerwig als Jurypräsidentin wurde zudem ein
feministisches Statement gesetzt, auch wenn der Wettbewerb mit
nur vier Regisseurinnen eine andere Sprache spricht."
Abseits dieser Debatte ist das Film-Buffet allerdings wieder reich gedeckt, Festivalleiter Fremaux hat seine internationalen Kontakte mal wieder prächtig spielen lassen: Er "und seine Kollegin Iris Knobloch ... haben
einfach alle Filme bekommen, die man als Festivalmacher derzeit gerne hätte", schreibt Tobias Kniebe in der SZ. "Nach der mageren jüngsten Berlinale im Februar liest sich das diesjährige Cannes-Programm fast schon wie eine
Demütigung für die deutsche Konkurrenz."
FR-Kritiker Daniel Kothenschulte
ist gespannt auf
Francis Ford Coppolas komplett aus eigener Tasche finanzierten 120-Millionen-Dollar-Blockbuster "Megalopolis", der mit einem wuchtigen Schlussakkord das Werk des New-Hollywood-Meisters abschließen soll, und auf Filme von
David Cronenberg,
Yorgos Lanthimos und
Paul Schrader. Valerie Dirk
porträtiert für den
Standard den aus Mogadischu stammenden, österreichischen Regisseur
Mo Harawe, der gleich mit seinem Debütfilm nach Cannes eingeladen wurde.
Weitere Artikel: Axel Weidemann (
FAZ) und Tobias Kniebe (
SZ) gratulieren
George Lucas zum 80. Geburtstag. Thomas Klein
schreibt im Filmdienst einen Nachruf auf den Produzenten
Roger Corman (weitere Nachrufe
hier). Besprochen werden
Nuri Bilge Ceylans "Auf trockenen Gräsern" (
Standard),
Angela Christliebs Dokumentation "Pandoras Vermächtnis" über
G.
W.
Pabst (
Standard), der vom
ZDF online
gestellte Thriller "Unsichtbarer Angreifer" (
FAZ) und die zweite Staffel von "Interview with the Vampire" (
Tsp).