Vom Nachttisch geräumt

Auch dafür bin ich zu dumm

Von Arno Widmann
01.11.2015. Für Rätselfreunde und Liebhaber von Gesellschaftsspielen: "Der ganze Film in 5 Sekunden", gezeichnet von Matteo Civaschi, H-57 und Gianmarco Milesi.
Ein Buch für Rätselfreunde. Also nichts für mich. Ein Buch wie ein Gesellschaftsspiel. Also definitiv nichts für mich. Rätsel mag ich nicht, weil ich finde, die Welt ist schon rätselhaft genug, wenn jemand also etwas weiß, dann soll er es allen sagen. Damit man sich wieder den wirklichen Rätseln zuwenden kann. Die Verrätselung dessen, was man weiß, verabscheue ich. Wer aber anders tickt, der wird - vorausgesetzt er ist Filmliebhaber - seinen Spaß an diesem Buch haben.

Matteo Civaschi, Gianmarco Milesi und H-57 (also die ganze Firma) haben höchst schematische Zeichnungen hergestellt und nun dürfen Sie raten, welche Zeichnung welchen Film darstellt. Die Rätselhasser werden in ihrem Hass bestärkt, denn sie werden scheitern. Rätselfreunde dagegen, so meine Beobachtung, lesen sich bald ein und bringen die 180 Seiten sehr schnell hinter sich. Der Fischerverlag wird folgenden Spielvorschlag begrüßen: Auf einer Party bekommen 100 Menschen jeder ein Exemplar in die Hand gedrückt, dazu einen Stift und sie sollen zu jeder Abbildung schreiben, welcher Film gemeint ist. Wer zuerst durch ist, meldet sich. Jetzt müssen alle aufhören. Da niemand alle Filmrätsel lösen kann, ist es möglich, dass der, der als erster durch ist, weniger Rätsel gelöst hat, als jemand, der noch mitten drin steckt. Der Sieger bekommt einen ….



Na, das Rätsel des Preises wird jeder Partyveranstalter ohne Probleme lösen können. Wichtig ist nur, dass in diesen hundert Exemplaren die Seiten 190 - 191 überklebt oder besser noch herausgerissen werden. Dort stehen nämlich die Lösungen. Für eher sparsame Mitbürger lässt sich das Spiel natürlich auch mit nur einem Buch und zum Beispiel einem Overheadprojektor bewältigen. Da man die letzten Seiten nicht beschädigen muss, kann man das Buch sogar weiterverschenken oder es einfach als Preis aussetzen.

Eins, zwei drei Beispiele:

Eine Gerade: Links eine Person am Schreibtisch, zwei Masken, ein rauchender Revolver, ganz rechts drei Menschen stehen auf Tischen, daneben steht einer auf dem Boden. Sie wissen es nicht? Es ist "Der Club der toten Dichter" von Peter Weir. Natürlich! Sagen Sie und schlagen sich, wie im Boulevardtheater mit der rechten Hand gegen die Stirn.



Wieder eine Gerade. Links eine Schreibmaschine, ein altmodischer großer Fotoapparat, ein kopulierendes Paar, eine Zigarette, eine Flasche und ein Glas Wein und ganz am Ende ein Haus mit einem Springbrunnen davor. Jedenfalls lese ich das so. Ich habe keine Ahnung, nicht den leisesten Schimmer. Ich schlage nach: "Das süße Leben" von Federico Fellini, einer meiner Lieblingsfilme. Ich habe ihn sicher zwei Dutzend Mal gesehen. Das letzte Mal vor nicht einmal einem halben Jahr. Aber ich schalte nicht so, wie ich schalten sollte, um diese Rätsel zu lösen. Dabei ist doch Intelligenz nicht zuletzt die Fähigkeit, etwas auch mit den Augen des anderen zu sehen.

Auf Seite 168 begriff sogar ich, welcher Film gemeint ist: Eine Melone und ein Schnauzer, ein Rasiermesser, ein Mann, der auf dem Boden liegt und eine Weltkugel mit dem Hintern in die Höhe schubst und zuletzt ein Mikrophon. Chaplins "Großer Diktator". Und ich brauchte nicht einmal fünf Sekunden. Und mir kamen auch prompt Tränen der Rührung, als ich daran dachte, wie der kleine Friseur seiner Freundin über das Mikrophon sagt, dass er sie liebt, statt die Rede zu halten, die vom Diktator erwartet wird, wieder einen Aufruf zur Ermordung von diesen und jenen.

Matteo Civaschi, H-57, Gianmarco Milesi: Der ganze Film in 5 Sekunden - 150 große Kinomomente von Psycho bis Avatar, die Namen der Übersetzer aus dem Englischen kann ich nicht finden, Fischertaschenbuch, Frankfurt am Main 2014, 192 zum Teil farbige Seiten, 9,99 Euro.