NZZ Folio hatte die wunderbare Idee,
neun Schriftsteller um eine Geschichte über die Zukunft zu bitten. Mit dabei: Yoko Tawada, Milena Moser, Judith Hermann, Wilhelm Genazino, Dorothee Elmiger, Anton Grünberg, Leon de Winter (
alle Links hier). Und diese zwei:
In
Brigitte Kronauers Geschichte empfangen die Herren Franz, Hans und Heinz abends zum Schachspiel
die Zukunft in Gestalt eines Herrn Fendle. Hier der
Anfang der Geschichte: "Manchmal muss sich
Herr Fritzle, Fritzle mit den Hochstammrosen nahe der Unterführung, beim Schachspielen mächtig zusammenreissen. Noch eben saß er friedlich zu einem Gläschen Genever mit den Freunden und einem Gast am Tisch, tut es immer noch, aber seine
Gelassenheit ist dahin. Fritzle hat plötzlich das Gefühl, dass jemand draußen steht und durch die Scheiben beäugt, wie sie vier sich behaglich fühlen. Der Jemand tut ihnen nichts, aber er starrt sie
schändlich an. Fritzle, das ist das Unheimliche, sieht auf einmal sich, die beiden Freunde und den redlichen Gadow mit den hungrigen Augenlöchern des Beobachters draußen an und
wie grausig sie drinnen entblößt sind von jedem wohligen Schmelz. Fritzle wird diesen Jemand, diesen Schädling, das steht für ihn fest, niemals einlassen, und wenn der sich die Nase am Fenster blutig drückt! Natürlich hütet sich Fritzle, eine Silbe davon zu verraten. Er atmet nur tief auf, wenn die Musterung aus der Nacht für diesmal vorüber ist."
Lars Gustafssons Ich-Erzähler und Doktor Pecus
sind mit dem Rad unterwegs zu einem Kloster, wo ein mysteriöses, altes Schaufelrad entdeckt wurde. Sie denken über dessen mögliche Erfinder nach: "'Ich glaube', murmelte ich zu Dr. Pectus hin, der sich immer noch über seinen Lenker beugte, als suche er nach einer defekten Stelle am Vorderreifen, 'ich glaube, was uns von den Alten trennt, ist, dass die Zeit für sie ganz und gar zusammenhängend gewirkt haben muss. Sie sahen offenbar
Zeit und Raum als ein Kontinuum.' - 'Du hast so recht, mein Junge. Ja, so sahen sie es. Zweifellos.' - 'Sie haben keinen Zeitrutsch, keine Senkungen und Lawinen erlebt.' - 'Oder', sagte Dr. Pectus, der jetzt eher bemüht schien, das Gespräch zu beenden, um in seine eigenen Überlegungen zu flüchten, 'als sie zu verstehen begannen, war es leider eigentlich schon zu spät.' Die Alten hatten die kompliziertesten mathematischen Beweise den Maschinen überlassen. Irgendwann unterwegs war diese Unsicherheit entstanden. Was sie tatsächlich erfunden oder eher entdeckt hatten, war viel mehr, als sie selbst begreifen konnten. Ein
Riss im dichten Gewebe der Zeit."