Magazinrundschau - Archiv

The Economist

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Magazinrundschau vom 21.02.2023 - Economist

Die Wahlen am kommenden Wochenende in Nigeria sind schon deshalb äußerst bedeutend, weil Land die größte Demokratie Afrikas ist, schreibt ein wie beim Economist üblich anonymer Verfasser. Mehr als zwanzig Jahre lang haben sich zwei Parteien bei der Regierungsbildung mehr oder minder abgewechselt, berichtet er, nun kommt mit Peter Obi ein Underdog dazu, der eine echte Chance hat zu gewinnen, auf den aber im Falle eines Wahlsiegs vor allem riesige Probleme warten: Armut, Arbeitslosigkeit, zivile und nicht zivile Unruhen, ein heruntergewirtschaftetes Bildungssystem und eine dysfunktionale Verwaltung erwarten ihn. Dass Obi, von Haus aus ein Geschäftsmann, "das Zweiparteiensystem so schnell herausfordern konnte, liegt vor allem daran, dass er eine ganz andere Art von Politik in Nigeria anbietet, wo das Wahlkalkül jahrzehntelang weitgehend darauf basierte, dass Politiker Spaltungen entlang der Grenzen von Religion, Ethnizität und regionaler Zugehörigkeit schürten. Die Kandidaten der beiden großen Parteien, Bola Tinubu von der regierenden APC und Atiku Abubakar von der PDP, scheinen ihren Wahlkampf immer noch mit dem Ziel zu führen, ihre ethnische und religiöse Basis zur Wahlurne zu bringen. Herr Obi hingegen hat die wichtigsten Gräben im Land überwunden, indem er Kundgebungen in den Hochburgen seiner Gegner abhielt (insbesondere in der Wirtschaftsmetropole Lagos, der Hochburg von Herrn Tinubu) und die Wähler aufforderte, ihre Wahl auf der Grundlage ihres Charakters und ihrer Erfolgsbilanz zu treffen. Seine eigene Bilanz als zweimaliger Gouverneur des Bundesstaates Anambra ist ermutigend, wenn auch nicht ganz makellos. ... Herr Obi hebt sich auch in anderer Hinsicht von den beiden Kandidaten der großen Parteien ab. Er ist ein energiegeladener 61-Jähriger, der intellektuell offen daherkommt. Zu seinen Wahlkampfveranstaltungen gehören zum Beispiel Town-Hall-Meetings, bei denen er die Wähler ermutigt, schwierige Fragen zu stellen." Ob er aber wirklich Chancen hat, die Wahlen zu gewinnen? Der Economist hat Zweifel. Am Ende könnten Religion und Ethnizität doch den Ausschlag geben, fürchtet er.
Stichwörter: Nigeria, Obi, Peter

Magazinrundschau vom 21.07.2020 - Economist

Der Economist stemmt sich (leider nur im zahlbaren Bereich) gegen die akademische Linke, der er vorwirft, nur noch darauf zu setzen, Gegner und Kritiker einzuschüchtern. Ausgerechnet im Kampf gegen den Rassismus in den USA sei diese Ideologisierung verheerend, weil sie nicht nur zur weiteren Spaltung des Landes führe, sondern am eigentlichen Problem vorbei: Seit den sechziger Jahren liegt das Einkommen schwarzer Haushalte in den USA unverändert bei sechzig Prozent des Einkommens weißer Haushalte, das Vermögen bei weniger als zehn Prozent. Die Prioritäten müssten also sein: Aufhebung der getrennten Nachbarschaften, bessere Bildung und Kampf gegen die Kinderarmut: "'Es gibt so viele Dinge, die sich nicht ändern werden, wenn wir den Fokus auf Polizeigewalt richten', sagt Clayborne Carson, Historiker an der Stanford University und Herausgeber der Briefe und Schriften von Martin Luther King. 'Natürlich brauchen wir eine Polizeireform, aber das wird die Probleme zwischen Weiß und Schwarz nicht verbessern. Es ist nur die Spitze des Eisberges. Eine höfliche Polizei und Sozialarbeiter sind eine tolle Sache. Aber solange sich die strukturelle Chancenungleichheit nicht ändert, werden wir nicht viel davon haben.' Kinder, die in Armut aufwachsen - was bei 32 Prozent der afroamerikanischen Kinder der Fall ist, eine dreimal höhere Rate als bei weißen Kindern - schneiden oft schlecht ab. Aber Kinder, die in Kommunen aufwachsen, in denen über zwanzig Prozent der Bevölkerung arm sind, schneiden miserabel ab. Egal welcher Hautfarbe laufen solche Kinder Gefahr, als Teenager schwanger zu werden, im Gefängnis zu landen, als Erwachsene ebenfalls in Armut zu leben und früh zu sterben. Für schwarze und indianische Kinder ist die Konzentration der Armut die Norm. Nur sechs Prozent der zwischen 1985 und 2000 geborenen weißen Kinder sind in armen Nachbarschaften aufgewachsen, bei schwarzen Kindern sind es 66 Prozent."

Magazinrundschau vom 04.06.2018 - Economist

In einem epischen Rundumschlag befasst sich Jon Fasman mit Technologien und gesellschaftlichen Problemstellungen digitaler Überwachungen: Immer mehr Kameras im öffentlichen Raum und an Polizisten selbst führen zu immer mehr Daten, die sich, wenn auch nur mühselig, insbesondere auch im Rückblick auf Hinweise durchforsten lassen - hier hat längst die Stunde der Startups geschlagen, die den Ermittlern versprechen, aus dem Wust an Informationen jene von Belang zu destillieren. Schon werden Prognose-Tools getestet, die es Ermittlern gestatten sollen, bereits im Vorfeld von Verbrechen aktiv zu werden. Gerade an diesem Punkt setzen Vorbehalte an: "Die Frage nach Vorurteilen stellt sich insbesondere dann, wenn es darum geht, bestimmte Orte polizeilich zu kontrollieren. Greift man hierfür auf die Zahl von Festnahmen oder Drogenüberführungen zurück, wird das Resultat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit rassistisch verzerrt sein. Festnahmen sagen mehr aus über Polizeipräsenz als über das Verbrechen. Auch die Zahl der Drogenüberführungen ist in dieser Hinsicht verdächtig. Schwarze und weiße Amerikaner rauchen etwa zu gleichen Teilen Marihuana, wobei die Rate unter 18- bis 25-jährigen weißen Jugendlichen sogar höher ist als unter schwarzen. Doch Schwarze werden in ganz Amerika beinahe dreimal so oft wegen Marihuana-Besitzes festgenommen wie Weiße. Das Risiko, als Schwarzer in Washington D.C. oder Iowa wegen Marihuana festgenommen zu werden, ist achtmal höher als für Weiße. Etwa auf die Hälfte aller Drogenfestnahmen folgt eine Anzeige wegen Besitzes dieser Droge. Da wundert es nicht, dass eine Studie von Kristian Lum von der Human Rights Data Analysis Group und William Isaac herausgefunden hat, dass ein Vorhersage-Algorithmus, der mit den historischen Daten von Drogenfällen in Oakland, Kalifornien, gefüttert wurde, schwarze Wohnviertel doppelt so sehr ins Visier nahm wie weiße und Kieze mit niedrigem Einkommen ebenso doppelt so oft wie solche mit hohem Einkommen."

Magazinrundschau vom 01.09.2015 - Economist

Der Economist - Headset auf den Ohren, Kontroller in den Fingern - ist tief beeindruckt, welchen Fortschritt die Virtual Reality seit den 90ern gemacht hat. Die ansteckende Experimentierlust erinnert ihn an die spannende Entwicklung des Smartphones. Aber wozu ist das ganze gut? Pornografie, okay. Und sonst? "Zweifellos wird die neue Generation der ersten VR-Software hauptsächlich für Spiele sein. Aber die Antreiber in der Industrie weisen darauf hin, dass es viele andere Verwendungsmöglichkeiten gibt. Eine ist Film. All die angekündigten Headsets kommen mit Kinoapps, die den User in einem virtuellen Bilderpalast mit gewöhnlichem Flachbildschirm platzieren. Aber immersive Filme, die den Zuschauer ins Zentrum der Aktion rücken, und die mit speziellen Panoramakameras gedreht sind, wären auch möglich. Der Film "Clouds over Sidra", der das Leben in einem Flüchtlingslager in Jordanien aufzeichnet, hat sich online bereits als Hit erwiesen." (Mehr zu dem von der UN gedrehten Film hier)

Magazinrundschau vom 16.06.2015 - Economist

Muslime und Buddhisten lebten jahrhundertelang relativ friedlich in dem Teil Burmas, der früher Arakan hieß und heute Rakhine, erklärt der Economist in einem Versuch, die Unterdrückung der muslimischen Rohingya in Burma zu erklären. Das änderte sich als die Briten 1825 Arakan und Burma eroberten. Danach "strömten hundertausende [muslimische] Bengalen (oder "Chittagonians" wie die Briten sie nannten) auf Arbeitssuche nach Arakan. 1941 waren ein Drittel der Bewohner der Hauptstadt Arakans Bengalen. Diese Massenimmigration kurbelte die koloniale Wirtschaft an, aber die einheimischen Arakanesen waren darüber verbittert. Sie hatten keine Kontrolle und waren der Ansicht, dass ihre Jobs und ihr Land von Leuten weggenommen wurden, die sie als "illegale Immigrante" bezeichneten oder (abschätzig) als "Bengalen". Die Beziehungen verschlechterten sich noch während des Zweiten Weltkriegs, als die sich zurückziehenden Briten Muslime bewaffneten, um gegen Rakhine zu kämpfen, dass mehrheitlich mit den Japanern sympathisierte."

Nicht so recht überzeugt ist der Economist von Sudhir Hazareesinghs Buch "How the French Think: An Affectionate Portrait of an Intellectual People". Zwar teilt er die These vom Niedergang Frankreichs. Auch sei der Einfluss französischen Denkens auf die Welt seit Sartre, Camus und Foucault zurückgegangen, "aber es ist doch seltsam, dass [Hazareesingh] das beste Gegenbeispiel nicht erwähnt, Thomas Piketty, ein Ökonom, dessen Buch 'Das Kapital im 21. Jahrhundert' die englischsprachige Welt gerade im Sturm erobert hat. Der Autor wertet dessen Fach als 'technischen Bereich' ab."

Abschließend ruft der Economist Maestro Boulez noch ein fröhliches "Happy birthday, Pierre" zu.

Magazinrundschau vom 16.12.2014 - Economist

Der Luxusindustrie geht"s prächtig, versichert Brooke Unger, 1,8 Billionen Dollar sollen 2012 weltweit für Luxusgüter ausgegeben worden sein. Davon profitiert vor allem Europa, wo die meisten Luxuswaren hergestellt werden. Durchaus verkaufsfördernd ist dabei der moderne Trend zur Nachhaltigkeit: "Mit ihren üppigen Margen können es sich die Luxusproduzenten leisten, die Umweltschäden zu reduzieren, die sie verursachen. "Luxus kann den Weg zeigen, die größten Probleme unseres Jahrhunderts zu lösen", erklärt Marie-Claire Daveu, Nachhaltigkeitschef des Kering-Konzerns. Immer mehr Luxusproduzenten beschäftigen europäische Arbeiter statt Sweatshop-Sklaven in Bangladesch. Der Haupttrend heute, sagt Mr. Thompson von Diageo, "geht weg von Showeffekten, hin zu Wissen, Wertschätzung, Handwerkskunst und Tradition - etwas mit einer Geschichte."

Außerdem empfiehlt der Economist Peter Baldwins Buch über die Copyright-Kriege der letzten 300 Jahre - vor allem wegen der großartigen Sammlung von Anekdoten: "Hier ein köstliches Beispiel: die Verleger des späten John Cage "halten die Rechte an seinem Schweigestück "4"33" und bedrohten Perfomer anderer tonloser Kompositionen, weil sie Cages Schweigen verletzten.""

Magazinrundschau vom 02.12.2014 - Economist

Ausführlich und mit vielen Argumenten pro und contra stellt sich der Economist der Frage, ob von Google ein Monopol droht, das eine Zerschlagung à la Standard Oil rechtfertigt. Im Online-Werbemarkt hat Google eine solche Position fast erreicht, meint er, aber alles in allem schätzt das Magazin die Gefahr mit Rückblick auf die Geschichte der IT als gering ein: IBM wurde abgelöst, als Microsoft den PC-Markt zu monopolisieren begann, Microsoft erlag der Tendenz zum MacBook. "Auch Google wird wohl eines Tages durch einen solchen "platform shift", der die dominierende Art der Computernutzung verändert, gebrochen. Vielleicht passiert dies schon. Android hat Google zu einer Macht in der mobilen Welt gemacht, aber es ändert nichts daran, dass diese Welt anders funktioniert, als jene, in der Google groß wurde und Geld machte."

Magazinrundschau vom 15.07.2014 - Economist

Don"t leave us this way, ruft der Economist den Schotten zu, die am 18. September über ihre Unabhängigkeit entscheiden. Nicht auszudenken, wenn aus Briten wieder Engländer (und Waliser) würden: "Ein friedlicher, demokratischer, gutregierter Nationalstaat ist ein Segen, den man nicht leichtfertig wegwirft. Das ist ein starkes, negatives Argument gegen den Wandel. Aber es gibt auch ein positives, das vor allem die Kampagne gegen die schottische Unabhängigkeit vorgebracht hat: Die Idee der Nation. Das Vereinigte Königreich verkörpert den Glauben, dass Menschen mit unterschiedlicher Geschichte und Identität zusammenleben können, und dass gerade ihre Vielfalt ihre Kultur, ihre Ökonomie und ihre Politik sie stärker macht. Bezeichnenderweise beschreiben sich die meisten Angehörigen ethnischer Minderheiten eher als Briten denn als Engländer oder Schotten: Instinktiv erkennen sie die umfassende liberale Identität, die eine Nation bietet - und die nicht auf einem eingeengten Nationalismus beruht, sondern auf dem aufgeklärten Konzept des Nationalstaats."

In einem weiteren Artikel macht der Economist auch Autoren wie Perry Anderson, Tom Nairn und Irvine Welsh für den Glauben verantwortlich, dass nur die Unabhängigkeit von "britischen Imperialstaat" den verarmten Schotten die ersehnte Sozialdemokratie bringen könnte: "Der Mythos von den höhnischen, Jobs vernichtenden, Schotten hassenden Tories hat sich durchgesetzt, und gerade wenn die Konservativen in Westminister regieren, dann erscheinen Tories und Engländer in schottischen Köpfen als Synonyme. Jetzt ist wieder so eine Zeit. Bei den Wahlen 2010 gewannen die Tories nur einen Sitz in Schottland."

Und was soll aus der britischen Popmusik werden, wenn die Schotten nicht mehr dazugehören?


Magazinrundschau vom 19.11.2013 - Economist

Der Economist wagt einen Blick in die Zukunft, in der spätestens mit GoogleGlass Kameras allgegenwärtig sein werden. Noch ist die Technik ohne automatisierte Gesichtserkennung angelegt, insbesondere auch wegen der Datenschutzbestimmungen in einigen Ländern. "Bei der Gesichtserkennung handelt es sich um eine Technologie, die, genau wie im Fall der Drohnen, alle möglichen Formen von Überwachung weltweit begünstigen könnte. Unvermummte Demonstrationen in repressiven Staaten könnten sich damit erledigt haben. Auch liegt das Potenzial zum Missbrauch durch Privatmenschen offensichtlich auf der Hand. ... Auch wenn Privatenmenschen sich die Gesichtserkennung nicht zunutze machen, kann man davon ausgehen, dass Regierungen es tun werden - vielleicht nur unter besonderen Umständen, vielleicht aber auch nicht. In den USA verlangen richterliche Anordnungen, um Daten von Facebook zu erhalten, häufig auch alle hinterlegten Fotos, auf denen der Verdächtige von Freunden markiert wurde (auch wenn das Unternehmen dem nicht immer Folge leistet)."

Magazinrundschau vom 12.11.2013 - Economist

Mit knapp 450 Millionen regelmäßigen Nutzern stellt China den weltweit größten Binnenmarkt für Online-Videos dar - und das, obwohl Youtube gesperrt ist, erklärt der Economist. Vor allem Serien, Filme und Comedyshows werden auf den nationalen Youtube-Alternativen (etwa dieser) gesehen - werbefinanziert und lizensiert. "Ihre Popularität verdanken Chinas Online-Videoplattformen zum großen Teil den strengen Auflagen der Regierung für die Fernsehindustrie; alle Fernsehsender im Land, mehr als 3000, gehören dem Staat und ihre Programme sind stark zensiert. Inhaltliche Richtlinien reichen vom Erwartbaren (keine Sendungen, die politische Unruhen auslösen könnten) bis zum Rätselhaften (keine Darstellungen von Zeitreisen). Es dauert Monate, bis eine Sendung offiziell zugelassen wird. Und Schätzungen zufolge werden überhaupt nur 30 Prozent aller produzierten Sendungen tatsächlich ausgestrahlt. Im Gegensatz dazu benötigen Online-Videoplattformen zwar eine Lizenz von der Regierung, sind aber auf sich alleine gestellt, wenn es um die Inhalte geht - vielleicht auch, weil die Regierung nie geglaubt hätte, was für Zuschauermassen sie versammeln könnten."