Magazinrundschau - Archiv

Columbia Journalism Review

9 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 28.02.2023 - Columbia Journalism Review

Dass schwarz nicht überall, auch nicht überall in Afrika, als Hautfarbe gilt, konnte man schon letzte Woche in Africa is a Country lesen (unser Resümee). Dieser Artikel ist eine sehr schöne Ergänzung: Abgestoßen vom Rassismus in amerikanischen Redaktionsstuben brach in den frühen 1980er Jahren eine Gruppe afroamerikanischer Journalisten hochmotiviert nach Nigeria auf, um dort beim Aufbau der staatlichen Rundfunkanstalt zu helfen, erzählt Feven Merid. Das Unternehmen erhielt den Namen Jacaranda Nigeria Limited. Die Journalisten dachten, sie würden bei einer Art PBS landen. Das war ein Irrtum. Ebenso die Vorstellung, sie seien alle schwarz: "'Gleich zu Beginn haben wir gelernt, dass die Nigerianer das Konzept Hautfarbe nicht verstanden und uns definitiv nicht als Schwarze oder Afro-Amerikaner identifiziert haben', erinnert sich Lamont [eine der Journalistinnen] in ihren Memoiren. 'Wie könnt ihr sagen, ihr seid schwarz?', neckten sie uns. Lamont erkannte, dass 'Schwarzsein in Afrika nichts mit Hautfarbe zu tun hat'; Nigerianer dachten in ethnischen und religiösen Gruppen: Yoruba, Ibo, Muslime, Christen. 'Sie alle sind dunkelhäutig, aber Ehen zwischen den Stämmen (zwischen den Rassen) sind verboten, und es gibt immer noch viel tödlichen Hass zwischen diesen Gruppen, bei Jung und Alt.' Kinder, die auf der Straße an Mitgliedern von Jacaranda vorbeikamen, riefen 'oyinbo', ein Yoruba-Wort für einen weißen oder europäisch wirkenden Ausländer. 'Als ich das Wort lernte, musste ich passen und fragte: Was meinst du mit 'weiß'', erzählt Davie. 'Ich hatte dieses revolutionäre Gefühl, unter Brüdern und Schwestern zu sein, und sie nannten uns weiß'."

Magazinrundschau vom 07.02.2023 - Columbia Journalism Review

Das gerühmte Genre der großen amerikanischen Recherche ist auch nicht mehr, was es mal war. Mit großem Brimborium brachte die Columbia Journalism Review letzte Woche Jeff Gerth' vierteilige Untersuchung über die amerikanischen Medien und Trump, aber der Artikel ist so ausufernd und detailhuberisch, dass er den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Leider bringt Gerth die ungute Symbiose, die sich nach Donald Trumps Wahl zwischen den Medien und Trump etablierte, nicht wirklich auf den Punkt: Dazu fokussiert er viel zu sehr auf nur einen Aspekt dieses Phänomens, die Fixierung der Medien auf die russischen Verbindungen Trumps. Einerseits macht Gerth durchaus glaubhaft, dass die Medien die Behauptung von der Russland-Connection oft ohne viele Belege immer weiter trieben - nur völlig von der Hand zu weisen war sie ja letztlich auch nicht. Trump erscheint bei Gerth als eine Art Unschuldsknabe, der zunächst ein gutes Verhältnis zu den Medien suchte, aber dann von ihren feindseligen "Fake News" überschwemmt wurde. Analytisch hat Gerth' Artikel überhaupt keine Qualität, und das zynische Kalkül der Medien - allen voran New York Times und CNN -, die das Trump-Thema auspressten wie eine Zitrone, weil der Mann Quote und Werbeeinnahmen brachte, thematisiert er überhaupt nicht. Dennoch ist Gerth' Artikel lesenswert, auch weil er die Ruinenlandschaft, die die Trump-Phase hinterließ, klar benennt: "Vor der Wahl 2016 vertrauten die meisten Amerikaner den traditionellen Medien, und der Trend war positiv, wie das Edelman Trust Barometer zeigt. Der Begriff 'Fake News' wurde nur von einigen wenigen Reportern und Social Media Watchdogs verwendet. Die Idee, dass Medien 'Feinde des amerikanischen Volkes' seien, wurde vor der Trump-Wahl laut einer Nexis-Suche nur ein einziges Mal geäußert, und zwar kurz vor der Wahl in einem obskuren Podcast, nicht von Trump. Laut einer Studie des Reuters Institute for the Study of Journalism aus dem Jahr 2022 genießen Medien in den USA unter 46 befragten Nationen heute die geringste Glaubwürdigkeit - 26 Prozent. Im Jahr 2021 sahen 83 Prozent der Amerikaner 'Fake News' als Problem an, und 56 Prozent - vor allem Republikaner und Unabhängige - stimmten zu, dass die Medien 'wirklich der Feind des amerikanischen Volkes' seien, so die Rasmussen Reports."

Magazinrundschau vom 25.08.2020 - Columbia Journalism Review

Dass weithin so positiv über die Bill and Melinda Gates Foundation berichtet wird, liegt nicht allein an ihren Verdiensten, sondern auch an ihren Ausgaben, hat Tim Schwab für eine interessante Recherche herausgefunden. Die Stiftung ist so reich, dass sie praktisch alle, die eine gute Meinung über sie haben sollen, mit Geld versorgen kann. Insgesamt schätzt Schwab, dass die Stiftung in den letzten Jahren 250 Millionen Dollar an Medien und mediennahe Organisationen ausgeschüttet hat. Sehr oft sind Spenden mit der Zweckbindung versehen, dass die Medien über jene Themen berichten, die der Stiftung wichtig sind. Eines von der Stiftung am intensivsten mit Geldern ausgestattete Medium ist der spendenfinanzierte Sender NPR (National Public Radio), der es seinen Stiftern mit intensiven Berichten dankt: "NPR wirft zuweilen auch einen kritischen Blick auf die Gates Foundation. Im letzten September berichtete der Sender über die Entscheidung der Stiftung, dem indischen Premierminister Narendra Modi einen Menschenrechtspreis zu geben, trotz Modis trostloser Bilanz bei Menschenrechten und Meinungsfreiheit (diese Geschichte wurde in vielen Medien gecovert, mal ein schlechter Moment im Leben Gates' in den Nachrichten). Aber am selben Tag erschien die Stiftung in einer anderen NPR-Überschrift: 'Die Gates-Stiftung stellt fest, dass die Welt ihrem Ziel, Armut bis 2030 zu beenden, nicht schnell genug näher kommt.' Diese Story hatte nur zwei Quellen: die Gates-Stiftung und einen Sprecher des 'Center for Global Development', einer von Gates finanzierten NGO. Schwer das Fehlen unabhängiger Quellen zu übersehen. Bill Gates ist der zweitreichste Mann der Welt und könnte leicht als ein Symbol ökonomischer Ungleichheit beschrieben werden, aber NPR macht ihn zu einer Autorität in Fragen der Armut."

Magazinrundschau vom 14.02.2017 - Columbia Journalism Review

Ob Amerika auf dem Weg in eine autoritäre Gesellschaft ist, will Lee Siegel nicht beschwören. Aber am Beispiel der Aggressivität, mit der Trump den Journalismus und einzelne Journalisten angegriffen hat, hat er etwas über Trumps Technik der Angsterzeugung gelernt. Wenn Trump Journalisten immer wieder als Lügner und Betrüger angreift, so Siegel, dann trifft er sie vor allem in ihrem Selbstverständnis, und genau das tut er auch mit anderen Feinden: "Trumps größte Stärke, wenn man es so nennen kann, ist seine Fähigkeit, die anderen ihre Verletzlichkeit spüren zu lassen. Trump hat die unterschiedlichsten Amerikaner auf ihre elementarsten Ängste zurückgestoßen. Er hat die Leute auf ihre soziale Identität reduziert und ihnen das Gefühl gegeben, das ihre soziale Identität zu einer Waffe wird und dazu dienen kann, ihre Existenz zu untergraben. Unter seinem Blick gibt es nicht viele, die sich sicher fühlen."

Magazinrundschau vom 11.08.2015 - Columbia Journalism Review

Politico bleibt eines der der faszinierendsten Medien der Internetära, auch wenn David Uberti in der Columbia Journalism Review notiert, dass der Hype und die explosive Expansion der frühen Jahre vorbei sind. Das Erstaunlichste ist, dass Politico mit der zahlbaren "Pro"-Sektion, in der hundert Journalisten arbeiten, ein echtes Profit Center geschaffen hat. Ein Firmenabo einiger spezialisierter Sektionen kostet 15.000 Dollar im Jahr. Für die europäische Version gelten die gleichen Voraussetzungen wie einst in Washington: "Paneuopäische Politik wird kaum abgedeckt, so die Idee, oder sie wird zumindest nicht attraktiv dargestellt. "Die Leute wollen über Politik lebendige, kluge Texte lesen, die nicht eingebildet wirken, sondern unmittelbar und überraschend, sagt Chefredakteur Matthew Kaminski, "wir schaffen einen Markt für diese Art von Journalismus, niemand anders hat es bislang versucht.""
Stichwörter: Politico, Hypes

Magazinrundschau vom 16.12.2014 - Columbia Journalism Review

John B. Judis, einer der Redakteure, die die New Republic verlassen haben, erzählt in der Columbia Journalism Review, woran es seiner Meinung nach lag: "Hughes drängte die New Republic aus ihrer Rolle als politisches Magazin heraus. Das neue Design sah gar keine Editorials vor. In seinem Brief an die Abonnennten zum Relaunch ging Hughes bewusst nicht auf das liberale und progressive Selbstverständnis des Magazins ein. Die von Chefredakteur Franklin Foer ins Blatt gebrachte Artikel spiegelten die politischen Orientierungen des Magazins zwar wider, aber der Boden, auf dem dieser Geist gedieh, wurde trocken gelegt."

Magazinrundschau vom 09.05.2014 - Columbia Journalism Review

Über die Zukunft des Journalismus wird ja überall gemutmaßt. Einen ganz neuen Aspekt bringt aber Louise Roug in der Titelgeschichte der Columbia Journalism Review in die Debatte. Wie werden eigentlich die immer einfacher zu handhabenden Kameradrohnen den Journalismus verändern? Es liegt auf der Hand, das sie etwa Papparazzi entschiedene Vorteile bieten. Bisher ist ihr Gebrauch zumindest in den USA allerdings verboten. Roug geht von dem Fall des jungen Journalisten Pedro Rivera aus, der die Szenerie eines Autounfalls per Drohne filmte, und eine Beschwerde der Polizei bekam - obwohl er das Material gar nicht veröffentlicht hatte. Der lokale Fernsehsender, für den Rivera arbeitete, hat ihn daraufhin sogar entlassen. Rivera sieht das gar nicht ein und klagt vor Gericht: "Für Rivera ist das ein Krieg um Kameras. "Die Polizei möchte so wenig wie möglich bei ihrer Arbeit beobachtet werden." An öffentlichen Orten zu fotografieren, betrachtet er als ein verbrieftes Recht und argumentiert, dass der Gebrauch von Drohnen als geschützte Freiheit anzusehen ist. "Diese Drohne ist nichts anderes als eine Kamera", sagt er, "und wenn Hubschrauber nicht verboten sind, warum sind es dann Drohnen?""

Magazinrundschau vom 06.12.2011 - Columbia Journalism Review

Viel diskutiert (und von der FAZ übersetzt) wurde Evgeny Morozovs eher hämische Polemik gegen Jeff Jarvis' letztes Buch "Public Parts". In der Columbia Journalism Review veröffentlicht jetzt Dean Starkman eine argumentativ wesentlich besser unterfütterte Abrechnung mit Jarvis, Clay Shirky und anderen Interneteuphorikern, die gerne das Ende der Zeitungen ansagen. Anders als die beiden glaubt Starkman, dass nur ein institutionell verankerter Journalimus wirklich investigative Qualitäten haben kann, "aus dem einfachen Grund, dass er selbst gegen Institutionen antritt, die wesentlich größer sind als die eigene". Die emphatischsten Texte gegen den institutionellen Journalismus seien 2008 und 2009 geschrieben worden, auf dem Höhepunkt der Zeitungskrise. Aber der seinerzeit groß angekündigte Bürgerjournalismus hat nicht gebracht, was man sich von ihm versprach. Starkman selbst möchte gegen Jarvis und Shirky einen "neo-instutionellen" Ansatz vertreten, nicht ohne Anleihen bei der Gegenseite: "Mein Modell zieht Lehren aus der Recherche des Guardian gegen (Rupert Murdochs) News Corp. Es ist zugleich auf eine Institution begründet und durch Netzwerke verstärkt. In diesem Fall wurde eine Geschichte durch investigativen Journalismus ans Licht gebracht und durch soziale Medien in die Stratosphäre katapultiert."

In seinem Blog hält Clay Shirky dagegen: "Die neue Zeit wird Institutionen haben wie die alte, aber das bedeutet nicht Kontinuität. Wie haben immer noch Firmen wie Western Union oder ATT, aber da sich die Kommunikationslandschaft verändert hat, sind diese Institutionen heute kaum mehr wiederzuerkennen. So werden auch Zeitungen überleben, aber ihre interne Organisation und ihre Position im Ökosystem werden sich in einer Weise verändert haben, die heute nicht vorauszusehen ist."

Magazinrundschau vom 22.11.2011 - Columbia Journalism Review

Michael Shapiro beschreibt auf satten 31 Seiten am Beispiel der San Jose Mercury News die Geschichte des Kampfs der Zeitungen im Medienwandel. In den späten Neunziger war der Merc eine hochangesehene Zeitung. Und er war stinkreich: die Profitmargen lagen zum Teil bei über 30 Prozent. In den nächsten zehn Jahren sollte der Merc alles tun, um im Internetzeitalter zu bestehen. Es wurde investiert und experimentiert - und trotzdem ging es schief. Schapiro erzählt das mit Bewunderung für den Mut zum Experiment. Der Merc hat online vieles richtig gemacht - und das schon Anfang der Neunziger! - aber die Hauptlektion, die der Harvard-Wirtschaftsprofessor Clayton Christensen 1997 in seinem Buch "The Innovator's Dilemma" beschrieb, konnte er nicht begreifen. Christensen beschrieb darin zwei Arten von technologischen Kräften: die nachhaltige und die zerstörende. Nachhaltige und für die Zeitungen positive Technologie war die Umstellung von Blei- auf Fotosatz. Aber "'zerstörende Technologie' hat eine ganz andere Art von Macht, eine, die die besten Firmen desorientieren kann. Zerstörender Technologie ist kaum etwas entgegenzusetzen, weil sie zutiefst kontraintuitiv wirkt. Anders als etwa der Fotosatz verbessert sie nicht ein Produkt, dessen Markt - Anzeigenkunden und Leser - etabliert und zuverlässig profitabel ist. Statt dessen schafft sie neue Produkte, die erst einmal wenig Anziehungskraft für den existierenden Markt haben. ... Christensen, ein frommer Mormone, steckte eine Position ab, die an Geschäftshäresie grenzte. Angesichts zerstörender Technologie, schrieb er, ist es weiser, nicht auf die Wünsche der existierenden Kunden zu reagieren. Es sei zwingend, die Umsatzerwartungen herunterzuschrauben, um die Produkte zu befördern, die von dieser neuen Technologie geschaffen werden. Und es sei entscheidend, die Unvermeidlichkeit von Fehlschlägen zu akzeptieren. Nachhaltige Technologie bringt Beruhigung, zerstörende Technologie sät Zweifel."