Ja, dass
Pitchfork von Condé Nast als Musiksparte von
GQ abgewickelt wird, ist ein Verlust,
konzediert auch Eli Zeger. Vielleicht steckt darin aber auch eine Chance, argumentiert er weiter. Denn die meisten Vorab-Nachrufe auf
Pitchfork spielten die Schwächen des tonangebenden Online-Musikmagazins zugunsten schwärmerischer Verklärungen ziemlich herunter. Dabei ließe sich auch argumentieren, dass
Pitchfork selbst unter dem höhen wirtschaftlichen Druck, unter dem das Magazin stand, den Niedergang der Albumrezension als journalistisch-literarisches Format maßgeblich mit vorangetrieben hat. "Vom Schreiben über Musik zu leben ist genauso
wenig nachhaltig wie vom Musikspielen leben zu wollen. Will ein Künstler oder Kritiker sich zumindest ein klitzekleines bisschen Einkommen unter den Nagel reißen, ist er dem von oben nach unten durchgereichten Druck ausgesetzt,
formelhaft zu sein - auf Kosten von Originalität, Experimentierfreude und sorgfältigem Handwerk. Musiker optimieren sich selbst für Streaming-Plattformen, indem sie ihre kreativen Entscheidungen darauf gründen, was ihre monatliche Zuhörerschaft boostert und ihre Stücke auf stimmungsbasierte Playlists bringt. ... Während
Spotify das Entdecken neuer Musik monopolisiert hat, hauen
Pitchfork, genau wie
Spin,
Consequence of Sound und andere Musik-Seiten in Konzernbesitz in einem vergeblichen Wettrennen mit den Algorithmen Content raus. Die Folge sind unausgegorene, meistens kurz angebundene Reviews, die
Pressemitteilungen nachplappern. Man gesteht den Schreibern nur kostbar wenig an Zeit, Geld und Raum zu - Rahmenbedingungen, die es kaum ermöglichen,
mehr als bloß zu schludern. Die Kritiker fliehen derweil zu Newsletter-Anbietern wie
Substack und
Ghost, um jene
Reichweite, die sie sich erschrieben haben, in Geld umzusetzen. Während das Klima für ernsthafte Kritik in sich zusammenbricht, nutzen sie die einzige ihnen verbliebene Rückzugsmöglichkeit und vergraben sich jeder für sich in
digitale Höhlen. ... Aber Warten ist nicht die einzige Option. Der Vorschlag des früheren
Pitchfork-Redakteurs Cat Zhang, eine
genossenschaftlich organisierte Publikation zu schaffen, sollte nicht vergessen werden. ... Eine im Besitz der Schreiber befindliche Publikation, die auf geduldige Kritik in langen Texten setzt, könnte zwischen den Musikarbeitern
Solidarität schaffen, die sich ansonsten nie als derselben Klasse zugehörig empfunden hätten - eine Art
ästhetisches Gegenseitigkeitsverhältnis oder in anderen Worten: eine neue Kultur, die Tiefe und Analyse gegenüber Hype und flüchtigen Beschäftigungen priorisiert."