In einem sehr interessanten langen
Gespräch überlegen der russische Aktivist und Kulturkritiker
Artemy Troitsky, der britische Fernsehproduzent
Peter Pomerantsev und
Oliver Carroll von
Open Democracy, welche Rolle heute die Kultur in Russland spielt. Sie wird plötzlich wieder als gefährlich wahrgenommen, das zeigt schon der Prozess gegen
Pussy Riot, aber sie spielt längst nicht die Rolle, die sie in den 60ern und 80ern gespielt hat, meint Troitsky. Dafür sei sie
zu elitär, zu weit weg von den "normalen" Menschen. Pomerantsev stimmt zu. Aber vielleicht müsse das jetzt auch so sein, überlegt er. "Es ist sehr interessant, sich
im Detail anzusehen, was gerade passiert, denn es ist ein etwas anderer Kampf. In der Sowjetzeit gab es eine Sowjetkultur und eine Dissidentenkultur. Heute sind die Dinge weniger eindeutig. Zum Beispiel habe ich in den letzten Tagen einige Leute von
Nashi [der Putin-treuen
Jugendorganisation] getroffen. Ich war ziemlich überrascht herauszufinden, dass ihre
Ästhetik hipster ist. Sie lieben Mangafilme, sie mögen moderne Kunst, sie haben eine Art westlichen Stil in ihrer Sprache integriert und das ganze dann auf den Kopf gestellt und mit Patriotismus und einem Quasi-Faschismus verbunden. In der Vergangenheit hat der Kreml oft die
radikalsten Kunstprojekte wie zum Beispiel Kyrill Serebrennikows Territorija Festival gesponsort. Sie wollten sicher gehen, dass es keine kulturelle Rebellion gibt, indem sie
ihre Sprache vereinnahmt und zum Teil des Systems gemacht haben. Sie wurde sinnlos. In den letzten achtzehn Monaten habe ich gesehen, was Kultur und Sprache angeht, wie die Opposition versucht, eine
Miniwelt für sich selbst zu schaffen, einen Ort, der nicht durch die Einmischung des Kremls kontaminiert ist. Ich finde das unglaublich und sehr inspirierend."