Tristan Egolf

Kornwolf

Roman
Cover: Kornwolf
Suhrkamp Verlag, Heidelberg 2009
ISBN 9783518420751
Gebunden, 432 Seiten, 26,80 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. Owen Brynmor, ein verkrachter Journalist, der mit seinen dreißig Jahren schon zahlreiche Zeitungen im ganzen Land hinter sich gebracht hat, wollte nie mehr zurück nach Stepford, Pennsylvania, in seine Heimatstadt. Aber dann kommt er - um Boxer zu werden. Weil er nebenbei Geld verdienen muß, heuert er als Lokalreporter an und erregt sogleich Aufsehen mit dem Bericht über einen Werwolf, den "Teufel von Blue Ball", der Stepford in Angst und Schrecken versetzt. Auf der Suche nach der Legende vom "Kornwolf" stößt Owen auf Ephraim Bontrager, einen stummen Halbwaisen, der sich an den Rändern der diskriminierten Amish-Gemeinde herumtreibt. Mit seinem merkwürdigen Verhalten bringt er das ganze Tal gegen sich auf. Am Ende rottet sich die Bevölkerung zu einer gigantischen Hetzjagd zusammen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.05.2010

Dieses Buch liest sich, als sei dem Autor "im Rausch des Zorns" die "Great American Novel" zum "Splatter Movie" geraten, schreibt die Rezensentin Marie Schmidt. Für sie ist dieses Buch eine gnadenlose Abrechnung mit der Mehrheitsgesellschaft. Der Autor Tristan Egolf, fügt sie hinzu, hat sich 2005 mit vierunddreißig Jahren das Leben genommen. Im Buch geht es um die Halbwaise Ephraim. Er wächst unter Amish-People in Pennsylvania auf, die von den Touristen begafft werden. Ephraim ist nochmal ein Außenseiter in dieser Gruppe von Außenseitern, so entstellt, dass er als "Werwolf" verspottet wird. Zum Ausgleich unternimmt er unerkannt üble Raubzüge in der benachbarte Gemeinde und wird deshalb gejagt. Die Jäger, so scheint es, sind allerdings um einiges unsympathischer als Ephraim. Die Rezensentin hatte beim Lesen das Gefühl, kalter Ekel habe diesem Autor die Hand geführt, kein Mitleid mit dem Protagonisten spürt sie hinter diesem "raffinierten Erzählgerüst", das sie jedoch im "apokalyptischen Fanal" zerfasern sieht. Aber sie spürt eine so "fürchterliche Verzweiflung", die für jeden Trost unerreichbar ist, dass sie das Buch doch tief beeindruckt aus der Hand gelegt hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.01.2010

Den Tod dieses Autors bedauert Christoph Schröder angesichts des letzten Romans von Tristan Egolf nun noch mehr. Das Buch berauscht ihn durch seinen hämmernden Rhythmus, seine skurrilen Ideen und seinen Sprachwitz. Subtil sei es nicht gerade, meint er, dafür biete es jede Menge Spaß. Und das soll reichen, denn nacherzählen möchte Schröder die Geschichte um Werwölfe und andere Underdogs in einer amerikanischen Kleinstadt lieber nicht. Der Text habe seine eigene Logik und entfalte seinen Sog erst im Gesamtzusammenhang. Nur soviel will er verraten: Das Ende ist blutig.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.12.2009

Der Anfang des Romans hatte Burkhard Müller noch sehr gut gefallen: Ein furchtbar hässlicher Wolf wird im Wald gesichtet und beginnt, sein Unwesen zu treiben. Dass dann allerdings im weiteren Verlauf nur einzelne Hausfassaden - kaputte Veranden und Dachrinnen - durch das Untier zu Schaden gehen, findet er etwas "antiklimaktisch". Gerne hätte er mehr Schaudern erlebt und weniger Sozialanalyse. Denn der Held des Romans ist ein Kerl aus einfachen Verhältnissen, der sich zum Boxer ausbilden lässt und dann wahnsinnig wird - lebendig beschrieben und mit Kennerschaft, wie Müller anerkennt. Dabei ist das Buch immer wieder mit einem "coolen, trotzigen Witz" unterlegt, der auch über mancherlei Unklarheiten im Plot hinweghilft. Der eigentliche Clou ist für Müller dann die Übersetzung durch Frank Heibert. Heibert übersetzt nämlich ungewohnt buchstäblich, so dass beispielsweise aus dem originalen "you are late" ein sperriges "sie sind spät" wird. Müller gefällt's. Und das die einfachen Leute jetzt in Pennsylvania Dutch palavern, dafür dankt er der Übersetzung auch.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2009

Der Selbstmord des Autors 2005 hat die vom Übersetzer gemutmaßte Fortsetzung dieser Geschichte verhindert. So, wie wir diese mythologisch untermauerte Wolfsmensch-Story von Tristan Egolf jetzt lesen können, erscheint sie Alexander Müller zwar allemal außergewöhnlich. Die apokalyptische Ausrichtung, die "berserkerhafte Stänkerei", die ganze Drastik, die der Autor in diesem Buch zelebriert, erscheint Müller als aufklärerisches Mittel (offenbar geht es um die Aufdeckung der Sünden Amerikas mittels Werwolf-Metaphorik), allerdings unzureichend. Auch entdeckt er Lücken im Plot und leerlaufende Erzählstränge. An der Sinnlichkeit und Intensität der Sprache und dem "ausschweifenden Stil" dieser Prosa hat Müller trotzdem seine Freude.
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