9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

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2011 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 202

9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.04.2024 - Medien

Helen Fares, SWR-Moderatorin mit syrischen Wurzeln, hat per Instagram und X die App "No Thanks" beworben, über die man erkennen kann, ob ein Produkt aus Israel stammt oder der Hersteller israelische Unternehmen unterstützt.  Der Autor und Journalist Hasnain Kazim twittert: "Das ist 'Kauft nicht bei Juden!' im Jahr 2024. Wahnsinn".


Inzwischen hat der SWR Fares von der Moderation der Sendung "Mixtalk" entbunden, weiß Christian Meier in der Welt: "Wer unterschiedslos, diskriminierend und geschichtsvergessen Boykotte ausruft und unterstützt, schließt sich selbst aus dem zivilen Diskurs aus.

Hinter der App, die allein für Android über eine Million Downloads verzeichnet, steht der palästinensischer Software-Entwickler Ahmed Bashbash, schreibt Christoph Kapalschinski, der auf den Wirtschaftsseiten der Welt die App vorstellt: "Per Foto vom Strichcode eines Produkts warnt die App vor Unternehmen, die angeblich Israel im Gaza-Krieg unterstützen. Dabei reicht es aus, dass ein Unternehmen Läden in Israel betreibt, im Konzernverbund schon einmal in dem Land investiert oder auch nur den Terror-Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 verurteilt hat. Entsprechend breit ist die Warnliste. Sie umfasst längst nicht nur Unternehmen und Produkte aus Israel, sondern reicht von Nike über Mars und Unilever bis Coca-Cola. Auch deutsche Unternehmen sind dabei."
Stichwörter: Fares, Helen, SWR, Hamas

9punkt - Die Debattenrundschau vom 06.04.2024 - Medien

Ja, es gibt eine Menge zu kritisieren an den Öffentlich-Rechtlichen, schreibt Götz Hamann auf Zeit Online. Bei dem nun veröffentlichten Manifest wird ihm dennoch mulmig zumute, nicht nur, weil viele der Erstunterzeichner mit besten Renten ausgestattete ehemalige Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind. Irritiert ist Hamann vor allem davon, dass das Manifest das journalistische Format des Faktenchecks ablehnt, "wie es ARD, ZDF und Deutschlandradio praktizieren. Dabei ist das der Versuch, kursierende Lügen, Desinformationen und Bildmanipulationen in sozialen Medien aufzudecken. Es ist der Versuch, so etwas wie eine Faktenbasis, eine gemeinsame Wirklichkeit zu erhalten, auf deren Grundlage die Gesellschaft ihre politischen Auseinandersetzungen führen kann. Dieses Bemühen wird in dem Manifest als 'so genannte Faktenchecks' disqualifiziert. Diese würden eine 'vermeintlich absolute Wahrheit' suggerieren. Wer so argumentiert, rückt das Format des Faktenchecks in die Nähe von Gehirnwäsche. Und mal anders gefragt: Was wäre Journalismus eigentlich ohne Fakten?"

Ein Verbot von Al Jazeera in Israel ist der falsch Weg, meint Felix Wellisch in der taz: "Was die Sicherheit Israels gefährdet, ist nicht die freie Presse, auch wenn sie derart parteiisch berichtet wie Al Jazeera. Gefährlich sind die Informationsblasen, in denen sich viele Palästinenser und Israelis eingerichtet haben. Und gefährlich ist das Unverständnis vieler Israelis für die wachsende Kritik weltweit am Vorgehen der Armee in Gaza."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 05.04.2024 - Medien

Das vom Perlentaucher aufgegriffene Scharmützel der Berliner Zeitung mit dem ukrainischen Botschafter Oleksij Makejev und zugleich mit dem Tagesspiegel, findet nun auch in der FAZ ein kleines Echo, wo Michael Hanfeld kommentiert: "Geht's noch? Ein Blatt, dessen Verleger (Ex-Stasi-IM) den einstigen Bild-Chef Julian Reichelt an Springer verpfiffen und den Informantenschutz zersetzt hat, das ein Interview mit Roger Waters um entscheidende judenfeindliche Einlassungen kürzt, hält diese Kritik für einen 'Eingriff in die Pressefreiheit'?" In der taz schreibt Steffen Grimberg.

Die Geldsummen, die die Öffentlich-Rechtlichen für die Sportberichterstattung ausgeben, scheinen nicht immer ganz leicht festzumachen zu sein. Helmut Hartung versucht es in der FAZ anlässlich der Vergabe neuer Sportrechte, um die sich die Sender bewerben. Den bisherigen Zustand beziffert Hartung so: "2022 ließ sich die ARD den Sport im Ersten 431,7 Millionen Euro kosten, die Berichterstattung über Politik und Gesellschaft 399,4 Millionen. Pro Sendeminute wurden für dieses Programm 2.943 Euro aufgewendet, für den Sport 10.014 Euro - mehr als das Dreifache. Für keine Inhalte hat die ARD 2022 mehr investiert als für Sport."

Weitere Artikel: Unter dem Titel "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk" kritisieren mehr als hundert Journalisten, Künstler und Wissenschaftler "eine Eingrenzung des Debattenraums und eine zunehmende Grenzverschiebung zwischen Meinungsmache und Berichterstattung" bei den Öffentlich-Rechtlichen, berichtet unter anderm Kurt Sagatz, der die Forderungen im Tagesspiegel für eine "Revolution" hält. Zu den Unterzeichnern gehören Intellektuelle wie Ulrike Guérot und Jürgen Fliege.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 04.04.2024 - Medien

Die Berliner Zeitung trägt gerade eine Fehde mit dem Konkurrenzinstitut aus dem Westen, dem Tagesspiegel, aus, und verriet dabei auch ein kleines Geheimnis über die Berechnung von Auflagenzahl (unser Resümee). Das Epaper des Tagesspiegels werde mit 54.300 Exemplaren in die "harte Auflage" eingerechnet, das sei aber dubios, so die Berliner Zeitung. Dazu macht Stefan Niggemeier in den Uebermedien folgende Anmerkung: "Wie hoch die Auflage der Berliner Zeitung ist, ist unbekannt: Ihr Verleger Holger Friedrich hat sie aus der unabhängigen Zählung der IVW vor zweieinhalb Jahren herausgenommen. Vorausgegangen war ein jahrelanger Absturz - die Auflage der Berliner Zeitung war noch schneller gesunken als die der örtlichen Konkurrenz. Der Tagesspiegel steht im Vergleich mit seinen direkten Konkurrenten nach allem, was man weiß, am wenigsten schlecht da."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 03.04.2024 - Medien

"Alles, was irgendwie mit Russland zu tun hat, bleibt in Deutschland auf eine fast magische Art ohne Konsequenzen", ärgert sich auf den Medienseiten der FAZ Nikolai Klimeniouk, der nicht nur den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier "wegen seiner Beteiligung an gravierenden Fehlentscheidungen vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss" gestellt hätte, sondern auch mit den Medien ins Gericht geht: "Führende Zeitungen brachten Berichte ihrer Korrespondenten über krasse Menschenrechtsverletzungen in Russland, Misshandlungen von Andersdenkenden, Zerschlagung der freien Medien, Unterdrückung aller erdenklichen Minderheiten und ideologische Indoktrination. Gleichzeitig erschienen in denselben Zeitungen Gastbeiträge und Appelle, die Verständnis für Russlands Verbrechen (die man natürlich so nicht nannte) forderten und der Ukraine nahelegten, auf die besetzten Gebiete im Namen des Friedens zu verzichten. Die tatsächlichen Entscheidungen der deutschen Politik, die der Ukraine aufgezwungenen Minsk-Verträge und vor allem der Bau der Pipeline Nord Stream 2, folgten insgesamt diesen Empfehlungen. Deutlicher konnte man der deutschen Gesellschaft nicht signalisieren, dass demokratische Grundsätze verhandelbar sind und dass man es mit der Menschenwürde nicht so ernst nimmt."

Ganz empört antwortet die gesammelte Chefredaktion der Berliner Zeitung auf einen Twitter-Thread des ukrainischen Botschafters Oleksii Makeiev. Dieser hatte der Zeitung vorgeworfen, mehr oder weniger zum Sammelbecken der Russophilie und ehemaliger Autoren russlandnaher Medien geworden zu sein. Auf die Vorwürfe gehen die Chefredakteure im Einzelnen nicht ein, sondern bemühen gleich die Pressefreiheit: "Wir sehen die völlig unbegründeten Attacken gegen namentlich genannte Redakteure und Autoren als versuchte Einschüchterung und mithin als Eingriff in die Pressefreiheit... Wir erwarten, dass der ukrainische Botschafter die Pressefreiheit in einer europäischen Demokratie respektiert."

Hier der Thread des Botschafters:


Schmerzlich für die Berliner Zeitung dürfte diese Bemerkung des Botschafters sein: "Ob Russia Today, Ruptly oder RIA Novosti - die @berlinerzeitung ist nach dem 24. Februar 2022 zu einem Arbeitgeber für ehemalige Mitarbeiter russischer Staatsmedien geworden. Wobei man bei diesen Leuten und ihren ehemaligen Jobs kaum von Journalismus sprechen kann." Und natürlich erinnert Makeiev an den Besuch des Verlegers Holger Friedrich und seines Herausgebers Michael Maier bei den Feierlichkeiten der russischen Botschafters zum Jahrestag des Siegs über Deutschland im letzten Mai (unser Resümee).

Der Streit hat einen Nebenschauplatz: das Scharmützel der Berliner Zeitung mit dem Konkurrenzorgan Tagesspiegel. "Welche Rolle spielt der Tagesspiegel bei der seltsamen Aktion", fragt die Chefredaktion der Berliner Zeitung dann auch in ihrem heutigen Artikel. Der Streit mag mehrere Episoden haben, aber der aktuelle Anlass ist folgender: Tagesspiegel-Autor Sebastian Leber hatte der Berliner Zeitung am 8. März vorgeworfen, ein geschöntes Interview mit Roger Waters veröffentlicht zu haben - die antiisraelischen Passagen fehlten und wurden sichtbar, als Waters seine Version der Interviews selber publizierte. In der Berliner Zeitung war man sehr verärgert. "So verzerrt der Tagesspiegel die Wahrheit", antwortete Sören Kittel in der Berliner Zeitung, worauf Leber in seinem Artikel zwei Updates publizierte. Mit Freude berichtete die Berliner Zeitung daraufhin, dass der Tagesspiegel zum 7. April seine Sonntagsausgabe einstellen muss. Dabei werden sogar Küchengeheimnisse preisgegeben: Die Angaben zur "harten" Printauflage des Tagesspiegel seien geschönt: "Laut Statista belief sich die verkaufte Auflage der E-Paper-Ausgabe im vierten Quartal 2023 auf rund 54.300 Exemplare, das heißt, mehr als die Hälfte der 'harten Auflage' wurde nicht mehr auf Zeitungspapier gedruckt. In der Branche werden E-Paper-Verkäufe allerdings grundsätzlich mit Zurückhaltung beurteilt: Die Vertriebswege sind oft intransparent." Und wie steht's also mit dem Epaper der Berliner Zeitung?

9punkt - Die Debattenrundschau vom 02.04.2024 - Medien

Der Bayerische Rundfunk schafft die Kultur ab, empört sich in der FAZ die Literaturredakteurin Cornelia Zetzsche angesichts der Sparpläne: "Der BR schreddert Bayern 2, eine der erfolgreichsten ARD-Kulturwellen mit über 500.000 Hörern täglich." Aber so geht es eigentlich in der ganzen ARD: Die "zentralisiert und installiert Kompetenzcenter, das heißt, ein Sender plant für alle. Gut so, finden manche, aber was wäre, wenn es nur das Feuilleton der SZ gäbe und die FAZ oder taz überflüssig würden? Für 60 Spitzentitel, Rushdies 'Knife' etwa, gibt es nur noch ein, zwei Kritiken für die ganze ARD. Eine Kritik heißt eine Meinung, das ist das Ende einer Meinungsbildung durch Meinungsvielfalt, das Ende des föderalen Prinzips unseres Landes."
Stichwörter: ARD

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.03.2024 - Medien

Niklas Bender wirft in der FAZ einen Blick auf das französische Verlagswesen und zeigt auf, wie der Medienmogul Vincent Bolloré rechtsextremen Politikern dabei hilft, "publizistisch salonfähig" zu werden. Isabelle Saporta, die Leiterin des wichtigen Pariser Verlages Fayard muss ihren Posten verlassen, Ziel ist die Vereinigung von Fayard mit dem Kleinverlag Mazarine, geleitet von der rechtaußen stehenden Lise Boëll, so Bender. Deren aktuelles Projekt: "ein Buch von Jordan Bardella, Präsident des Rassemblement National und dessen Spitzenkandidat für die Europawahl im Juni. Der 29 Jahre junge Strahlemann führt in den Umfragen mit gut 31 Prozent vor Emmanuel Macrons Kandidatin Valérie Hayer (18). Mit der Veröffentlichung von 'Jordan - venu d'ailleurs, devenu d'ici' (Von anderswo gekommen, ein Hiesiger geworden) soll Bardella an staatsmännischer Seriosität gewinnen - in einen großen Verlag hat es bisher kein RN-Politiker geschafft."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 20.03.2024 - Medien

Der Milliardär Vincent Bolloré musste in Frankreich vor einem parlamentarischen Untersuchungssausschuss aussagen, berichtet Michaela Wiegel in der FAZ. Ihm gehört unter anderem der Fernsehsender CNews, der Eric Zemmour groß gemacht hat. Die Illustrierte Paris Match hat er an seinen Kumpel Bernard Arnault, den Tycoon des Luxuskonzerns LVMH verkauft. "Tatsächlich haben sich Milliardäre die Medienlandschaft in Frankreich untereinander aufgeteilt. Arnault gehören das Wirtschaftsblatt Les Echos und die Tageszeitung Le Parisien. Der Marseiller Reeder Rodolphe Saadé besitzt die südfranzösische Regionalzeitung La Provence sowie die Wirtschaftszeitung La Tribune und hat gerade den Nachrichtensender BFM-TV erworben. Das Rüstungsunternehmen Dassault kontrolliert Le Figaro, der Telekommunikationsunternehmer Xavier Niel ist an Le Monde beteiligt. Der Industrielle Martin Bouygues besitzt den größten privaten Fernsehsender TF1." Bolloré hat sich vor dem Ausschuss gut geschlagen, erzählt Wiegel - was vor allem die Schwäche der parlamentarische Kontrolle zeige, aber er ist ein ausgewiesener Rechtsextremer. Le Monde hatte einst ein denkwürdiges Portät über ihn verfasst (unser Resümee).

9punkt - Die Debattenrundschau vom 15.03.2024 - Medien

Übernimmt der Spiegel das Hamas-Narrativ? Der Kommentar "Verpanzerte Herzen" der Spiegel-Autorin  Julia Amalia Heyer löst erbitterte Reaktionen aus. Heyer wirft Israel vor einen "Vernichtungsfeldzug" gegen Gaza zu führen. Die übliche Szene auf Twitter ist begeistert, Naika Foroutan feiert den Text als "brillant". Wütend antwortet Esther Schapira in der Jüdischen Allgemeinen: "Der eigentliche Skandal ist nicht ein weiterer schlechter Artikel, sondern dass es auch für widerlichsten Anschuldigungen Israels keine Beweise braucht, weil niemand befürchten muss, selbst für eklatante Fehler und Verzerrungen haftbar gemacht zu werden, weil jede Verurteilung auf Beifall zählen kann. Für das Vor-Urteil braucht es kein Wissen. Da reicht das Gefühl, das bestärkt wird durch das 'Gerücht vom Juden', wie der große Philosoph Theodor W. Adorno es so treffend beschrieb."
Stichwörter: Hamas

9punkt - Die Debattenrundschau vom 12.03.2024 - Medien

Die EU-will gegen sogenannte Slapp-Klagen oder  SLAPPs (Strategic lawsuit against public participation) vorgehen. Dabei handelt es sich um teure Gerichtsverfahren, mit denen mächtige Akteure wie Oligarchen oder Hohenzollern gegen missliebige Journalisten vorgehen. Der Medienwissenschaftler Uwe Krüger, mit dem Livio Koppe für seinen taz-Artikel spricht, hätte aber lieber eine Solidarisierung: "Was diese Solidarisierung angeht, ist die Medienbranche jedoch noch nicht so weit. Krüger spricht von einem vorherrschenden 'Einsamer-Wolf-Denken'. 'Viele sehen es als normal an, verklagt zu werden. Nach dem Motto: Gehört zum Business, das macht mir nichts aus, ich bin ein harter Hund.' Dabei sei es wichtig, sich zu vernetzen. Kleinere Medienhäuser und freie JournalistInnen können durch Einschüchterungsklagen viel leichter an den Rand des Ruins gedrängt werden."
Stichwörter: Slapp-Klagen