Vorgeblättert

Monika Maron: Wie ich ein Buch nicht ...., Teil 2

27.01.2005.
Und so fing meine Fortsetzung der :"Endmoränen" zunächst an:

Bredow
Johanna Märtin hatte nun einen Hund. Auf dem Heimweg von Basekow nach Berlin, als sie die Fahrt verlangsamt hatte, weil ihr die Zeit für den Wechsel aus der ländlichen Einsamkeit in die vertraute Gemeinschaft mit Achim, ihrem Mann, und überhaupt zurück in die tägliche Abfolge von Selbstverständlichkeiten, die hinzunehmen sie in den letzten Monaten fast verlernt hatte, zu kurz vorkam, als sie, um diesen Wechsel auszudehnen und auch, weil es stark regnete, die Nadel des Tachometers bis auf achtzig hatte sinken lassen, hatte sie an dem kleinen Parkplatz einer Autobahnausfahrt etwas Schwarzes, das sich bewegte, gesehen. Und nun hatte sie einen Hund.

Was ist das, hatte Achim gefragt, als seine Frau, schwere Taschen in beiden H nden und den Strick, mit dem man den Hund an einem Abfalleimer festgebunden hatte, über den Unterarm gestreift, vor der Tür stand; was ist das?

Ein Hund, hatte Johanna geantwortet, Riesenschnauzer und nochwas, und war, als gäbe es dazu nicht mehr zu sagen, an Achim vorbei in die Küche gegangen. In ihrem Rücken klapperten die Krallen des Hundes leise auf dem Parkett. Dann hatte sie ihm den Strick vom Hals geknotet, eine Schüssel mit Wasser neben die Tür gestellt, sich auf einen Stuhl gesetzt und dem Hund beim Trinken zugesehen.
I

Irgendwer hatte ihn festgebunden, ich konnte ihn doch nicht stehenlassen, sagte sie.


Achim stand in der Tür, sah abwechselnd auf den Hund und auf Johanna. Und was soll mit ihm werden, fragte er.


Der Hund leckte die letzten Tropfen aus der Schüssel und schob sie dabei bis an die Türschwelle. Achim trat einen Schritt zurück. Johanna lachte, du hast ja Angst, sagte sie und füllte noch einmal Wasser in die Schüssel.
Der Hund löffelte sich mit der Zunge geräuschvoll das Wasser in die Schnauze, setzte sich, als er endlich genug getrunken hatte, dicht neben Johannas Bein und sah Achim an, als ahnte er, daß sein Schicksal von dieser, an Größe ihn und Johanna überragenden Gestalt abhing. Achim fühlte sich bedrängt von den beiden auf ihn gerichteten Augenpaaren, zumal er im Blick seiner Frau etwas Herausforderndes, wenn nicht Triumphierendes wahrzunehmen glaubte. Einige Monate später wird er denken, daß in diesem Augenblick der Fortgang der Ereignisse enthalten war wie das genetische Programm in einer Keimzelle. Jedenfalls wird er das so zu Johanna sagen, und sie wird ihm darauf nicht antworten.

Was soll nun mit ihm werden, fragte Achim noch einmal.
Johanna streichelte dem Hund die Stirn, verfolgte die Bewegung ihrer Hand auf dem schwarzen Fell und sagte, ohne aufzusehen: Ich glaube, er bleibt. Das klang nicht entschieden, eher vorsichtig, als wollte sie die Kraft und Festigkeit ihres Satzes prüfen. Sie hatte bis dahin selbst nicht gewußt, was sie auf diese unvermeidliche Frage antworten würde, und hätte Achim ein bißchen weniger fordernd gefragt, hätte am Ende seines Satzes wirklich ein Fragezeichen gestanden, wäre sie seinen Bedenken vielleicht zugänglich gewesen.

So ging das noch zwei Seiten weiter, und dann war Schluß.

Mit freundlicher Genehmigung des S. Fischer Verlages.


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