Magazinrundschau - Archiv

Die Weltwoche

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Magazinrundschau vom 22.04.2008 - Weltwoche

Charlotte Roche steht mit ihrer Vorliebe für Körperbehaarung nicht allein! Bei der Eröffnung seiner Boutique für Luxus-Herrenbekleidung in Zürich denkt Tom Ford über unseren Umgang mit Körperhaaren nach: "Ich sprach mit meinem Vater darüber, er ist 76 Jahre alt. Und er versteht die Welt nicht mehr: Alle sind überall rasiert. Wenn eine Frau nackt ist, sollte man viel Haar sehen, findet er. Und er hat Recht. Das ist natürlich, pur, animalisch. Aber das ist mein persönlicher Geschmack. Eine Frage, die mich übrigens auch sehr beschäftigt. ... Wir haben eben Aufnahmen gemacht für ein Magazin mit vielen nackten Männern. Heterosexuelle, zwischen 19 und 60 Jahre alt. Die Älteren hatten volles, natürliches Schamhaar, die unter 40-Jährigen trugen es stark zurechtgeschnitten, ein paar hatten gar keines mehr. Ich fragte die Jungen, warum sie glattrasiert sind. Sie antworteten: Weil meine Freundin das so mag. ... Es ist eine haarlose Generation, ihre sexuelle Sozialisierung passierte mit Pornos, in denen kein Schamhaar vorkommt. Ich selber wurde in den siebziger Jahren groß, damals waren Pornofilme noch Pornofilme, es wurde geschwitzt, es war haarig."

Seit zehn Jahren wird nach einem Viagra für die Frau geforscht, hat aber bisher nichts gebracht, berichtet Kai Michel. "Tatsächlich sind die Dinge im Wandel. 'Früher kamen die Frauen wegen Orgasmusproblemen zu uns', erzählt Claus Buddeberg. Heute ist das kaum der Fall. 'Viele Frauen sind mittlerweile sexuell emanzipiert', sagt er, 'sie kennen die eigene Reaktionsfähigkeit. Und sie lassen sich weniger unter Druck setzen, einen Orgasmus erleben zu müssen.' Stattdessen klagen heute mehr als fünfzig Prozent seiner Patientinnen über mangelnde Lust auf Sex. ... Nach Buddeberg produzieren aber vor allem drei Faktoren Unlust: die Allgegenwart sexueller Reize in der Öffentlichkeit: Wenn überall perfekte Nackedeis prangen, ist Desinteresse eine Reaktion auf die manipulative Vermarktung erotischer Fantasien. Zweitens sind die individuellen Erfahrungen mit Sexualität prägend. Drittens spielt die Partnerschaft eine entscheidende Rolle: 'Dort sehen wir sehr oft eine Wüste', sagt Buddeberg."

Weiteres: David Rockefeller erinnert sich im Interview an Friedrich August von Hayek und Joseph A. Schumpeter. Julian Schütt rühmt J.M. Coetzees "Tagebuch eines schlimmen Jahres" als faszinierenden Versuch, politische Gegenwart mit literarischen Mitteln zu bannen.

Magazinrundschau vom 15.04.2008 - Weltwoche

Thomas Widmer annonciert eine interessante Ausstellung über Karl den Kühnen (1433-1477), Herzog von Burgund, der an einem europäischen Mittelreich, ebenbürtig Frankreich und Deutschland, arbeitete, bevor er in der Schlacht von Nancy einer Schweizer Hellebarde zum Opfer fiel. Und seinem großen Rivalen. "Karl von Burgund und Ludwig von Frankreich: Gegenspieler vom selben Geblüt. Das Haus Valois stellt sowohl französische Könige als auch, in einer Nebenlinie, Herzöge von Burgund. Als Charaktere könnten die Männer verschiedener nicht sein. Karl ist der Ritter, geborgen und gefangen in seiner Ehre, voller Dünkel gegen das aufkommende Bürgertum, unfähig, im Krieg von seiner Schlachtordnung abzuweichen - noblesse oblige. Den letzten Fürsten des Mittelalters hat man den Realitätsresistenten genannt. Anders Ludwig. Im Machtspiel kennt er keine Skrupel. Er ist ein Täuscher und Taktierer und Wortbrecher. Weil er sein Agentennetz über ganz Europa gewoben hat, nennt man ihn auch die 'universelle Spinne'." Die Ausstellung ist ab dem 25. April im Museum Bern zu sehen.

Magazinrundschau vom 08.04.2008 - Weltwoche

Durchaus mit Interesse hat Julian Schütt eine Geschichte des abendländischen Geschlechtslebens der letzten fünfhundert Jahre gelesen, Robert Muchembleds "Die Verwandlung der Lust". "Das ist das Faszinierende an Muchembleds Geschichte über die Lust: Bei ihm dienen nicht allein die Libertins, die durch alle Zeiten hindurch ihre sexuelle Freiheit verteidigen, dem Fortschritt und der Moderne, sondern ebenso jene vielleicht minder mutigen Frauen und Männer, die den Geboten der Kirche und den Gesetzen der Herrscher gehorchen und ihre Energie in wirtschaftliche, politische, künstlerische Leistungen statt in ein erfülltes Intimleben investieren."

Weitere Artikel: Der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm antwortet im Interview auf die Behauptung "Sie sind ein guter Schriftsteller, weil Sie sich nicht für sich selbst interessieren.": "Kann gut sein. (...) Ich interessiere mich nicht für mich selbst. Ich hätte Schwierigkeiten, mein Leben zu beschreiben, ich vergesse so viel." Urs Gehriger, Philipp Gut und Pierre Heumann berichten, wie gut den Mullahs in Teheran die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey gefällt. Schließlich hat die Weltwoche David Mamets Essay "Why I Am No Longer a 'Brain-Dead Liberal'" übernommen, auf Deutsch darf man ihn online nicht lesen, das Original steht hier.

Magazinrundschau vom 01.04.2008 - Weltwoche

Niko Apel hat einen Film über die iranische Rallye-Meisterin und Zahnärztin Sonbol Fatemi gedreht. In Paris sprach sie mit Urs Gehriger über ihre Scheidung, ihren Beruf, das komplizierte Verhältnis zu ihren Eltern und ihre größte Angst: "Mich, was Gott betrifft, geirrt zu haben. Das wäre sehr schlimm. Ich denke immer, dass Gott mir sehr nahe ist und mich begleitet. Ich fühle ihn immer. Es gibt keine größere Angst als die, dass dieses Gefühl falsch sein könnte. Dass du dich immer an etwas anlehnst und eines Tages begreifst, dass da nichts zum Anlehnen ist. Seit ich denken kann, lebe ich in einer Welt, in der dir gesagt wird: 'Wenn du dich nicht an die Regeln hältst, wirst du bestraft werden!' Auch wenn ich eigentlich nicht an diese Regeln glaube, bleibt tief in mir doch ein letzter Zweifel: Was ist, wenn die recht haben?"
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Magazinrundschau vom 25.03.2008 - Weltwoche

Nach Lektüre der neuen Bücher von Clemens Meyer, Jenny Erpenbeck, Bernhard Schlink und Dirk Kurbjuweit stellt sich Peer Teuwsen die Frage: "Wer riskiert eigentlich noch etwas in der deutschen Literatur?" Nur einer, meint er, nämlich Michael Kumpfmüller mit seinem Roman 'Nachricht an alle' über einen deutschen Innenminister namens Selden. "Kumpfmüller zeigt in einer tonlosen Sprache, ganz unaufgeregt, immer auf Halbdistanz, wie es uns geht: Gut, und doch enttäuscht sind wir. In diesem Buch gibt es keine Helden, keinen Brandt, keinen Schmidt, dieser Selden ist nur noch einer, der vollzieht, sich in Details verliert und nicht mehr weiß, was passiert. Und die andern, für die er stellvertretend das Beste machen sollte, empfinden nur noch eine stumpfe Leere, die sich an den eigentlich hervorragenden Verhältnissen abreagiert. Ein Text wie im gesellschaftlichen Nebel, auf Milchglas geschrieben, der ein Gefühl transportiert, das man kennt als Vierzigjähriger, dem vieles an Strukturen geschenkt wurde in diesen formlosen Zeiten, der aber für wenig mehr kämpfen musste als für sich selbst. Ein Text, der sich mit niemand identifiziert, niemand umarmt, keinen eindeutigen Standpunkt einnimmt. Das ist es wohl, was die deutschen Kritiker, die die Emphase lieben, dem Roman übelnehmen."

Außerdem: "Ist Deutschland ein Unrechtsstaat", fragen Markus Somm und Roger Köppel besorgt. Jawoll, sekundiert der Schweizer Privatbankier Konrad Hummler im Interview, und "deshalb ist die Kapitalflucht Notwehr". (In der FAZ am Sonntag fand Rainer Hank die Argumente Hummlers, die in einem Anlagekommentar des Bankhauses Wegelin & Co. im Detail nachzulesen sind, brillant.)

Magazinrundschau vom 18.03.2008 - Weltwoche

Endlich mal eine Antiheldin im Kino, freut sich Beatrice Schlag über Jason Reitmans Film "Juno". Es geht um eine 16-Jährige, die schwanger wird. "Natürlich gab es auch junge Frauen in eckigen Rollen, wie Christina Ricci in Ang Lees 'The Ice Storm'. Aber ihr Anderssein machte sie nicht zu Teenageridolen, sondern zu Randfiguren. Die winzige Juno (Ellen Page ist knapp 1,53 m groß) hingegen watschelt mit ihrem immer riesiger werdenden Bauch durch den Film, als sei Anderssein der einzig mögliche Weg für einen Teenager, der seine Sinne beisammenhat."

In der Schweiz bastelt man an der nächsten sexuellen Revolution, berichtet Matthias Meili: "Neue biomedizinische Techniken werden die Lagerung von unbefruchteten Eizellen ermöglichen, die der jungen Frau entnommen, in reiferem Alter befruchtet und wiedereingesetzt werden. Wenn eine Frau will, wird sie künftig ihre eigenen Eizellen befruchten lassen und ihr eigenes Kind austragen - eine Eigenspende über die Zeit hinweg also. Diese Option wird es Frauen auch ermöglichen, ihre Fruchtbarkeit weit über die Wechseljahre hinaus zu bewahren - die Familienplanung erhält eine neue Berechenbarkeit. Die Geburtenraten könnten wieder steigen. Viele Schweizer Fruchtbarkeitsinstitute sind auf diesem Gebiet tätig geworden."

Magazinrundschau vom 26.02.2008 - Weltwoche

In der Schweiz und in Liechtenstein ist Steuerhinterziehung keine Straftat, sondern eine Art Ordnungswidrigkeit, informiert uns Ralph Pöhner, der überhaupt kein Verständnis dafür hat, wie in Deutschland mit "Fahnderkolonnen" gegen Steuersünder vorgegangen wird. "Wenig Verständnis gibt es indes dafür, dass andere Nationen ein anderes Verhältnis von Untertan und Obrigkeit (respektive Bürger und Staat) pflegen - und dass sich dieses Verhältnis zwangsläufig im Steuerrecht niederschlägt: Liechtenstein oder die Schweiz gewichten die Diskretion und die Privatsphäre des Individuums höher als das Interesse des Staates an steuerlicher Vollabschöpfung; sie erachten eine Hinterziehung als minder schweres Vergehen; und sie setzen mehr Vertrauen in ihre Steuerzahler. Steuergeld ist hier nicht a priori ein Gut des Staates, vielmehr eine Gabe der Bürger."

Weitere Artikel: Peter Holenstein nimmt die "Schwindelgrotte von Lourdes" auseinander. Und Hanspeter Born stellt den wenig sympathischen Dr. Gachet vor, der erst unfähig war, Vincent van Gogh nach seinem Bauchschuss zu retten, dann 13 Bilder einsackte und schließlich auch noch einige davon kopieren ließ.

Magazinrundschau vom 12.02.2008 - Weltwoche

Der Schweizer Google-Mann Urs Hölzle versucht Marc Kowalsky im Interview zu überzeugen, dass Google nicht böse ist.Als neuester Beweis dient die mit 1,2 Milliarden Euro ausgestattete Stiftung Google.org, die auf dem Weltwirtschaftsorum in Davos vorgestellt wurde und deren umfassender Ansatz sich schon wieder unheimlich anhört. "Der Fokus liegt auf drei verschiedenen Richtungen: einmal die Früherkennung von Krankheiten. Das hat direkt mit Google zu tun. Wir können besser als andere Organisationen Informationen so verarbeiten, dass man damit Krankheiten bekämpfen kann. Wir können etwa den Ausbruch von Seuchen voraussagen, indem wir die Einträge der Benutzer im Internet auswerten: Explodiert die Anzahl der Anfragen 'Mein Kind hat Durchfall, was soll ich tun?', dann läuten bei uns die Alarmglocken. Der Zweite ist die Förderung von Kleinunternehmen in Entwicklungsländern. Unternehmertum schafft Arbeitsplätze, und das hat eine Hebelwirkung, die vielen andern hilft. Der Dritte ist Energie und wie man sie besser erzeugen oder effizienter nutzen kann."

Magazinrundschau vom 08.01.2008 - Weltwoche

In einem sehr langen Interview mit Urs Gehringer beschreibt der Oberkommandierende der US-Armee im Irak, General David H. Petraeus, die dortige Lage. Gewalt und Terror gehen seit einem halben Jahr "markant" zurück, was Petraeus vor allem auf seine neue Strategie zurückführt und darauf, dass die Sunniten die Nase von Al-Qaida ebenso voll haben wie von den Schiiten: "Es kursierten Geschichten, wonach al-Qaida den Menschen nicht bloß das Rauchen untersagte, sondern Rauchern sogar die Finger abschnitt. Das ist unglaublich, erst recht für eine Gesellschaft von passionierten Zigarettenkonsumenten. Es ist schlicht bizarr, wie rigide sich die Fanatiker gebärdeten, mit Zwangsheiraten und so weiter. Die Abneigung gegen dieses Regime ist allgegenwärtig."

Weiteres: Alix Sharkey erinnert sich an ein Treffen mit Carla Bruni, bei dem sich das Model freimütig zu Raffgier und Habsucht bekannte. Sharkey kann eine Heirat mit Nicolas Sarkozy deshalb nur gutheißen: "Mal ehrlich: Was könnte in diesen trüben Zeiten des Starkults glanzvoller, skandalöser, lächerlicher - und passender sein?!" Franziska K. Müller schildert, was sich Karriere-Frauen so alles an miesen Tricks angeeignet haben.

Magazinrundschau vom 20.11.2007 - Weltwoche

Susan Greenfield stammt aus der Arbeiterklasse und ist heute Baroness. Sie hat Literaturwissenschaften studiert und brachte es dann als Hirnforscherin zu einem Lehrstuhl in Oxford. Die Frage nach der Entstehung des Bewusstseins beantwortet sie im Interview mit Peer Teuwsen so: "Das ist eine der großen ungelösten Fragen der Wissenschaft. Ich habe aber eine Theorie, die sich auf meine Forschungen stützt. Bewusstsein entsteht dadurch, dass ein Ereignis, ein Gefühl, ein Bild Neuronen im Hirn auslöst, diese feuern mit 360 Stundenkilometern synchron durchs Hirn. Dann kommt eine nächste Stimulierung, die parallel existieren kann. Was ganz wichtig ist und wo ich auch mit anderen Hirnforschern nicht einig bin: Es gibt keine bestimmte Region im Hirn, der bestimmte Gefühle zugeordnet werden können. Bewusstsein entsteht und vergeht im ganzen Hirn." Und auf die Frage nach der Willensfreiheit hat sie eine beeindruckend simple Antwort: "Wenn man denkt, man habe einen freien Willen, hat man einen freien Willen."

Weitere Artikel: Georg Kreis verteidigt entschieden das Schweizer Antirassismusgesetz. Urs Gehriger versucht abzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass die Krise in Pakistan mit Atombomben in den Händen von Islamisten enden könnte. Thomas Gottschalk gratuliert seinem Jugendidol Gunter Sachs zum 75. Geburtstag. Markus Somm kommentiert einen Bericht des World Economic Forum, aus dem hervorgeht, "dass die Schweiz in Sachen Gleichstellung von Mann und Frau eines der rückständigsten Länder des Westens" ist.