Magazinrundschau - Archiv

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44 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 5

Magazinrundschau vom 06.12.2011 - Salon.eu.sk

Warum diese sich untergründig ausbreitende Unzufriedenheit in Russland, wo die Wahlergebnisse doch so sicher sind, spottet der Schriftsteller Viktor Jerofejew: "Der große russische Autor Nikolaj Gogol bezeichnete in einem privaten Brief seine ungeschriebenen Werke einmal als seine 'himmlischen Besucher'. Das heißt, sie existierten bereits im Himmel und mussten nur noch auf die Erde herabsteigen und sicher im Hirn des Autors landen. Genau so denke ich über die Parlamentswahlen am 4. Dezember und die Präsidentschaftswahlen im kommenden März. Die gute Nachricht ist, dass die Wahlergebnisse bereits im Kreml-Himmel geschrieben wurden und dass die Staatspolitik sie jetzt nur noch sicher und ohne Skandale und Missverständnisse auf die Erde bringen muss."

Magazinrundschau vom 04.10.2011 - Salon.eu.sk

Wenn die Demokratie gerettet werden soll, brauchen wir einen neuen Sozialvertrag, meint Marek Beylin in der Gazeta Wyborcza (von Salon.eu.sk ins Englische übersetzt), angesichts der Demonstrationen in Spanien, Griechenland, Israel, Großbritannien und Frankreich. Denn der jetzige Kapitalismus fördert Leute, die Profit machen, ohne das geringste Risiko dabei einzugehen. Das hat wenig mit Demokratie zu tun und viel mit Feudalismus. "Ist die Plünderung britischer Läden oder das Anzünden von Autos in den Pariser Vorstädten bloß ein Zeichen sozialer Demoralisierung? Viele, der britische Premierminister David Cameron eingeschlossen, glauben das. Aber diese Ansicht wird sich als bittere Illusion erweisen. Denn wo immer Rebellionen erwachen, driftet ein Teil in den Vandalismus ab. Das Anwachsen der Gewalt ist eher ein Zeichen dafür, dass eine Gesellschaft nicht fähig ist, sich selbst zu organisieren, als ein Index für ihre Moral. Es ist die Schwäche der europäischen Gesellschaften, die gefährlich ist. In diesen Tagen gibt es keine Kraft, die fähig wäre, diese Wut umzuleiten und in dauerhaften politischen Druck zu verwandeln, wie es früher Gewerkschaften und linke Parteien konnten."

Magazinrundschau vom 12.07.2011 - Salon.eu.sk

In der slowakischen Zeitung Sme (ins Englische übersetzt von Salon.eu.sk) erinnert sich die Journalistin und Filmemacherin L'uba Lesna an ihre Verwandten, die unter fleißiger Mithilfe von Slowaken in deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden. Ausgerechnet dem größten slowakischen Nazi-Symphatisanten, Ferdinand Durcansky, hat man jetzt in der Stadt Rajec ein Denkmal errichtet: "Im Oktober 1938 repräsentierte er Tisos Regierung in einem Treffen mit dem Gestapogründer Hermann Göring. Laut Aussage überlebender deutscher Quellen versprach er Göring: 'Das jüdische Problem wird in einer ähnlichen Art und Weise gelöst werden wie in Deutschland.'" Lesna bittet freundlich um Abriss des Denkmals.

Magazinrundschau vom 05.04.2011 - Salon.eu.sk

In Lidove noviny wundert sich der Autor Jachym Topol (hier auf Englisch), dass Vaclav Havels Film "Abgang" von der tschechischen Filmkritik so harsch kritisiert wurde (mehr hier). "Wir leben in einer Welt voll verrückter Wendungen. Es genügt, sich beim Verlassen des Kinos daran zu erinnern, dass unser derzeitiger Herrscher, ein Experte für alles, sich die Hände reibt, während er die Listen seiner Feinde überprüft, die vergleichbar sind mit jenen Listen, die die kommunistische Geheimpolizei zusammengestellt hat. Oder dass es möglich ist, einen Kulturminister zu haben, der unfähig ist, einen schlüssigen Satz zu formulieren und statt dessen nur Hass versprüht. Oder dass ein Herr in hoher Position behauptet, er stamme nicht von Affen ab, sondern vermutlich von Außerirdischen. Himmel! Wo immer man in Tschechien hinsieht, findet man genug Material für weitere Vaudevilles."

Magazinrundschau vom 29.03.2011 - Salon.eu.sk

Andrzej Stasiuk besuchte die Basilika der Muttergottes von Lichen und erlitt einen Schock: "Jesus, sie war riesig. Riesig und schön wie irgendeine Hure aus Babylon. Sie ließ dir keine Chance. Man konnte nur auf die Knie fallen und sich unterwerfen." Es war genauso wie 1965, als Fünfjähriger, in der Kirche am Szembek Platz. "Ich verstand überhaupt nichts. Ich stand mitten im Hauptschiff und fühlte mich winzig. Ich stand da und fragte mich, was die Heilige Jungfrau unter ihrem weiß-blauen Kleid trug. Das half mir durch die langen Stunden. Jeder musste sich dasselbe gefragt haben. Vor allem die Priester."
Stichwörter: Stasiuk, Andrzej

Magazinrundschau vom 22.03.2011 - Salon.eu.sk

Viktor Jerofejew gehört zu den Autoren, deren Namen man in Weißrussland nicht nennen darf. In einem sarkastischen kleinen Text grüßt er die Diktatoren und fragt, warum die Russen gegenüber dem Schicksal der Weißrussen so gleichgültig sind. Die Antwort gibt er gleich selbst: "In diesem Land haben wir kein Mitleid mit anderen. Europa, Amerika, die arabische Welt, alle regen sich auf über den Diktator Gaddafi, aber in diesem Land hörst du kaum einen Piep. Alle bleiben stumm. Offiziell spielt Moskau den Protest nur herunter und beschwört das Gespenst der Islamisierung oder gar der orangen Revolution. Hier liegt die Wasserscheide. Gaddafi verdient keinen Tadel."

Magazinrundschau vom 01.02.2011 - Salon.eu.sk

Triest ist eine melancholische Stadt, schreibt Jacek Dehnel in Polityka (von salon.eu.sk ins Englische übersetzt). Ein Beweis dafür sind ihm die vielen finsteren Familienmuseen, die reiche Kaufleute hinterlassen haben. "Dunkle Teppiche, düstere Ebenholzmöbel mit Messingbeschlägen, gigantische Kandelaber, Kamine aus Porphyr mit Glashauben, unter denen die Uhren lange aufgehört haben zu ticken. 600 Meter lange Hallen. Das Musikzimmer, in dem jeder Zoll Wand mit dunklen neogothischen Vertäfelungen überzogen ist. Das Herrenzimmer: ein schwarzer Schreibtisch umgeben von schwarzen Stühlen mit schwarzen Überzügen über den Armlehnen, mit einer dunklen Wand und düsteren Vorhängen, die von einer schwarzen Schiene herabhängen. Das Damenzimmer dekoriert in Babyblau und Weiß, ganz gefällig auf den ersten Blick, mit Spiegeln und Porzellanvasen - aber wenn man näher hinsieht, ist jede Farbe gebrochen und alles ist mit einer dicken Schicht von Traurigkeit überzogen. Alles riecht nach nach Rauch und Verfall. Getrennte Ehebetten. Porträts von geisterhaften, körperlosen Verwandten. Mörderische Bommeln an den Vorhängen, tödliche Polster auf den Armlehnen, jedes Möbelstück ist offensichtlich mit Arsen getränkt."

Magazinrundschau vom 25.01.2011 - Salon.eu.sk

In der englischen Übersetzung eines im Original in Elet es Irodalom erschienenen großen Aufsatzes stellt der Essayist Laszlo Földenyi die von Liberalismus und Demokratie weit entfernte Gegenwart Ungarns vor den finsteren Horizont von Jahrzehnten Diktatur, Korruption und Antisemitismus: "Nach 1945 nannte das kommunistische Regime die Juden nicht beim Namen, schwieg zur bereitwilligen Kooperation Ungarns mit der nazistischen Vernichtungsmaschinerie und kehrte alles unter den Teppich, statt sich den Fakten zu stellen. Die Horthy-Periode war charakterisiert durch eine antidemokratische Mentalität, die zynische Umgehung des Justiz- und Institutionensystems, die Unterdrückung individueller Initiative und die komplette Verachtung für alle Spielregeln. Und Kadar und seine Kameraden machten genau da weiter und setzten das manipulative Spiel sehr geschickt fort. Die Kultur der Verantwortungslosigkeit und Amnesie hat sich als mächtiger denn alles andere erwiesen. Ja, ich glaube, wir befinden uns noch immer mitten darin. Es sieht ganz so aus, als hätte diese jahrhundertealte Mentalität die Veränderungen von 1989 unbeschadet überlebt. Es hat den Anschein, als sollte sie - angereichert mit einem Rassismus, der manchmal offen, manchmal verdeckt in eine politische Kraft verwandelt auftritt - weiterhin dafür sorgen, dass sämtliche Voraussetzungen einer liberalen Demokratie im Keim erstickt werden."
Stichwörter: Liberalismus, Rassismus, Teppiche

Magazinrundschau vom 11.01.2011 - Salon.eu.sk

Der Autor und Journalist Andrei Dynko beschreibt in einem E-Mail- Interview die Proteste gegen Weißrusslands Autokraten Aleksandr Lukaschenko: "Es herrschte eine großartige Atmosphäre. Viele Menschen waren gekommen, auch wenn es für viele offenbar eine einmalige Aktion war und sie die Proteste wohl nicht fortsetzen werden. Auf der anderen Seite schien es zum ersten Mal seit vielen Jahren so, als hätten die Menschen ihre Angst besiegt. Das war etwas Neues. Die Opposition wurde zum ersten Mal sichtbar und kam mit den Menschen von der Straße ins Gespräch. Trotzdem, wenn Repression folgt, kehrt die Skepsis zurück. Das Wichtigste ist jetzt, die Menschen aus der Haft zu bekommen und die Freiheit des Internets zu sichern."

Magazinrundschau vom 14.12.2010 - Salon.eu.sk

Der weißrussische Essayist Andrei Dynko bereitet uns auf eine neue Wandlung des Autokraten in Minsk vor, auf Lukaschenko 4.0. Zuerst wollte er den russischen Thron erobern, dann verhinderte er jegliche Demokratisierung und schließlich wurde er wirtschaftsfreundlich. Dass er jetzt weitere Reformen in Aussicht stellt, lässt Dynko kalt: "Lukaschenko, ein geborener Populist, wusste immer der öffentliche Meinung zu folgen. 1995 waren 70 Prozent der Bevölkerung für eine Wiederbelebung der UdSSR, heute liegt die Zahl bei kaum 10 Prozent: dreimal weniger als in der Ukraine. Lukaschenko ist weder ein Vater der Nation noch ein Stalin. Er ist der Vater einer unabhängigen Nation. Lukaschenko verlangt nur eine Sache im Austausch für ökonomische Freiheiten: Rührt meine Autorität nicht an."