Die Diskussion um die Vergabe des wichtigsten spanischsprachigen Literaturpreises, des
Premio Cervantes, an den chilenischen Dichter
Gonzalo Rojas dauert an. Viele meinen, dass diese Auszeichnung eher an seinen ebenfalls schon über 80-jährigen Landsmann und Poeten
Nicanor Parra (
mehr) hätte gehen sollen. Die beiden werden schon seit Jahrzehnten als Konkurrenten wahrgenommen und können sich auch nicht besonders gut leiden. In der Literaturbeilage des chilenischen
El Mercurio erzählt Rojas, wie es 1958 zu dem Zerwürfnis kam: Parra hatte sich in einem Interview abfällig über ihn geäußert, und er rächte sich mit einem bitterbösen Gedicht, das er auch noch
"Grazie und Unglück eines Antipoeten" nannte. "Das hat uns getrennt", meint Rojas heute. Im Unterschied zu vielen Kommentatoren sieht er das aber nicht so eng: "Er ist ein
Grundstein, und ich auch" (der chilenischen Poesie, ist anzunehmen).
Was als Geplänkel zwischen altehrwürdigen Dichter daherkommt, hat einen ernsteren Hintergrund wie Romancier
Alberto Fuguet beschreibt : die außerordentlich
hochdotierten spanischen Literaturpreise bringen eine zweischneidige mediale Aufmerksamkeit mit sich. "Das ist nichts für Schwächlinge. Da muss man stark sein,
sehr stark, und sehr dickhäutig. Ein Preis garantiert nichts als Lärm, Polemik und Skandal. Wenn Politiker, Preister, Manager, Generäle, Sportler und Fernsehmoderatoren zu Fall gebracht werden, warum nicht auch Schriftsteller", findet Fuguet. Ganz falsch sei es, wie Gonzalo Rojas so zu tun, als sei ihm der
Ruhm egal. Berühmte Schriftsteller sollten vielmehr dazu stehen, dass sie dergestalt zu Lesern kommen, und auch alle Konsequenzen tragen: "Regel Nummer eins: wenn du im Rampenlicht stehen willst, verinnerliche, dass sie dich
nicht nur ansehen, sondern möglicherweise
auch verbrennen werden."
Fuguet, der noch nicht ins Deutsche übersetzt worden ist, obwohl er einen wunderbaren Roman über
chilenische Boulevardjournalisten geschrieben hat (
"Tinta Roja"), kann mit
Antonio Skarmeta noch ein weiteres Beispiel anführen. Der ehemalige chilenische Botschafter hat jüngst für seinen neuen Roman, "El baile de la victoria", ebenfalls einen Preis bekommen. Und nicht irgendeinen: mit sagenhaften
601.000 Euro ist der
Planeta die höchstdotierte spanischsprachige Auszeichnung. Allerdings ist weithin bekannt, dass es bei der Auswahl mehr um Vermarktung als um Qualität geht. Der literarisch interessierten Öffentlichkeit ist der
Planeta-Preis deswegen suspekt. Davon kann Skarmeta mittlerweile ein Lied singen, denn sein Buch über "Liebe und Freundschaft" ist von der Kritik
gnadenlos verrissen worden (hier eine noch wohlwollende
Besprechung, die den ein oder anderen "interessanten" Aspekt ausmacht). "Wäre der Roman nicht preisgekrönt worden und in einem anderen Verlag und in einem anderen Jahr erschienen, würde es dem Autor jetzt vielleicht besser gehen", meint Fuguet, der allerdings ebenso davon überzeugt ist, dass die Kritiker "Skarmeta nicht so leicht
fertigmachen werden".