Magazinrundschau - Archiv

Prospect

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Magazinrundschau vom 11.09.2012 - Prospect

Nach den Skandalen bei der Stimmenauszählung in Florida im Jahr 2000, könnte der Bundesstaat auch bei dieser Präsidentenwahl wieder wahlentscheidend sein oder gar Schlagzeilen machen, fürchtet Diane Roberts. Hintergrund ist ein von Republikanern verschärftes Wahlgesetz, das die im Zuge der Erfahrungen aus dem Jahr 2000 eingeführten Liberalisierungen weitgehend zurückgenommen hat. "Sobald das Gesetz im Mai [2011] in Kraft getreten war, ging die Zahl der neuen Wahlregistrierungen stark zurück. Obwohl die Einwohnerzahl Floridas in den vergangenen vier Jahren gestiegen ist, ist die Zahl der Leute, die sich für eine Wahlkarte eingetragen haben, ohne die sie ihre Stimme nicht abgeben können, um 81.000 gesunken. Diverse Rechtsgruppen legten Klage ein. Ein verärgert klingender Richter, der einen Großteil des Gesetzes für ungültig erklärte, kommentierte: 'Wenn es das Ziel ist, die Leute von dem für die Wahlregistrierung nötigen Amtsweg abzuhalten und es damit neuen Wählern zu erschweren, sich zu registrieren, so scheint hierfür ein erfolgreicher Weg gefunden. Ansonsten gibt es wenig Grund für solche Auflagen.' Unglücklicherweise erlaubt es jener Teil des Gesetzes, den der Richter nicht annulliert hat, dem Staat, eine frühe Stimmabgabe auszuschließen. Zuvor war es möglich, seine Stimme schon zwei Wochen vor dem Wahltag beim Gericht zu hinterlegen. Diese Periode wurde nun auf acht Tage beschränkt."
Stichwörter: Florida

Magazinrundschau vom 24.07.2012 - Prospect

Tom Phillips, der lange Zeit als britischer Botschafter im Nahen Osten tätig war, legt in zehn Punkten dar, warum es seiner Ansicht nach im israelisch-palästinensischen Konflikt keinen Frieden und keine Zwei-Staaten-Lösung geben kann: Keine Seite ist zum Kompromiss bereit, wie er enttäuscht in darlegt. "Ich kann mir keine amerikanische Regierung vorstellen, die in der Lage wäre, die Israelis zu den Maßnahmen zu drängen, die schlussendlich im Interesse Israels wären. Ich kann mir keine israelische Regierung vorstellen, die in der Lage wäre, die Maßnahmen zu ergreifen, um die Siedlerbewegung in der West Bank und Ost-Jerusalem zu bremsen, um eine zukunftsfähige Zwei-Staaten-Lösung zu erzielen. Es fällt mir schwer, mir eine interne palästinensische Führung vorzustellen, die über die nötige Autorität für Zugeständnisse im Bereich des Rechts auf Heimkehr verfügt, ohne das kein Israeli ein Friedensabkommen unterstützen würde. Und es ist schwierig, eine arabische Regierung kommen zu sehen, die dazu bereit wäre, die Arabische Friedensinitiative auch tatsächlich in Angriff zu nehmen."

Außerdem: Im Zuge der Olympischen Spiele rüstet die britische Polizei auch ihre Kompetenzen zur Überwachung subversiver Social-Media-Aktivitäten auf, beobachtet Jamie Bartlett. Clarissa Far skizziert, welche neuen Herausforderungen Digitalisierung und Vernetzung heute für Hochschulabsolventen darstellen, die sich nicht mehr, wie noch in den 70ern, auf gesichert lukrative Jobangebote nach ihrem Studium verlassen können.

Magazinrundschau vom 10.07.2012 - Prospect

Während sich in Old Europe die Universitäten noch etwas zieren, ihre Vorlesungen und Seminare einer breiten Öffentlichkeit online anzubieten, blüht diese neue Form akademischer Wissensvermittlung in den USA gerade prächtig auf und wird von Menschen aller Nationen (außer Nordkorea) rege genutzt, beobachtet Kevin Charles Redmon in einer Reportage, für die er sich mit Hilfe von Youtube und einem speziellen Online-Seminarsystem in Stanford zum Preis von einigen Litern Starbucks-Kaffee in der hohen Kunst der Suchmaschinenprogrammierung hat ausbilden lassen. "Die Universitäten waren einst argwöhnisch, ihre Seminare online freizugeben. Bestenfalls raubten die Videos Serverplatz und den Professoren Bürostunden; schlimmstenfalls würden sie den Ivy-League-Status verwässern. Heute hat sich das Kalkül gewandelt. Unternehmungslustige Akademiker sind versessen darauf, mit ihrer Forschung zu protzen oder auf eine Bühne vor 10.000 Studenten zu treten. Die Verwaltung wiederum bemerkt, dass es den Status einer Universität nicht beeinträchtigt, wenn man das Netz umarmt - im Gegenteil, es offenbart eine visionäre Führungsposition, was in eine erfolgreichere Akquise von Finanzmitteln umschlägt. Und ehrlich, when Harvard beschließt aufzutrumpfen, welche Möglichkeit bietet sich einem da noch, außer mitzuziehen?"
Stichwörter: Nordkorea, Youtube, Die Räuber

Magazinrundschau vom 17.07.2012 - Prospect

Liegt die Irrationalität des Finanzmarkts vielleicht in der Biologie begründet? Jedenfalls lassen sich die Abläufe im Finanzgeschäft nicht bloß mit der mal besseren, mal schlechteren Auffassungsgabe der Akteure erklären, findet John Coates und schlägt vor, auch die körperlichen Voraussetzungen hochgepushter Stocktrader an den Börsen zur Erklärung von irrationalem Verhalten an der Börse zu berücksichtigen: "Wenn Händler sich einer ausgedehnten Gewinnsträhne erfreuen, erleben sie ein High, das auf mächtige Weise berauschend wirkt und schwer zu kontrollieren ist. Jeder Trader kennt das Gefühl und sie alle fürchten seine Folgen. Unter seinem Einfluss neigen sie dazu, sich unbezwingbar zu fühlen und sich zu so dummen Käufen hinreißen zu lassen, dass sie dabei am Ende mehr Geld verlieren als sie zuvor in der Gewinnsträhne eingefahren haben, die dieses Allmachtsgefühl überhaupt erst entflammt hat. Man muss sich dessen bewusst werden, dass Händler, die sich auf so einem Höhenflug befinden, Händler unter dem Einfluss einer Droge sind, die sie in andere Menschen verwandeln kann. Und vielleicht ist diese Chemikalie, welche es auch immer sein mag, für viele der Dummheiten und extremen Verhaltensformen verantwortlich zu machen, die mit Wirtschaftsblasen einhergehen, mit Leuten, die sich in verhängnisvolle Wahnvorstellungen, in verwirrten Identitäten und mit vertauschten Partnern verlieren, bevor das kalte Licht der Morgendämmerung die Welt zurück in den Fokus bringt."
Stichwörter: Finanzmärkte, Geld

Magazinrundschau vom 12.06.2012 - Prospect

Vor 10 Jahren begann die erste Staffel der vielgepriesenen HBO-Serie "The Wire". Seitdem ist es in den USA auch für Politiker von höchstem Rang schon aus Imagegründen längst Usus geworden, sich der Reihe von "The Wire"-Verehrern anzuschließen, beobachtet John Gray, der neben dem politischen Diskurspotenzial der Serie über die Auswirkungen der US-Drogenpolitik auf die Stadt Baltimore noch weitere Qualitäten gewürdigt wissen will: "Eine der größten Leistungen der Serie blieb bislang weitgehend übersehen. 'The Wire' zeichnet auf vernichtende Weise ein Porträt des Lebens in Amerikas Innenstädten ohne Aussicht auf Erlösung. Sie zeigt keinerlei Glauben in den schlussendlichen Triumph der Justiz und die rettende Kraft des Guten, der in den meisten hartgesottenen Thrillern zu finden ist. (...) 'The Wire' ist eine griechische Tragödie, in der die postmodernen Institutionen die Funktion der olympischen Kräfte übernommen haben. Die Polizeibehörde, die Drogenwirtschaft, die politischen Strukturen, die Schulverwaltung oder makroökonomischen Kräfte sind es, die hier die Blitze schleudern."

Dazu passend: In Maxim stehen die Macher und Darsteller von "The Wire" in einer ausführlichen oral history der Serie Rede und Antwort.

Magazinrundschau vom 08.05.2012 - Prospect

Tom Streithorst kann sich über die guten Kritiken für die seiner Meinung nach psychologisch unglaubwürdige und schlecht recherchierte TV-Serie "Homeland" nur wundern: Der behauptete Realismus der Serie über CIA-Agenten im Irak verpuffe zu bloßer "Fantasy". Umso mehr schätzt Tom Streithorst die israelische Serie "Hatufim", auf der "Homeland" lose basiert: "Deren Vorteil besteht darin, dass sie in der Realität fest verankert ist. ... Ich glaube nicht, dass sich CIA-Agenten so verhalten, wie 'Homeland' es vorgibt, aber ich bin mir sicher, dass aus der Gefangenschaft nach Hause zurückkehrende Israelis und deren Familien sich so verhalten, wie 'Hatufilm' es zeigt. ... 'Homeland' fühlt sich an wie ein Cartoon, weil sich in gewisser Hinsicht auch der 'War on Terror' der USA so anfühlt. Das ist auch der Grund, warum 'Team America: World Police' von 2004 der beste Film über diese Zeit bleibt. 'Hatufim' ist real, weil die Auseinandersetzungen in Israel, ob man mit dem Land sympathisiert oder nicht, real sind."

Außerdem: Martin Rees freut sich, dass einige an Science Fiction grenzende Theorien über die Beschaffenheit des Universums zunehmend ernsthaft in der Kosmologie diskutiert werden.

Magazinrundschau vom 27.03.2012 - Prospect

Der anglo-amerikanische Linksliberalismus scheint - und dies sehr zurecht - den Kampf um die Kultur gewonnen zu haben, schreibt David Goodhart anlässlich zweier Buchveröffentlichungen von Jonathan Hait und Richard Sennett zum Thema. Doch wenn er die Rechte stoppen will, die überall in Europa auf dem Vormarsch sei, muss er sich in etwas verwandeln, das Goodhart als Post-Liberalismus beschreibt: "Post-Liberalismus, darin dem Gelobten Land im Sinn einer post-ethnischen Politik sehr ähnlich, strebt nicht danach, alte Kämpfe nochmals auszufechten, sondern von errungenen Siegen aus weiterzuziehen. Sein Anliegen ist nicht, Gleichstellungsgesetze aufzuheben oder die Marktwirtschaft abzulehnen, sondern darüber nachzudenken, woher der soziale Kitt für eine fragmentierten Gesellschaften kommen könnte. Am Ende billigt er Autoritäten und die Bewahrung heiliger Werte genauso, wie er Leid und Ungerechtigkeit benennt. Eher erkennt er die Tugenden an, die in partikularen Loyalitäten, inklusive der zur Nation, liegen, als sie zu Vorurteilen zu erklären. Und er stebt danach, diese Überlegungen in der ökonomischen wie in der sozialen Sphäre anzuwenden."

Außerdem: Michael Coveney fragt sich, ob eine neue Aufführung von Eugene O'Neills "Eines langen Tages Reise in die Nacht" auch heute noch funktioniert, nachdem das lange nicht gespielte Stück heute in eine von epigonalen und motivisch nahen Stücken bestimmte Theaterszenerie tritt.

Magazinrundschau vom 03.04.2012 - Prospect

Dan Levin porträtiert die chinesische Schauspielerin Yao Chen, die den Twitter-Clon Sina mitunter auch für Spitzen gegen die Obrigkeit ihres Landes nutzt: "Yao lässt sich schwer mit Dissidenten wie Ai Weiwei und Liu Xiaobo vergleichen, die erhebliche Risiken auf sich genommen haben, um gegen Chinas autoritäte Regierung zu protestieren und dafür inhaftiert - oder schlimmeres - wurden. Sie ist ist Teil der Mainstreamgesellschaft und nicht daran interessiert, ihre Karriere, geschweige denn ihre Freiheit, durch überdeutliche Ansagen aufs Spiel zu setzen. Doch gerade die Tatsache, dass sie ein Filmstar ist, machen ihre kleinen Abweichungen vom obrigkeitstreuen Protokoll so signifikant. Es handelt sich dabei um einen Drahtseilakt, der die ungewissen und ständig in Bewegung befindlichen Grenzen dessen symbolisiert, was sich im China des 21. Jahrhunderts sagen lässt, wo die Nutzer, der Zensur zum Trotz, im Begriff sind, die Macht des Netzes zu nutzen, um ihr Land zu verbessern."

Außerdem: Philip Hunter hat sich neuere Studien zu Gemüte geführt, derzufolge die IQs in westlichen Gesellschaften, allen bisherigen Trends zum Trotz, in jüngster Zeit stagnieren oder sogar sinken. Peter Hitchens macht sich in seiner Kolumne erhebliche Sorgen darüber, dass die britische Polizei vermehrt autoritär und repressiv auftritt.
Stichwörter: Ai Weiwei, Dissidenten, Liu Xiaobo

Magazinrundschau vom 13.03.2012 - Prospect

Julia Lovell hat sich zwei neue chinesische Literaturmagazine mit ins Englische übersetzten Supplements angesehen: Das mit Regierungsgeldern finanzierte Pathlight (hier) und das privat getragene Chutzpah (hier). Beide bringen Kurzgeschichten chinesischer Autoren, die Lovell sehr interessant findet: "Obwohl die britischen Verlage auf Romane fixiert sind, lässt sich das Talent chinesischer Schriftsteller weit besser anhand ihrer Kurzgeschichten demonstrieren. Das heutige China ist nicht der geeignete Ort dafür, jene professionelle Hingabe zu bestärken, die für das literarische Handwerk der gelungenen langen Form nötig ist. Autoren überarbeiten ihre Texte selten; die Verleger redigieren kaum; sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, zu bloggen, Filme zu drehen oder dem nächsten großen literarischen Trend hinterherzujagen. Die Kurzgeschichte ist die ideale literarische Form in einem Land, das so akut am Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom leidet: lang genug, um ein Sinnfragment dieses verwirrenden Landes zu erhaschen; (gewöhnlich) knapp genug, um die Autoren von melodramatischen Plotscharnieren oder schlampigen Beschreibungen abzuhalten. Will man verstehen, welches Bild sich Chinas Literaten von ihrem Land machen, so sollte man deren Kurzgeschichten lesen, nicht deren Romane. Die Zusammenstellungen von Chutzpah und Pathlight sind dafür ein guter Ausgangspunkt."

Außerdem lässt Kevin Jackson die Rezeptionsgeschichte Edgar Allan Poes unter europäischen Intellektuellen Revue passieren, die er maßgeblich dafür verantwortlich macht, dass Poe als mittelmäßiger Autor in den Rang eines Weltliteraten aufsteigen konnte.
Stichwörter: Aufsteiger, Poe, Edgar Allan

Magazinrundschau vom 20.03.2012 - Prospect

Leo Benedictus macht eine neue, starke Strömung in der englischsprachigen Gegenwartsliteratur aus: Handwerklich souverän gefertigte Romane, deren Ich-Erzähler sprachlich gehandicapt sind, wie etwa in Mark Haddons Roman "Supergute Tage oder die sonderbare Welt des Christopher Boone": Diese literarische Form bildet ihm zufolge "das Genre, das unsere Zeit definiert. ... Deren Erzähler sind auffällig machtlos, oft Kinder oder eingeschränkte Menschen; für gewöhnlich ist deren Prosa voller Fehler (oder was der Leser bis dahin für solche hielt). Sie sind, kurz gesagt, die unwahrscheinlichsten Autoren der Welt. ... Indem sich diese Romane das Leben innerhalb eines fremdartigsten Verstandes ausmalen, beuten sie das Potenzial der Literatur zum psychischen Tourismus - deren 'Killer-App' - auf gründlichere Weise aus als jede andere Art des Schreibens. Dies könnte ihren Erfolg auf Kosten anderer Formen erklären. Womöglich muss sich der Roman, als Nebenbuhler im Kampf um die öffentliche Aufmerksamkeit neben Fernsehen, Smartphones und dergleichen positioniert, genau auf das konzentrieren, was andere Medien nicht vermögen."

Außerdem: Dj Taylor porträtiert den Autor und Literaturkritiker Peter Ackroyd.