Magazinrundschau - Archiv

Le point

157 Presseschau-Absätze - Seite 4 von 16

Magazinrundschau vom 02.03.2010 - Point

Aus Anlass des Erscheinens des Sammelbands "Une tombe au creux des nuages" mit Vorträgen zu den Themen Europa und Erinnerung, erklärt der Schriftsteller Jorge Semprun in einem Gespräch, weshalb er das Wort Shoah nicht besonders mag: Weil dieser etwas antiquierte hebräische Ausdruck die irrationale Seite des Antisemitismus betone, auch wenn er nicht ganz so "unanständig" sei wie der Begriff Holocaust, der "willentliches Opfer" bedeute. Er bevorzuge das klare Wort "Vernichtung". Semprun äußert sich auch zur Bedeutung des Schriftstellers für die Bewahrung der Erinnerung an die Judenvernichtung und die Auseinandersetzung zwischen Yannick Haenel und Claude Lanzmann: "Warum sollten nur Historiker oder Soziologen darüber berichten? Nur der Romanautor kann die Erinnerung wieder lebendig werden lassen, indem er sich ihrer in einem fiktiven Werk bemächtigt... Ich befürworte [Haenels Buch] prinzipiell und unterstütze vor allem seine Vorgehensweise. Wenn die jungen Romanautoren sich nicht mehr der Erinnerung bemächtigen dürfen, wird sie willkürlich und feierlich. In der Literatur gibt es kein Tabu, allerdings moralische Regeln, an die sich jeder halten muss. Das heißt, dass diese Debatte ein anderes Problem aufwirft, das man irgendwann anschneiden muss: Ist Claude Lanzmann der Einzige, der das Recht hat, über die Shoah zu sprechen?"

Magazinrundschau vom 23.02.2010 - Point

In seinen Bloc-notes erklärt Bernard-Henri Levy, weshalb er unbedingt für ein Gesetz gegen das Tragen der Burka in Frankreich ist. Die sei nämlich mitnichten ein Kleidungsstück, sondern eine "Botschaft der Unterwerfung, Versklavung, Vernichtung und Niederlage der Frauen." Levy wendet sich besonders gegen das Argument, dass viele Frauen sich aus freiem Willen unterwerfen. "Mag sein. Nur war die freiwillige Versklavung nie ein Argument. Der glückliche Sklave, die glückliche Sklavin konnte die grundsätzliche, wesentliche, ontologische Schande der Sklaverei niemals auswischen... Sämtliche Bekämpfer der Sklaverei in der Geschichte geben uns die Argumente gegen jene kleine zusätzliche Infamie an die Hand, die darin besteht, die Opfer zu den Verantwortlichen für ihr eigenes Unglück zu machen."

Magazinrundschau vom 19.01.2010 - Point

Der Darfur-Konflikt geht ohne großes Interesse der Öffentlichkeit weiter. Bernard-Henri Levy sieht in Le point die Sudan Liberation Army unter Abdul Wahid al Nur, die den Mörderbanden des Sudans Widerstand leisten, als Vertreter eines gemäßigten Islams - und als von der Weltöffentlichkeit im Stich gelassen: "Wir hatten hier das Beispiel eines Islams ohne Burqa, ohne Scharia, wo Jungen und Mädchen auf die gleichen Schulen gingen - ich kann es bezeugen. Und dieses Wunder, das doch eigentlich unseren Wünschen entspricht, dieser lebende Beweis, dass eine nicht-fundamentalistische muslimische Gesellschaft möglich ist und dass eine Partei wie die Al Nurs Islam Und bürgerliche Gesellschafdt zusammenbringen kann, hatten wir vor Augen - und haben wir sterben lassen."

Magazinrundschau vom 12.01.2010 - Point

In seinen Bloc-notes erklärt Bernard-Henri Levy, weshalb die Debatte über nationale Identität unverzüglich beendet werden müsse: weil sie auf die Initiative eines Staatspräsidenten zurückgehe. "Sie wurde staatlich verordnet. Erzwungen. Eine gesteuerte, angeleitete, von allen Seiten verbrämte, kontrollierte Debatte. Gerade weil man die Debatte liebt, weil man daran glaubt, dass es keinen Gedanken, keine Meinungen, keine Gewissheiten gibt, die es nicht verdienten, in einer wirklich freien Debatte mit feinem Stachel erschüttert zu werden, muss man diese falsche Debatte ablehnen, diese Karikatur einer Debatte."

In einem lesenswerten Interview spricht der Künstler Christian Boltanski über sein Kunstverständnis ("Das Leben ist berührender als die Kunst") und seine jüngste Arbeit: Er hat sein Leben einem australischen Kunstsammler verkauft.

Magazinrundschau vom 20.10.2009 - Point

In seinen Bloc-notes erklärt Bernard-Henri Levy, weshalb er Polanski verteidigt. Heute einen Mann einzusperren, der kein Pädophiler ist und für seine Tat bereits im Gefängnis saß, ihn wie einen Terroristen zu jagen und wie einen "alten Nazi" auszuliefern, entspreche zwar möglicherweise dem Buchstaben des Gesetzes, habe aber mit Gerechtigkeit sicher nichts zu tun. Den "Herren Richtern" schreibt er ins Stammbuch: "Entweder war Polanski ein Monster – dann hätte man ihm keinen Oscar und keinen Cesar zuerkennen dürfen; man hätte ihn jedes Mal bei den Behörden anzeigen müssen, wenn er mit seiner Familie Ferien in seinem Schweizer Haus machte. Aber Sie hatten an seinen Auftritten auf den roten Teppichen sämtlicher Filmfestivals dieser Welt niemals etwas auszusetzen. Und spüren ebenso wie ich die immense Scheinheiligkeit dieses Staatsanwalts, der nach Anerkennung und Ruhm giert, der eines Morgens aufsteht, um ihn wie eine Trophäe der Anprangerung durch weißglühende Wähler auszuliefern – man sollte, genau wie sein Opfer, beten, dass man ihn endlich in Frieden lässt."

Magazinrundschau vom 06.10.2009 - Point

Seine Bloc-notes widmet Bernard-Henri Levy in dieser Woche der Frage, warum und wie die Taliban in Afghanistan zu besiegen seien. Levy bereiste das Land kürzlich und wendet sich entschieden gegen das Klischee, wonach es sich beim dortigen Einsatz lediglich um einen französisch-amerikanischen Krieg handle, in dem die Afghanen nur Statisten seien. "Wirklich Besatzungsmacht? Neokolonialismus, wie die nützlichen Idioten der Islamischen Fortschrittsbewegung behaupten? Armeen haben genau wie Völker ein Unterbewusstsein. Ich bestreite nicht, dass die Versuchung bestehen könnte. Aber was ich dort beobachte, ist, im Moment zumindest, das: eine Militärmacht, die es den Menschen im Wortsinne erlaubt zu wählen und den demokratischen Prozess zu verstärken. (...) Ich habe natürlich nicht alles gesehen. Aber immerhin das: einen hässlichen Krieg, wie alle Kriege; einen gerechten Krieg; besser geführt, als man ihm nachsagt; den die afghanischen Demokraten gemeinsam mit ihren Verbündeten gewinnen können."

Magazinrundschau vom 14.07.2009 - Point

Nach dem Dresdner Hassverbrechen, auf das die Öffentlichkeit mit einer seltsamen, aber offensichtlich immer wieder charakteristischen Trägheit reagiert, ist es interessant, die Kolumne von Bernard-Henri Levy in Le Point zu lesen, die an ein anderes Hassverbrechen erinnert: die grausige Ermordung des jungen Juden Ilan Halimi durch eine Gang in einer Pariser Vorstadt im letzten Jahr. "Wir werden in Erinnerung behalten müssen, dass Frankreich ein Land ist, in dem ein Mann - genau wie Daniel Pearl in Karachi - mit Wissen eines ganzen Wohnviertels festgehalten, von einem Ort an den anderen transportiert, ausgehungert und ernährt, auf kleiner Flamme umgebracht, gefoltert und nochmal transportiert werden kann - und das 24 Tage lang." Die Urteile im Prozess gegen die Gang sind inzwischen gefallen, berichtet Le Monde.

Magazinrundschau vom 30.06.2009 - Point

Mit dem Mantra "Egal, was passiert" buchstabiert Bernard-Henri Levy in seinen Bloc-notes die Konsequenzen durch, die die Proteste in Teheran haben werden. "Egal, was passiert, in Teheran wird nichts mehr sein wie vorher. (...) Egal, was passiert, das Volk weiß von nun an, dass es das Volk ist und keine Macht der Welt lässt sich gegen das Volk aufrecht halten. Egal, was passiert, in der Hitze der friedlichen Demonstrationen hat sich ein politischer Körper gebildet, und selbst wenn er zu flüstern und zu stagnieren scheint, selbst wenn die Mörder meinen, jubilieren zu können, ist er ein neuer Akteur, der die Bühne betreten hat und ohne den es keine Fortschreibung der Geschichte des Landes geben wird. (…) Egal, was passiert, der Kaiser ist nackt. Egal, was passiert, das Regime der Ayatollahs ist über kurz oder lang dazu verurteilt, Kompromisse einzugehen oder zu verschwinden. (...) Die Erde in Teheran bebt, und das ist, jede Wette, erst der Anfang."

Magazinrundschau vom 23.06.2009 - Point

"An der Seite des iranischen Volks, jetzt mehr denn je" überschreibt Bernard-Henri Levy seine Bloc-notes, in denen er sich mit den Wahlen und den Demonstrationen in Teheran beschäftigt. Zwar hat er Zweifel an Mussawi, der sich von Achmadinedschads Holocaust-Leugnung nicht distanzierte, aber er will die iranische Zivilbevölkerung unterstützen. "Kurz: die Aufsässigen gegen die Betrüger. Die Blogger und Witzbolde gegen die grau gewordenen Gralshüter des militärisch-islamistischen Apparats. (...) Wir haben eine klare Verpflichtung. Das haben wir einst auch mit der UDSSR getan. Nach Jahrzehnten der Feigheit hatten wir endlich begriffen, dass der Totalitarismus seine Stärke immer nur aus unserer Schwäche bezieht. (...) Im Iran gibt es eine Entsprechung zu den Dissidenten. Sie sind, wie wir gerade feststellen, unendlich zahlreicher und stärker als zu Sowjetzeiten. Sie sind es, derer man sich annehmen muss."

Magazinrundschau vom 12.05.2009 - Point

Der postkoloniale Komiker Dieudonne hat Frankreich Ende letzten Jahres in eine gewisse Aufregung versetzt, weil er in einer seiner Shows den Holocaust-Leugner Robert Faurisson mit einem Preis für political incorrectness auszeichnete (die Aufregung war allerdings längst nicht so groß wie später beim holocaustleugenden Bischof Williamson). Nun legt Dieudonne nach und verspricht, mit einer "antizionistischen" Liste (mehr hier) bei den Europawahlen anzutreten. In Le Point erscheint ein Porträt des Stand Up-Comedian: "Er beruft sich auf ein 'Marketing des Skandals', über das er gern theoretisiert und das er mit Strategien der zeitgenössischen Kunst vergleicht... Er sieht sich als eine Art Maurizio Cattelan des Lachens und beruft sich auf die provokanten und umstrittenen Installationen des Künstlers (eine Hitlerstatue als betendes Kind, ein Elefant in Ku Klux Klan-Verkleidung). So soll man auch seine Idee verstehen, Jean-Marie Le Pen zum Paten seines Letztgeborenen zu machen."