Die
Neue Rundschau, ehrwürdiges Institut des S. Fischer Verlags, will sich neu ins Spiel bringen und stellt neuerdings zwei Texte pro Nummer online. Die Autorin
Jenifer Becker und ihr Kollege
Juan S. Guse, beide einigermaßen jung, stellen in einem
faszinierenden Text ein Experiment vor, das die Verlagsbranche, die Feuilletons und die Autorenschaft wird erschauern lassen: Sie erstellen mit
ChatGPT eine Erzählung. Dabei machen sie es sich nicht einfach: Sie füttern das Programm mit "
Prompts", Handlungsanweisungen, nehmen sich aber vor, so wenig wie möglich in den dann entstehenden Text einzugreifen. Offen berichten sie, dass das ganz schön ruckelt, und dennoch ist das Ergebnis, das nicht ganz ohne Hilfestellung von Autoren und Lektoren auskommt, unheimlich (im Wortsinn) beachtlich. Auch die Verlagsabteilungen besonders für jene Bereiche, die man mal "
Trivialliteratur" nannte, werden aufmerken: denn ChatGPT liferte "
beeindruckende hundert Normseiten in nur zwei Stunden". Die so entstandene, in Australien spielende Erzählung "Alpha Centauri in Ewigkeit" beginnt so: "Die Sonne senkte sich am westlichen Horizont und tauchte die australische Wildnis in
warmes orangefarbenes Licht. Ich rieb mir den Staub aus den Augen und starrte auf die verblasste Landkarte, die auf meinem Schoß lag. Thomas' Blick fixierte den sich langsam verdunkelnden Himmel. Mit einer berechnenden Ruhe versuchte er, unsere Position anhand der ersten sichtbaren Sterne zu bestimmen. Seine Handbewegungen, präzise und methodisch, skizzierten unsichtbare Linien zwischen den funkelnden Punkten. '
Wir sollten etwa hier sein', sagte er und zeigte auf einen unscheinbaren Punkt auf der Karte. Thomas war gut darin, selbst in den chaotischsten Momenten Stabilität zu suggerieren."
Ebenfalls online:
ein Text von
Kathrin Röggla über das
Zuhören.