Magazinrundschau - Archiv

Meduza

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Magazinrundschau vom 14.11.2023 - Meduza

Im Interview mit Elizaveta Antonova erklärt Oleksij Arestowytsch, ehemaliger Berater im Büro des Präsidenten der Ukraine, aus dem Exil heraus, warum er bei der nächsten Präsidentschaftswahl gegen Selenski antreten will. Zwar stand er anfangs hinter ihm, doch wurde seine Unterstützung mit der Zeit immer geringer. "Statt Reformen gab es Stagnation, Monopolisierung und so weiter - kurz gesagt, alle Kennzeichen einer kollabierenden Demokratie. … Die Gegenoffensive [der ukrainischen Armee] war für mich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, denn ich weiß, warum sie erfolglos war. Der Präsident verlangte, dass die Truppen in Richtung Bachmut verlegt werden - meiner Meinung nach ist das absoluter Wahnsinn." Mittlerweile lebt Arestowytsch im Ausland, da er in der Ukraine als russischer Spion gelte. Dies liege unter anderem an seinem Versprechen als Präsident mit Russland Verhandlungen aufzunehmen. "Russland ist unser Nachbar, es wird nirgendwo hingehen. Die Putins kommen und gehen, aber Russland wird bleiben. Wir sind alle an zwei Dingen interessiert. Erstens, dass Russland ein starkes, freies, demokratisches Land wird. Zweitens, dass Russland ein Teil des Westens wird. Und wir wollen verhindern, dass es nach China abdriftet und zu einem nuklearen Satellitenstaat Chinas wird. Es könnte sich durchaus herausstellen, dass wir mit einem zukünftigen Russland, wenn nicht neutral, so doch verbündet sein können, zum Beispiel im Rahmen einer vereinten westlichen Haltung. Deshalb sind alle Elemente der Entmenschlichung der Russen ein grundlegender strategischer Fehler".

Magazinrundschau vom 19.09.2023 - Meduza

Das Handy der Mitbegründerin von Meduza, Galina Timtschenko, wurde am 10. Februar 2023 mit Pegasus infiziert, einer Spyware des israelischen Unternehmens NSO Group. Die Redaktion fand dies erst am 23. Juni heraus und arbeitet diesen ersten bekannten Fall von Cyber-Spionage auf eine russische Exil-Journalistin in einem ausführlichen Beitrag auf. "Sobald die Pegasus-Infektion bestätigt war, schloss sich die Meduza-Geschäftsführung zu einer Krisensitzung in Timtschenkos Büro ein.(…) Chefredakteur Iwan Kolpakow, der gerade auf Reisen war, nahm per Telefonkonferenz an der Sitzung teil. Er war sichtlich ratlos und zählte immer wieder laut auf, was hätte durchsickern können: Firmenpasswörter und -korrespondenz, Kontostände, die Namen von Meduza-Mitarbeitern und - was am gefährlichsten war - die Identitäten von Meduza-Mitarbeitern in Russland. Es war jedoch bald klar, dass niemand abschätzen konnte, wer kompromittiert worden war. 'Sie haben alles bekommen', erinnert sich Kolpakow. 'Alles, was sie wollten.'" Dabei ist unklar, wer für diese Spionage verantwortlich ist. Die NSO Group sagt, sie verkaufe nicht an Russland - bleiben als nur noch andere Kunden - zum Beispiel europäische Staaten. "'Ich bin absolut schockiert, dass wir ernsthaft darüber diskutieren, dass ein europäischer Staat dies getan haben könnte', sagt Iwan Kolpakow(…). 'Ich bin wahrscheinlich naiv, aber das schien mir unmöglich. Die Folgen könnten verheerend sein, und das betrifft nicht nur die Nachrichtenmedien im Exil, sondern die Medien in Europa allgemein. Wenn eine solche Software auf dem Telefon eines Journalisten aus Russland installiert werden konnte, wer weiß, was europäische Geheimdienste davon abhält, beliebig Journalisten zu infizieren.'"

Magazinrundschau vom 05.09.2023 - Meduza

Für die russische Onlinezeitung Meduza Ekaterina Pravilova erzählt, wie in Russland der Rubel immer schon der Willkür der Herrschenden, ob Zar oder Sowjetherrscher, ausgesetzt war. Diese Verflechtung von Staat und Geld wirkte sich über Jahrhunderte zum Nachteil der Gesamtbevölkerung aus, führt Pravilova in ihrem Artikel aus. Das hat sich bis heute nicht geändert: "Die sowjetische und die imperiale Vergangenheit sind im heutigen russischen Geldsystem noch immer präsent. Die Bank von Russland - Erbe der Staatsbanken der UdSSR und des Russischen Reiches - hat natürlich viel mehr Autonomie als ihre Vorgänger. Doch trotz ihrer nominellen Unabhängigkeit muss sie sich mit der sogenannten 'Machtvertikale' auseinandersetzen, deren Subjekte vollständig in ein System der totalen Kontrolle eingebunden sind. Zwar sind auch die Zentralbanken anderer Länder bis zu einem gewissen Grad von den Regierungen abhängig, doch aufgrund ihrer jahrzehntelangen (manchmal jahrhundertelangen) Erfahrung in Verhandlungen mit dem Staat können sie diesem Druck viel besser widerstehen. In Russland hingegen ist es der Staat, der über jahrhundertelange Erfahrung in der Kontrolle des Geldes verfügt, so dass der russische Rubel nur Fleisch vom Fleisch des Regimes ist."
Stichwörter: Russland, Rubel

Magazinrundschau vom 29.08.2023 - Meduza

Am 23. August wurde das Flugzeug des Wagner-Anführers Jewgeni Prigoschin abgeschossen - mittlerweile ist sein Tod bestätigt. Lilia Yapparowa hat Wagner-Söldner gefragt, wie sie über die Zukunft der Söldnertruppe denken. Ein Putsch gegen die russische Regierung scheint danach recht unwahrscheinlich: "Aktive Wagner-Kämpfer und -Veteranen geben zu, dass sie als Reaktion auf Prigoschins Tod wahrscheinlich nichts Ernsthaftes unternehmen werden. 'Es ist natürlich traurig. Jewgeni Wiktorowitsch war ein seriöser Kerl, wir nannten ihn Vater', erklärte ein Söldner, der kürzlich eingeladen wurde, mit dem Wagner-Kontingent in Afrika zu arbeiten. 'Aber die Zeit ist bereits vergangen, wissen Sie?'." Auch in der Bevölkerung genoss Prigoschin einiges an Sympathie. Mit einigen von ihnen hat sich Ekaterina Barkalowa vor dem PMC Wagner Center in Sankt Petersburg unterhalten, wo Kerzen aufgestellt waren.

Magazinrundschau vom 22.08.2023 - Meduza

Russische Mordversuche finden weiterhin auf deutschem Boden statt, ohne dass sich die deutsche Öffentlichkeit darüber allzusehr echauffiert (wenn man etwa vergleicht, wie die Briten auf die Vergiftung Sergej Skripals und seiner Tochter reagierten). Die russische Onlinezeitung Meduza (mehr hier) lässt die Journalistin Elena Kostyuchenko in einem Artikel ausführlich über ihre mögliche Vergiftung durch russische Agenten schreiben. Sie erzählt, wie sie am 24. Februar 2022 aus Russland floh und danach von Mariupol aus berichtete. Schon zu diesem Zeitpunkt haben russische Agenten sie im Visier, erfährt sie durch einen ihrer Kontakte, den Chefredakteur der Novoya gazeta Dmitri Muratow. Im deutschen Exil fühlt sie sich auf der Rückreise von München nach Berlin plötzlich krank. "Im Zug fand ich meinen Platz und ging direkt zur Toilette. Ich holte ein paar Papiertücher und fing an, mich überall abzuwischen. Es stellte sich heraus, dass ich sehr verschwitzt war. Der Schweiß roch stark nach verfaultem Obst. (...) Dann habe ich versucht, mich wieder an das Korrekturlesen zu machen, aber ich bin schnell zusammengebrochen. Die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer. Schwitzend ging ich auf die Toilette, um mich mit weiteren Papiertüchern abzuwischen." Als sie in Berlin ankommt, glaubt sie, dass es sich bei ihr um eine erneute Corona-Erkrankung handeln würde. "Blödes Covid, dachte ich. (...) Mein Bauch tat immer mehr weh. Es tat sogar weh, meine Haut zu berühren. In dieser Nacht und in den folgenden Nächten schlief ich kaum. Immer, wenn mich der Schlaf übermannte, wurde ich sofort von den Schmerzen geweckt. Wenn ich versuchte, zu sitzen oder zu stehen, drehte sich mein Kopf. Nach drei Tagen war mir klar, dass ich nirgendwo hingehen würde. Und das war nicht Covid-19." Nein, die Kriminalpolizei geht mittlerweile von einer Vergiftung durch russische Agenten aus, ähnlich wie bei dem Tiergarten-Mord.