Magazinrundschau - Archiv

London Review of Books

516 Presseschau-Absätze - Seite 3 von 52

Magazinrundschau vom 15.08.2023 - London Review of Books

Einen schweren Fehler nennt Randall Kennedy die Entscheidung des amerikanischen Supreme Courts, amerikanischen Universitäten die Praxis der Affirmative Action zu verbieten, die es Angehörigen historisch benachteiligter ethnischer Minderheiten erleichtern sollte, an prestigeträchtigen Universitäten zu studieren. Die rein legalistische Argumentation der von John Roberts verfassten Mehrheitsmeinung setze den Universitäten zu enge Grenzen und weigere sich, die laut Kennedy notwendige Unterscheidung zwischen negativer und positiver Diskriminierung zu treffen. Dennoch warnt er die Verteidiger der Politik davor, die Probleme von Affirmative Action zu leugnen: "Affirmative Action führt zu Problemen, denen man nur durch Selbstbetrug entkommt. Barack Obama, einer der wichtigsten Befürworter der Regelung, meinte einmal, dass diese 'solange sie korrekt organisiert ist, Möglichkeiten für Minderheiten eröffnet, ohne Möglichkeiten für weiße Studenten zu mindern'. Wie soll das funktionieren? Im Fall von Universitäten mit Zugangsbeschränkungen werden Vorteile zugunsten Schwarzer und Latinos notwendigerweise Nachteile für Andere mit sich bringen. Das bedeutet nicht, dass Affirmative Action böswillig diskriminiert in dem Sinne, dass einzelne Gruppen absichtlich aufgrund ihrer Ethnizität ausgeschlossen werden. Aber es bedeutet, dass das Verfolgen eines ehrenwerten Ziels dazu führt, dass Menschen, die keine Schwarzen oder Latinos sind, Nachteile erleiden."

Magazinrundschau vom 25.07.2023 - London Review of Books

Florence Sutcliffe-Braithwaite begibt sich in das Britannien des Kalten Kriegs und zeichnet die gesellschaftlichen Reaktionen auf die atomare Bedrohung nach. Entlang eines Sachbuchs der Journalistin Julie McDowall, "Attack Warning Red!", legt sie dar, dass die Angst vor dem nuklearen Holocaust in der britischen Öffentlichkeit seit den 1950er Jahren präsent war und in den 1980ern einen Höhepunkt erreichte. Verschiedene Gruppierungen versuchten auf diese Stimmung zu reagieren oder auch daraus Profit zu schlagen. Nicht alle Initiativen erwiesen sich dabei als zielführend: "Im Jahr 1981 erhielt die Branche sogar eine eigene Zeitschrift: Project and Survive Monthly bestand hauptsächlich aus Anzeigen für Geigerzähler und Bunker mit Namen wie 'The Mole and the Egg'. Es gab definitiv einige Leute, die sich vorbereiten wollten: Eine 'Hausfrau und Mutter' schrieb 1980 an die Sunday Times und fragte, ob 'es hilfreich ist, den Bunker mit Plastik zu umhüllen, um ihn vor Strahlung zu schützen'. Project and Survive Monthly hatte 1981 12000 Abonnenten, wurde allerdings 1986 wieder eingestellt. Vermutlich kaufte nur eine kleine Minderheit Bunker. Tatsächlich fand eine Reportage des Guardian heraus, dass einige der angebtenen Schutzräume 'regelrecht tödlich' waren: Sie waren aus leicht entflammbaren Material gefertigt oder von Blei umhüllt, sodass sie bei hohen Temperaturen geschmolzen wären."

Magazinrundschau vom 18.07.2023 - London Review of Books

Rachel Nolan liest zwei Bücher, die sich mit der Arbeit von forensischen Anthropologen beschäftigen: Es handelt sich um ein relativ junges Tätigkeitsfeld, lernen wir, und seine Entstehung hat viel mit der Arbeit Clyde Snows zu tun, eines texanischen Wissenschaftlers, der in mehreren mittel- und südamerikanischen Ländern Menschenrechtsaktivisten und andere Interessierte zu Experten im Ausgraben und Ausdeuten von Skeletten ausbildete, erfährt Nolan aus Alexa Hagertys "Still Life With Bones: Genocide, Forensics and What Remains". Victoria Sanfords Band "Textures of Terror: The Murder of Claudina Isabel Velásquez and Her Father's Quest for Justice" wiederum belegt an einem konkreten Beispiel die Gewalt gegen Frauen in Guatemala: "Es gibt immer noch weitere Gräber. Vermisste Menschen sind schwer zu finden, das war ja die Absicht, aber man lernt ein paar Tricks. Schau immer im Brunnen nach. Grabe dort, wo die Erde zwei verschiedene Farben zu haben scheint, und zwar auf der Grenze zwischen beiden. Die EAAF hat Gruppen in der ganzen Welt und eine neue Generation in der Heimat ausgebildet, darunter Kinder von Vermissten. Aber nur relativ wenige Vermisste sind gefunden worden. In Argentinien hat es vierzig Jahre gedauert, bis etwa 1400 Leichen gefunden wurden. In Guatemala - wo während des Bürgerkriegs 200.000 Menschen starben, 93 Prozent von ihnen Opfer staatlicher Gewalt, und 45.000 gewaltsam verschwanden - wurden 3781 Leichen identifiziert." Staatlichen Behörden ist diese Arbeit oft ein Dorn im Auge. Aber auch die Hinterbliebenen, vertreten etwa von den sogenannten Madres und Abuelas, Mütter und Großmütter von Opfern politischer Gewalt, sind nicht durchweg auf der Seite der Aufklärer, lernt Nolan bei Hagerty: "An einem Exhumierungsort im Jahr 1985 wurden die EAAF (Gemeinschaft forensischer Anthropologen Argentiniens) von fünfzehn Abuelas mit Geschrei und Steinwürfen empfangen. Das Team war erschüttert vom Widerstand der Frauen, die sie als Heldinnen betrachteten. Ein Jahr später trennten sich die Madres, was zum Teil auf Meinungsverschiedenheiten über Exhumierungen zurückzuführen war. Hebe de Bonafini, eine der Gegnerinnen, sah in ihnen, wie Hagerty treffend zusammenfasst, 'einen verdeckten Versuch, Massengräuel in private Trauer zu verwandeln'. 'Viele wollen, dass die Wunde austrocknet, damit wir vergessen', sagte de Bonafini. 'Wir wollen, dass sie weiter blutet.'"

Besprochen werden außerdem Karl Schlögels Buch über das "Sowjetische Jahrhundert", Kamila Shamsies Roman "Best of Friends" und Pnina Lahavs Golda-Meir-Biografie "The Only Woman in the Room".

Magazinrundschau vom 11.07.2023 - London Review of Books

Gefesselt, aber auch sehr bewegt verfolgt Rachel Nolan, wie Alexa Hagerty in "Still Life with Bones" die Geschichte der anthropologischen Forensik erzählt, die vor allem in Argentinien und Guatemala bedeutend wurde, um die Verbrechen der Militärdiktaturen nachzuweisen. Zentrale Gestalt war, wie Nolan lernt, der texanische Anthropologe Clyde Snow, der bereits die Überreste von Josef Mengele und John F. Kennedy analysiert hatte: "1984 wurde Snow, ein Kettenraucher in Cowboystiefeln, von der Wahrheitskommission nach Argentinien eingeladen, die der nach dem Sturz der Diktatur gewählte Präsident Raúl Alfonsin zusammen mit Menschenrechtsorganisationen wie den Müttern der Plaza de Mayo eingesetzt hatte. Im Jahr zuvor, nach dem Sturz der Junta, hatten Richter die Ausgrabung eines städtischen Friedhofs in Buenos Aires angeordnet, auf dem einige der Verschwundenen begraben sein sollten. Doch die Ermittler verwüsteten den Ort, zertrümmerten die Knochen mit schweren Maschinen und vermengten die menschlichen Überreste zu einem nicht identifizierbaren Haufen. Lokale Medien nannte es eine 'Horrorshow'. Menschenrechtlerinnen appellierten an die Wissenschaftler, bei der Erhaltung dieser und weiterer Stätten zu helfen und neue genetische und forensische Forschungsmethoden einzusetzen, in der Hoffnung, Überreste der Toten zu finden. Sie luden ausländische Experten ein, darunter auch Snow. Er war entsetzt über den Zustand der Beweise auf dem Friedhof: Plastiktüten mit durcheinander geschütteten Knochen, Hunderte von exhumierten Leichen ohne Identifizierung. Sie ließen die Beweise verloren gehen', sagte er, 'das ist genauso schlimm, wie Komplize des Verbrechens zu sein'… Wie in vielen lateinamerikanischen Ländern sind die Gerichtsmediziner in Argentinien nicht unabhängig, sondern bei der Polizei und der Justiz angestellt. Einige von ihnen hatten an staatlichen Verbrechen mitgewirkt, indem sie beispielsweise Totenscheine fälschten. In einem Autopsiebericht aus der Zeit der Diktatur, so Hagerty, wurde die Todesursache einer Person, deren Körper 'von Kugeln durchlöchert' war, vom Gerichtsmediziner als 'akute Anämie' angegeben. Ein Medizinstudent, der für Snow übersetzte, wusste, dass die örtlichen Behörden ihm nicht helfen würden, und rekrutierte daher Studenten Anthropologie und Archäologie. Sie hatten keine Erfahrung und ihre einzige Qualifikation bestand darin, dass sie keine Angst hatten, nach den Verschwundenen zu suchen."

Magazinrundschau vom 27.06.2023 - London Review of Books

Wenn der in Britannien kultisch verehrte Popkritiker Ian Penman in "Fassbinder. Thousands of Mirrors" über Rainer Werner Fassbinder schreibt, kann Owen Hatherley nur staunen, wie gut Penmans Mischung aus Post-Punk und französischer Theorie zu Fassbinders Mix aus radikalem Denken und schlechtem Geschmack passt. Stichwort: Kunst und Ware. "Es gab keinen logischen und schon gar keinen finanziellen Zwang, drei oder vier abendfüllende Filme pro Jahr zu drehen: Fassbinder tat es, weil es ihm Spaß machte, und vermutlich, um eine Art Trieb zu befriedigen. Wenn man in einen Fassbinder-Rausch verfällt - Penman erzählt hier von einigen - fällt oft auf, wie gut die Filme sind, und zwar nicht trotz, sondern wegen dieser Überproduktion. Selten wünscht man sich, er hätte das Tempo gedrosselt, gelernt, seine Filme 'handwerklich' zu gestalten, über ihnen geschwitzt. Ein Teil des Vergnügens liegt in der Art, wie gut ihre stachelige Unfertigkeit, ihre rohen Darbietungen und Folgefehler neben der üppigen Kinematografie, den extravaganten Kleidern und der großartigen Musik funktionieren. Die zahllosen kitschig-modernistischen Interieurs sind ebenso Stars wie die Schauspieler. Alles ist schnell, aber nichts zufällig. Die Schauspieler in den Melodramen von Mitte der 1970er Jahre, schreibt Penman, sehen aus 'wie ganz normale (müde, zerstreute, unbedeutende, träge, zurückgebliebene) Menschen: die Dinge, die sie tragen, die Art, wie sie lümmeln, rauchen, trinken, essen, ins Leere starren'; sie sind umgeben von Siebzigerjahre-Ramsch, den 'grellen, knalligen Farben der neuen Konsumgesellschaft', die einen halluzinatorischen Effekt erzeugen, 'als wäre der Alltag selbst eine Droge'. Kitsch ist für Fassbinder von entscheidender Bedeutung, sowohl in seinem persönlichen Geschmack (der Mann war kein Minimalist) als auch in seiner konventionelleren modernistischen Überzeugung, dass Kitsch immer dazu da ist, etwas zu verbergen. Penman behauptet, Fassbinder sei von den 1930er Jahren besessen, aber da bin ich mir nicht sicher... Fassbinders eigentliche Obsession waren die fünfziger Jahre und das von den USA finanzierte Wirtschaftswunder in Westdeutschland. In seinen Filmen ging es nicht darum, wie eine Gesellschaft faschistisch wird, sondern darum, wie eine eben noch faschistische Gesellschaft Kleider, Autos, Wohlstand und Reichtum, Sex und Macht als Mittel gebraucht, um zu vermeiden, dass sie über ihren Aufstieg aus rauchenden Ruinen nachdenkt - ganz zu schweigen von ihrer eigenen Duldung (oder noch schlimmer) des Völkermords. Fassbinders Wut auf das deutsche Bürgertum war nicht die übliche Verachtung für Bequemlichkeit und Heuchelei; es war eine glühend heiße Wut darüber, dass ein Volk, das für solche Schrecken verantwortlich war, so selbstgefällig sein konnte." Heute, meint Penman übrigens, würde sich Rainer Werner Fassbinder in der neuen Medienwelt tummeln, ach was, er wäre der König dieses "wilden zerfetzten Reiches", er würde TikTok-Videos drehen und einen Podcast über Schlager und Sexpolitik moderieren. Warum nur interessiert sich Social Medien kein bisschen für RWF?

Weiteres: In einem schier endlosen Essay befasst sich Amia Srinavasan mit der Rede- und Wissenschaftsfreiheit an britischen und amerikanischen Universitäten und kommt zu dem Ergebnis, dass die Linken viel Radau machen, die Rechten dagegen die Gesetze verschärfen.

Magazinrundschau vom 13.06.2023 - London Review of Books

Kevin Okoth resümiert zwei interessante Bücher über den Kalten Krieg, der nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Länder ein unüberschaubares Geflecht an politischen Morden, ideologischer Zersplitterung und Geheimdienstaktionen von CIA und KGB zur Folge hatte: Während Susan William mit "White Malice. The CIA and the Neocolonisation of Afrika" auf den Einfluss Washingtons blickt, schildert Natalia Telepneva in "Cold War Liberation", wie sich Moskau den Zusammenbruch des portugiesischen Kolonialreichs zunutze machen - zumindest bis einige Befreiungsbewegungen nach Moskaus Bruch mit Peking ins maoistische Lager wechselten. Beide Historiker verfolgen mit Bitterkeit, wie der Ruf nach Freiheit und Unabhängigkeit in neokolonial autoritären Regimes endete: "Zum Beispiel in Mosambik, wo die von Eduardo Mondlane gegründete Frelimo bis 1975 gegen die Kolonialmacht Portugal kämpfte: "Die diplomatische Lage wurde immer schwieriger: Moskau beschloss, der Partei wegen Mondlanes mutmaßlicher CIA-Verbindungen die Finanzierung zu entziehen, und Peking verhandelte mit der Frelimo nur über Tansanias Präsidenten Julius Nyerere. Ghanas Kwame Nkrumah, der Hilfe hätte anbieten können, war 1966 durch einen von der CIA unterstützten Putsch abgesetzt worden. Washington hatte daraufhin jegliche Unterstützung eingestellt. Amilcar Cabral aus Guinea-Bissau sah sich auch mit einer Revolte in seiner Partei, der PAIGC, konfrontiert. Wie Telepneva erklärt, waren viele afrikanische Studenten vom Kommunismus desillusioniert, nachdem sie während ihres Studiums im Ostblock rassistische Übergriffe erlebt hatten. Mehrere Studenten mit PAIGC-Stipendien schlossen sich 1963 einer Welle antirassistischer Proteste an, die Moskau (und Cabral) überraschten. Ihre Kritik richtete sich jedoch nicht so sehr gegen die Sowjets, sondern - wieder einmal - gegen die eigene mestizisch-assimilierte Führung. Sowohl die Frelimo als auch die PAIGC reagierten darauf, indem sie die Stipendien der Studenten aussetzten und eine Kampagne gegen sie starteten. Unterdessen schien Chinas antisowjetische Taktik aufzugehen. In Tansania verbreitete die Jugendliga TANU nach dem Vorbild der Roten Garde antisowjetische Propaganda. Selbst Nkrumah hatte sich auf eine pro-chinesische Position verlegt. Cabral weigerte sich jedoch, die Sowjets ins Abseits zu stellen, was zu einem Abbruch der Beziehungen zwischen China und der PAIGC führte."

James Butler preist zudem einen Band mit den quecksilbrigen Essays von Italo Calvino, in denen der italienische Schriftsteller mit Hingabe eher abseitige Phänomene erkundete, wie etwa die Binarität im I Ging und bei Leibniz oder die Ökonomie der Tränen bei Homer und Darwin: "Die Wirklichkeit stellt sich ihm 'als vielfältig, stachelig und als dicht übereinanderliegende Schichten' dar; die Literatur ermöglicht, 'sie wie eine unendliche Artischocke immer weiter zu entblättern'. Diese Metapher taucht in einem Essay über Carlo Emilio Gadda auf, einem Schriftsteller, der sich der unendlichen Welt durch kurvenreiche Abschweifungen nähert; Calvino nähert sich der gleichen Welt durch Kürze und Präzision."

Magazinrundschau vom 06.06.2023 - London Review of Books

In seinem ziemlich lustigen Text erzählt John Lahr, wie er 1973 nach Hollywood kam, um aus seinem ersten Roman ein Drehbuch zu machen. Sidney Pollack nahm ihm die Illusion: "Ich mochte Pollack. Er konnte protzen. Er hörte auf den Spitznamen 'King P' und sah aus wie ein Hollywood-Star. Zu unserer ersten Sitzung in der Mabery Road fuhr er im roten Ferrari vor, den ihm angeblich Warner Brothers gerade geschenkt hatte. Er trug blaue Jeans und ein Jeanshemd, das bis zum dritten Knopf geöffnet war. Er war muskulös, unverschämt und brillant... 'Ich denke, dass wir etwas Gutes zustande bringen werden', sagte er am Ende der Woche, und da war ich schon in seinem Bann. Das ist das Ding bei Trickbetrügern: Sie geben dir Selbstvertrauen. Ein paar Wochen später, als wir am Strand von Malibu spazieren gingen und darüber nachdachten, wie wir das Studio am besten für unser Drehbuch begeistern könnten, sagte Pollack: 'Vielleicht sollten wir aus dem Roman einen Bestseller machen'. Wie man das schaffte? Man müsse dafür einfach nur alle Exemplare aus den Buchhandlungen aufkaufen, deren Verkäufe von der New York Times gemessen werden. Ich fragte, was mit den Büchern geschehen würde. Pollack zuckte mit den Schultern. 'Eingelagert, schätze ich. Oder verbrannt.' Habe ich mich gesträubt? Empörung gezeigt? Ich würde es gerne sagen können, aber das habe ich nicht. Glück, sagt man, ist das, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft. Und das war meine große Chance: ein 'kreativer Deal', ein knackiges Drehbuch, ein hochkarätiger Regisseur, grünes Licht am Horizont. In Hollywood wurde jeder zum Spieler. Das Aufregendste war, eine Wette zu gewinnen; das Zweitaufregendste war, sie zu verlieren. Der Lachs in mir schwamm stromaufwärts. Ich war high vor Verheißung, Hollywoods besonderem Element. Es war aufregend. Es war anstrengend. Es war berauschend. An dem Tag, an dem King P. mir gebunden unseren ersten Entwurf übergab, auf dessen rotem Umschlag nur der Titel des Romans und das Logo von 20th Century Fox zu sehen waren, teilte er mir eine weitere Neuigkeit mit. Sein Vertrag sei ein 'Entwicklungsvertrag'. Jetzt, da er seine Verpflichtung erfüllt und dabei 50.000 Dollar verdient hatte, wollte er 'The Yakuza' verfilmen. In meiner naiven Vorstellung waren King P und ich ein Team gewesen, eine Art künstlerische Ehe. Aber wir waren in Hollywood. Er schlief nur herum und wurde dafür bezahlt."

Weiteres: Krys Lee erinnert daran, dass die globale Verbreitung von K-Pop in Korea eine nationale Aufgabe ist, schreibt seinen Erfolg aber vor allem der Verbindung von Kultur und digitalen Netzwerken zu. Adéwálé Májà-Pearce wundert sich in einem leider nur kurzen Text, welch geringe Rolle der Biafra-Konflikt in Nigeria noch spielt, deutet es am Ende aber auch positiv, dass sich die Grenzen zwischen den verschiedenen Ethnien des Landes auflösen. Gaby Wood bewundert Lucian Freud auch für seine Radierungen.

Magazinrundschau vom 23.05.2023 - London Review of Books

Viktor Orban ist zum großen Vorbild einer neuen rechten Politik geworden, die einen nationalen Konservatismus stark macht, gegen das Establishment und woken Wahnsinn wettert und den "Kulturmarxismus" verantwortlich macht für Einwanderung und Geburtenrückgang. In den USA feiern die Nationalkonservativen große Erfolge mit ihren von der Heritage Foundation und Peter Thiel gesponsorten NatCon-Versammlungen. Dass sie jetzt auch in Britannien landen, wundert Peter Geoghegan eigentlich: "Im vergangenen Juni verfasste ein Kader führender Nationalkonservativer ein Manifest. Es kann als Absage an die Fusion verstanden werden, die in den 1950er Jahren in der National Review unter William Buckley entwickelt wurde und die schließlich dazu führte, dass Ronald Reagan und Margaret Thatcher an die Macht kamen, indem sie neoliberalen Kapitalismus mit einem gesellschaftlichen Konservatismus verbanden. In den zehn Grundsätzen der Nationalkonservativen heißt es, dass 'der freie Markt nicht absolut sein kann' und dass die Bibel 'als die erste Quelle einer gemeinsamen westlichen Zivilisation gelesen werden sollte'. Die Migration muss stark eingeschränkt und 'manchmal' ganz verboten werden. Imperialismus sollte 'in seinen verschiedenen zeitgenössischen Formen' abgelehnt werden (der historische Imperialismus wird freigesprochen). Zu den Unterzeichnern gehörten der Tech-Milliardär Peter Thiel, Michael Anton, ein Machiavelli-Gelehrter, der im Kommunikationsstab von Trumps Nationalem Sicherheitsrat arbeitete, und Charlie Kirk, ein Star des konservativen Talkradios und Gründer der trumpistischen Studentenbewegung Turning Point. Am Vorabend der NatCon London sagte mir ein englischer konservativer Kommentator, dass das Weltbild der Nationalkonservativen 'viel zu amerikanisch' sei, um im Vereinigten Königreich Fuß zu fassen." Ein Irrtum: "Beim letzten Mal, als der Zirkus 2019 in die Stadt kam, war der Hinterbänkler Daniel Kawczynski der einzige konservative Abgeordnete auf der Liste. Diesmal gab es Kabinettsminister, Fernsehkameras und drei Tage Medienaufmerksamkeit."

Magazinrundschau vom 16.05.2023 - London Review of Books

Seit der Gründung durch die Khediven von Ägypten war Khartum stets ein Hafen der Ruhe und Friedfertigkeit, erinnert Alex de Waal in einem ungeheuer bitteren Text. Die Eliten des Sudans, Kaufleute und Generäle, haben sich immer bestens verstanden, während ihre Milizen jenseits der Stadt das Land plünderten: "Khartum wurde 1821 am Zusammenfluss der beiden Nile gegründet - des Weißen Nils, der in Äquatorialafrika entspringt, und des schnell fließenden Blauen Nils, der saisonale Überschwemmungen aus dem äthiopischen Hochland mit sich bringt. An der Stelle, an der die beiden Flüsse aufeinandertreffen, direkt gegenüber dem modernen Parlamentsgebäude, und einige Kilometer flussabwärts, fließen das hellbraune und das blaue Wasser unvermischt nebeneinander. Der Ort wurde von Ismail Kamil Pascha ausgewählt, der eine Armee zur Eroberung des Sudan entsandt hatte. Außerdem erteilte er einer multinationalen Bande von Freibeutern die Erlaubnis, nach Belieben durchs Land zu ziehen, solange Kairo an ihren Erträgen beteiligt wurde. Sechs Jahrzehnte lang war Khartum ein Vorposten des räuberischen Grenzkapitalismus des 19. Jahrhunderts: ein Handels- und Sklavenumschlagplatz für die Verwüstung des oberen Niltals. Die Händler und Freibeuter von Khartum suchten nach Sklaven oder teilten die Bewohner der südlichen Wälder und Sümpfe unter sich auf und kauften Gefangene für ihre eigenen Plantagen entlang des Flusses oder für den Verkauf nach Ägypten. Bis heute haben die Sudanesen ein Lexikon der Hautfarben, das von rot und braun über grün und gelb bis hin zu 'blau' reicht - die dunkelsten Menschen des Südens werden immer noch routinemäßig abid genannt, was 'Sklaven' bedeutet." Jetzt teilt der Sudan das Schicksal Somalias und Liberias: "Die Logik der Kleptokratie ist unerbittlich: Wenn das Kartell bankrott ist, schießen die Gangster es aus dem Weg. "

Magazinrundschau vom 09.05.2023 - London Review of Books

Andrew Cockburn reist durch Georgien, wo die Zivilgesellschaft gegen den moskautreuen Kurs der Regierung unter dem Oligarchen Bidzina Iwanischwili opponiert, ohne sich den Fall des im Gefängnis sitzenden, immer wieder irrlichternden Michail Saakaschwili zu eigen zu machen. Cockburns Blick auf den Machtkampf zwischen den beiden wirkt denn auch recht abgeklärt: "Kurioserweise braucht Iwanischwili den Mann, den er von der Macht verdrängt hat, um über die von ihm kontrollierte Partei Georgischer Traum seine eigene Herrschaft fortzusetzen. Nach seiner Abwahl und einer Phase komfortabler Arbeitslosigkeit in einem gehobenen Viertel von Brooklyn fand Saakaschwili eine neue Heimat: 2015 machte ihn Petro Poroschenko, damals Präsident der Ukraine und Freund aus Studienzeiten, zum ukrainischen Staatsbürger und ernannte ihn zum Gouverneur von Odessa. Doch die beiden zerstritten sich bald. Saakaschwili begann, gegen seinen ehemaligen Verbündeten zu hetzen, und beschimpfte ihn als Quell der ukrainischen Korruption. Ein wütender Poroschenko entzog ihm seine neue Staatsbürgerschaft und beschuldigte ihn, korrupte Geschäfte mit russischen 'kriminellen Elementen' zu machen. Er wurde von der Polizei von einem Dach gezerrt, wo er damit gedroht hatte, sich das Leben zu nehmen. Als Wolodimir Selenski 2019 Präsident wurde, sah Saakaschwili die Chance für eine Rückkehr an die Macht in Georgien. Selenskis Regierung gehören Vertraute Saakaschwilis aus seiner ehemaligen georgischen Regierung an, und im Oktober 2021 schmuggelte er sich mit ihrer Unterstützung in einem Kühlwagen zurück nach Georgien. Er rechnete offensichtlich damit, von der Bevölkerung begrüßt zu werden, doch er wurde nach wenigen Tage verhaftet, vor Gericht gestellt und für Skandale während seiner Regierungszeit verurteilt. Seitdem sitzt er im Gefängnis, aber eine gut finanzierte Kampagne in Washington stellt ihn als Opfer eines von Putin inszenierten Komplotts dar. Auf die Frage, ob man sich nicht den Ärger ersparen könnte und Saakaschwili einfach in ein Flugzeug setzen, antworten georgische Beamte, dass man ihnen niemals verzeihen würde, wenn sie einen zu Recht verurteilten Verbrecher freilassen würden. Wahrscheinlich treffender ist, dass er für das Regime ein äußerst nützliches Faustpfand darstellt, das daran erinnern soll, dass die Alternative zu seiner Herrschaft eine Rückkehr zur Korruption der alten Zeiten ist. Und die internationale Unterstützung für Saakaschwili untermauert die Botschaft des Regimes, dass der Westen plant, Georgien in den Ukraine-Krieg hineinzuziehen."