Claude Sitbon
zeichnet ein sehr liebevolles Porträt des tunesisch-jüdisch-französischen Autors
Albert Memmi, der im Dezember hundert Jahre alt geworden wäre. Der Sohn eines Sattlers aus Tunis nahm an der Dekolonisierung teil und sagte: "Ich habe den Nationalisten geholfen und wusste, dass ich keinen Platz in diesem Abenteuer habe." Memmi war überzeugter Zionist, zog aber das Exil in Paris vor, wo er im Umkreis von Sartres Zeitschrift
Les temps modernes publizierte. In seinem letzten Buch, "Porträt eines Kolonisierten" (
mehr hier), spricht er über jüdische Identität. Wie
komplex Identität war, bevor das grauenhafte 20. Jahrhundert mit seiner ethnischen Bereinigung der Territorien kam, beschreibt Sitbon, indem er
Memmis Kindheit schildert: Seine Familie wohnte am Rand des jüdischen Ghettos von
Tunis, in Hara. Das war "kein Zufall, sondern zeugte von den Bindungen zu der Gemeinde und zugleich von kommerziellem Interesse. Die Halfter, die sein Vater François mit seinem italienischen Arbeiter Peppino fertigte, verkaufte er an
maltesische Kutscher oder Wagenführer in der Stadt Gabès. Seine Frau war
Berberin reinster Herkunft, die nur das
jüdische Arabisch sprach, während François sich auf Arabisch, Maltesisch, Italienisch und ein wenig auf Französisch verständigen konnte. Der Duft des Leders, die jüdischen und arabischen Handwerker, die Familien- und Sprachtraditionen waren für Memmi eine Quelle der Inspiration und Reflexion." Memmi war ein früher
Theoretiker des Rassismus. Die Wikipedia
zitiert eine Definition, die den heutigen Antirassismus aus seinen intellektuellen Sackgassen führen könnte: "Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver biologischer Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der eine Aggression gerechtfertigt werden soll." Einige Bücher Memmis wurden von den sechziger bis achtziger Jahren übersetzt - vielleicht Zeit für ein paar
Neuauflagen oder Übersetzungen?