Georg Seeßlen
hält in einem großen, seeßlen-typisch mäandernden Essay Rückschau auf das, was einmal das späte Goldene Zeitalter der Serie gewesen sein wird. Im Zynismus und in der Textur- und Elendsfreudigkeit neuerer Serien identifiziert er einen "kapitalistischen Realismus", Produkte aus einer "
unerlösten,
zerfallenden und antiutopischen Welt" - und im Weltenflucht-Angebot "Game of Thrones", schreibt er, wird wohl das letzte Aufflackern jener Medienzeit zu beobachten gewesen sein, als es Fernsehinhalten noch gelang, weite Teile der Gesellschaft an einem Lagerfeuer-Ersatz zu versammeln. Endgültig durchgesetzt haben sich nunmehr "die Zerfaserung und Auflösung, am Ende die
radikale Subjektivierung: ein Medienkonsum, der eigentlich nur noch eine bilaterale Angelegenheit zwischen einer einzigen Person und der Medienmaschine ist. ... Das Fatale an der Spaltung des TV-Verhaltens liegt in der
Kraft der Selbstverstärkung. Um noch akzeptable Quoten zu erlangen, müssen die 'alten' Sender, die öffentlich-rechtlichen vor allem, genau die Klientel bedienen, die noch im Geschmack an der 'heilen Welt' verharrt. Daraus entsteht ein mehr oder weniger
gerontologisches Fernsehen, aus Quiz-Sendungen, 'Traumschiff' und Formaten über die 'Heimat', durchsetzt mit der üblichen Krimi-Kost, was wiederum die letzten Zuschauer vertreiben dürfte. Aber das gilt auch umgekehrt: Die Mehrzahl der Serien überfordert
die verbale und visuelle Toleranz der klassischen Fernsehzuschauer, die an ihrem Medium gerade das Mainstream-Gemütliche und Akzeptierte schätzten. Der Kitsch wird immer kitschiger, und der 'Realismus' wird immer realistischer. Die Verlangsamung und die Beschleunigung werden immer inkomensurabler, so wie sich immer mehr das Übereindeutige vom Ambiguen trennt. Am Ende, wer weiß, sind die Bilderwelten einander
so fremd wie die politischen Milieus."