Das Team von
Ilpost.it bringt eine
fantastische und geduldige Recherche zur Frage, wie ausgerechnet die technisch und administrativ so moderne
Lombardei zum Epizentrum der Coronakrise in Italien werden konnte: Die
Hälfte der Toten sind in dieser Region zu beklagen. Die von ferne häufig gestellte Diagnose, dass die Privatisierung schuld sei, reicht nicht ganz aus, es handelt sich um ein ganzes Bündel von Faktoren. Aber ja, der charismatische von 1995 bis 2013 regierende Präsident der Region
Roberto Formigoni von Berlusconis Forza Italia war ein Fürsprecher der Privatisierung - allerdings in unguter Promiskuität von
Staat,
Unternehmern - und wie die Reporter nur andeuten -
katholischen Einflusskreisen. Das Gesundheitssystem obliegt in Italien den Regionen. Formigoni reformierte das System so, dass es zur Hälfte privat, zur Hälfte staatlich ist. Nur bekamen die privaten Kliniken die prestigeträchtige Apparatemedizin und die überforderte staatliche Hälfte die Alltags- und Notfallmedizin. Aber als ein bedeutender Faktor kam auch
unterschiedliche Kompetenz in den Regionen hinzu: "In der Lombardei leben mehr als doppelt so viele Menschen wie in der Region Venetien, es gibt viermal so viele bestätigte Infektionen (und das, obwohl fast nur Menschen mit Vorerkrankungen getestet wurden) und genau zehnmal so viele Todesfälle. Dennoch wurden im April in der Lombardei im Durchschnitt etwa 8.520 Tests pro Tag verarbeitet, im Veneto etwa 7.880. Diese Einschränkungen in der Kapazität,
Patienten zu testen und einer Ansteckung auf die Spur zu kommen, erwiesen sich als besonders problematisch." Dennoch weigern sich die Reporter am Ende ihres Artikels sehr fair, eine
eindeutige Schuldzuweisung zu treffen - es handle sich auch um eine unglückliche Verkettung, die diese Region besonders früh und hart getroffen hat. Bei einem schlechteren Gesundheitswesen hätte es noch wesentlich mehr Tote gegeben, so die Autoren.