Heute in den Feuilletons
Glühende Büroklammern
Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
12.01.2012. Die FAZ fragt: Warum machen die Kühe mit Weihnachtsdeko bei Audi so grimmige Schnauzen? Die taz enthüllt: Auch Helmut Kohl hat einmal beim Chefredakteur der Bild angerufen. Verglichen mit Wulff war das Atomkrieg. Im Freitag outet sich Eugen Ruge als der Anti-Tellkamp: "Ich halte diese Welt für bewahrenswert". Die NZZ enthüllt franquistische Mordpläne gegen Picasso. In der SZ fragt Ingo Schulze: Warum schützt sich die Gesellschaft nicht vor ihrer Ausplünderung?
TAZ, 12.01.2012
Im Gespräch erzählt der frühere Bild-Chefredakteur Udo Röbel, wie er einen Angriff auf die Pressefreiheit von Helmut Kohl abschmetterte: "Wir hatten an dem Tag eine nette, fast liebevolle Geschichte über die Straße gemacht, in deren Nähe er in Berlin eine neue Wohnung bezogen hatte. 'Hier ist Ihr Bäcker, hier Ihr Kiosk.' Und so weiter. Da stellt meine Sekretärin mittags Kohl durch. Und dann fing der schon an zu schimpfen: Schweinejournalist, Drecksblatt. Als ich zu Wort kam, sagte ich: Worum geht es denn, Herr Kohl? Aber die Stimme überschlug sich. Ich konnte ihn kaum verstehen, und irgendwann dachte ich: Ja leck mich doch am Arsch. Und legte auf."
Weitere Artikel: Margarete Stokowski resümiert einen Vortrag mit dem schönen Titel "Wer schön sein will, muss leiden. Schnürbrüste, Corsagen und der Gegendiskurs einer freien Natürlichkeit", den die Germanistin Almut Hüfler im Rahmen der Ausstellung "Fashion Talks" im Berliner Museum für Kommunikation hielt. Christoph Schröder besuchte Thomas Meineckes erste Poetikvorlesung in Frankfurt. Anna Klöpper berichtet über die Präsentation des hochkarätig besetzten Zeitungsprojekts Jewish Voice from Germany des Publizisten Rafael Seligmann, mit dem er sich seinen Traum der "Wiedergeburt des deutsch-jüdischen Lebens" erfüllen will. Rudolf Walther fürchtet schlimme Folgen durch den Rücktritt des Schweizer Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand, der Christoph Blocher und seiner rechten SVP in die Hände spielen könnte.
Besprochen werden Corneliu Porumboius Film "Police, adjective", für Andreas Busche ein weiteres Beispiel für die Bedeutung des rumänischen Autorenkinos, Lutz Hachmeisters Dokumentarfilm "The Real American" über den Anti-Kommunisten Joseph McCarthy und der Film "Das traurige Leben der Gloria S." von Ute Schall und Christine Groß, in dem Nina Kronjäger eine erfolglose Schauspielerin spielt, die als Hartz-IV-Mutter berühmt werden will.
Und Tom.
Weitere Artikel: Margarete Stokowski resümiert einen Vortrag mit dem schönen Titel "Wer schön sein will, muss leiden. Schnürbrüste, Corsagen und der Gegendiskurs einer freien Natürlichkeit", den die Germanistin Almut Hüfler im Rahmen der Ausstellung "Fashion Talks" im Berliner Museum für Kommunikation hielt. Christoph Schröder besuchte Thomas Meineckes erste Poetikvorlesung in Frankfurt. Anna Klöpper berichtet über die Präsentation des hochkarätig besetzten Zeitungsprojekts Jewish Voice from Germany des Publizisten Rafael Seligmann, mit dem er sich seinen Traum der "Wiedergeburt des deutsch-jüdischen Lebens" erfüllen will. Rudolf Walther fürchtet schlimme Folgen durch den Rücktritt des Schweizer Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand, der Christoph Blocher und seiner rechten SVP in die Hände spielen könnte.
Besprochen werden Corneliu Porumboius Film "Police, adjective", für Andreas Busche ein weiteres Beispiel für die Bedeutung des rumänischen Autorenkinos, Lutz Hachmeisters Dokumentarfilm "The Real American" über den Anti-Kommunisten Joseph McCarthy und der Film "Das traurige Leben der Gloria S." von Ute Schall und Christine Groß, in dem Nina Kronjäger eine erfolglose Schauspielerin spielt, die als Hartz-IV-Mutter berühmt werden will.
Und Tom.
Freitag, 12.01.2012
Eugen Ruge sieht seinen mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts" als "Gegner" von Uwe Tellkamps "Der Turm" und als "Rehabilitation des ostdeutschen Lebens". Das werde auch von vielen westdeutschen Lesern in einem positiven Sinne verstanden, sagt er im Interview mit Jana Hensel: "Von vielen wird mein Buch in dem Sinne zur Kenntnis genommen, dass ihr DDR-Bild doch zu einseitig, zu einfach war. Insofern leistet das Buch eine Art Widerstand. Meine Absicht war nur, ein Stück jener Welt, die ich kannte, zu bewahren. Aber damit sage ich auch: Ich halte diese Welt für bewahrenswert."
Weitere Artikel: Noch eine originelle Begründung, diesmal von Michael Angele, warum man als Journalist immer weiter über Christian Wulff schreiben muss, auch wenn ja eigentlich gar nicht mehr will: Kant. Der hat angedeutet, dass wer etwas vergessen will, es aufschreiben muss. Tom Strohschneider bespricht Bernd Ulrichs Buch "Wofür Deutschland Krieg führen darf. Und muss".
Weitere Artikel: Noch eine originelle Begründung, diesmal von Michael Angele, warum man als Journalist immer weiter über Christian Wulff schreiben muss, auch wenn ja eigentlich gar nicht mehr will: Kant. Der hat angedeutet, dass wer etwas vergessen will, es aufschreiben muss. Tom Strohschneider bespricht Bernd Ulrichs Buch "Wofür Deutschland Krieg führen darf. Und muss".
NZZ, 12.01.2012
Michael Carlo Klepsch berichtet anhand der persönlichen Aufzeichnungen des deutschen Historikers Felix Hartlaub, wie sich das faschistische Spanien an Picasso für dessen Anklage "Guernica" rächen wollte: "Demnach sollte von der spanischen Botschaft in Paris 'eine Art Doppelgänger' in das Umfeld Picassos eingeschmuggelt werden, der unter Ausnutzung seiner falschen Identität beauftragt war, den politisch missliebigen Künstler umzubringen."
Weiteres: Hans Jörg Jans informiert über die Lage des Orchestra della Svizzera Italiana, das derzeit mit starker Mittelkürzung zu kämpfen hat. Auch in Dänemark sieht die Lage nicht besser aus: Dort kämpft das Königliche Theater mit rigiden Sparmaßnahmen, wie Aldo Keel berichtet. Fritz Schaub schreibt den Nachruf auf die Dirigentin Hedy Salquin.
Besprochen werden David Finchers Neuverfilmung von Stieg Larssons "Verblendung", dessen Versuch am Schweden-Kolorit Christoph Egger sich ratlos am Kopf kratzen lässt, das Filmdrama "Der Junge mit dem Fahrrad" von den Gebrüdern Dardenne sowie Wolfgang Hädeckes "genau recherchierte" Novalis-Biografie (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).
Weiteres: Hans Jörg Jans informiert über die Lage des Orchestra della Svizzera Italiana, das derzeit mit starker Mittelkürzung zu kämpfen hat. Auch in Dänemark sieht die Lage nicht besser aus: Dort kämpft das Königliche Theater mit rigiden Sparmaßnahmen, wie Aldo Keel berichtet. Fritz Schaub schreibt den Nachruf auf die Dirigentin Hedy Salquin.
Besprochen werden David Finchers Neuverfilmung von Stieg Larssons "Verblendung", dessen Versuch am Schweden-Kolorit Christoph Egger sich ratlos am Kopf kratzen lässt, das Filmdrama "Der Junge mit dem Fahrrad" von den Gebrüdern Dardenne sowie Wolfgang Hädeckes "genau recherchierte" Novalis-Biografie (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).
FR/Berliner, 12.01.2012
Caspar Wieck spricht mit Daniel Barenboim über Edward Elgars Oratorium "The Dream of Gerontius", das Barenboim heute mit den Berliner Philharmonikern aufführt. Hier ein Auszug aus einer älteren Einspielung:
Besprochen werden die Dokufiction "The Real American - Joe McCarthy", die Harald Jähner zufolge mit der Legende aufräumt, "es sei die liberale Presse gewesen, die McCarthy am Ende gestürzt habe", die Actionkomödie "Offroad" und der Politthriller "Das System", Pedro Martins Bejas "Red Light Red Heat" am Schauspiel Frankfurt und Parker Bilals Krimi "Die dunklen Straßen von Kairo" (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).
Besprochen werden die Dokufiction "The Real American - Joe McCarthy", die Harald Jähner zufolge mit der Legende aufräumt, "es sei die liberale Presse gewesen, die McCarthy am Ende gestürzt habe", die Actionkomödie "Offroad" und der Politthriller "Das System", Pedro Martins Bejas "Red Light Red Heat" am Schauspiel Frankfurt und Parker Bilals Krimi "Die dunklen Straßen von Kairo" (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).
Welt, 12.01.2012
Der Autor Rolf Bauerdick plädiert dafür, die politisch nur vermeintlich korrekte Bezeichnung Sinti und Roma zu verabschieden und zum alten Wort Zigeuner zurückkehren: "Mit dem Dünkel der Aufgeklärtheit hatte ich dies als Mangel an ethnischem Bewusstsein gedeutet. Nur traf ich in Südosteuropa immer öfter Zigeuner, die mit dem Begriffspaar Sinti und Roma nichts anzufangen wussten. Auch die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller schreibt: 'Ich bin mit dem Wort 'Roma' nach Rumänien gefahren, habe es in den Gesprächen anfangs benutzt und bin damit überall auf Unverständnis gestoßen. "Das Wort ist scheinheilig", hat man mir gesagt, "wir sind Zigeuner, und das Wort ist gut, wenn man uns gut behandelt".'"
Weiteres: Manuel Brug nimmt klaglos hin, dass Thomas Quasthoff seine Sängerkarriere beendet. Andrea Backhaus interviewt den neuen Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Hartwig Fischer. Rüdiger Sturm interviewt Regisseur David Fincher über seine Version von Stieg Larssons Schweden-Splatter "Verblendung", die Hanns-Georg Rodek in seiner Besprechung "allzu perfekt" findet. Dankwart Guratzsch berichtet von einem aufsehenerregenden archäologischen Fund im Harz.
Weiteres: Manuel Brug nimmt klaglos hin, dass Thomas Quasthoff seine Sängerkarriere beendet. Andrea Backhaus interviewt den neuen Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Hartwig Fischer. Rüdiger Sturm interviewt Regisseur David Fincher über seine Version von Stieg Larssons Schweden-Splatter "Verblendung", die Hanns-Georg Rodek in seiner Besprechung "allzu perfekt" findet. Dankwart Guratzsch berichtet von einem aufsehenerregenden archäologischen Fund im Harz.
Aus den Blogs, 12.01.2012
Es ist so weit: Salman Rushdie wird nach Indien fahren. Die Deoband-Universität hat zwar protestiert, und der indischen Regierung scheint's peinlich zu sein, aber Valerie Merians hält im Blog des Verlags Melville House fest: "Rushdie holds a Person of Indian Origin (PIO) card which entitles him to visit without a visa... Rushdie himself blithely dismissed the issue, 'Re: my Indian visit, for the record, I don't need a visa,' he wrote on Twitter."
FAZ, 12.01.2012
Anlässlich des Autosalons in Detroit macht sich Niklas Maak Gedanken über das von Audi in Mode gebrachte Design der grimmigen Schnauzen. Es überzeugt ihn nicht ganz: "Die Entwerfer von Audi haben die Frontscheinwerfer in Formen gebogen, die an die Hörner eines Stiers und die Silhouette eines Bären erinnern sollen, tatsächlich sehen die Wagen von vorn wie Kühe mit Weihnachtsdekoration aus, während die Rückleuchten des letzten Audi A6 seltsamerweise an glühende Büroklammern erinnern."
Weitere Artikel: Dirk Schümer amüsiert sich in der Leitglosse über Zensur bei Youtube, nachdem Königin Beatrix in Abu Dhabi den Landessitten gemäß mit Kopftuch auftrat (Bild) und in einer Satire unter Eingeborenen von Papua-Neuguinea den Landessitten gemäß als Nackte dargestellt wurde. Marcus Jauer versucht zu erklären, warum es ein Skandal sein soll, dass der Autor eines Wulff-Buchs ein zusätzliches Honorar bekommen hat. Gemeldet wird, dass München dank üppiger bayerischer Steuereinnahmen einen neuen Konzertsaal bekommen soll. Auf der Kinoseite zieht Rüdiger Suchsland eine vorläufige künstlerische Bilanz des 3D-Kinos. Gina Thomas berichtet kurz, dass die britische Website The Omnivore einen Preis für den besten Verriss eines Buchs in der britischen Presse ausgerufen hat.
Für die Medienseite hat Friederieke Boege mit westlichen Journalisten gesprochen haben, die dank guter Bezahlung kein Problem damit haben, zensierte Staatsberichte für die Global Times und andere offizielle Medien Chinas zu verfassen.
Besprochen werden Marc Bauders Kinothriller "Das System", eine Ausstellung über Tanz in der Kunst im Centre Pompidou, Recital-CDs der Sopranistinnen Chen Reiss (mehr hier), Aleksandra Kurzak (mehr hier) und Veronique Gens (mehr hier).
Weitere Artikel: Dirk Schümer amüsiert sich in der Leitglosse über Zensur bei Youtube, nachdem Königin Beatrix in Abu Dhabi den Landessitten gemäß mit Kopftuch auftrat (Bild) und in einer Satire unter Eingeborenen von Papua-Neuguinea den Landessitten gemäß als Nackte dargestellt wurde. Marcus Jauer versucht zu erklären, warum es ein Skandal sein soll, dass der Autor eines Wulff-Buchs ein zusätzliches Honorar bekommen hat. Gemeldet wird, dass München dank üppiger bayerischer Steuereinnahmen einen neuen Konzertsaal bekommen soll. Auf der Kinoseite zieht Rüdiger Suchsland eine vorläufige künstlerische Bilanz des 3D-Kinos. Gina Thomas berichtet kurz, dass die britische Website The Omnivore einen Preis für den besten Verriss eines Buchs in der britischen Presse ausgerufen hat.
Für die Medienseite hat Friederieke Boege mit westlichen Journalisten gesprochen haben, die dank guter Bezahlung kein Problem damit haben, zensierte Staatsberichte für die Global Times und andere offizielle Medien Chinas zu verfassen.
Besprochen werden Marc Bauders Kinothriller "Das System", eine Ausstellung über Tanz in der Kunst im Centre Pompidou, Recital-CDs der Sopranistinnen Chen Reiss (mehr hier), Aleksandra Kurzak (mehr hier) und Veronique Gens (mehr hier).
SZ, 12.01.2012
Nach drei Jahren Schweigen hat Ingo Schulze wieder "Lust bekommen, den Mund aufzumachen" und vor der drohenden Abschaffung von Demokratie und Sozialstaat zu warnen: "Wenn man Tag für Tag den Wahnsinn als Selbstverständlichkeit aufgetischt bekommt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis man sich selbst für krank und abnorm hält. Im Folgenden versuche ich, einige Gedanken zusammenzufassen, die mir wichtig erscheinen:
1. Von einem Angriff auf die Demokratie zu sprechen, ist euphemistisch. Eine Situation, in der es der Minderheit einer Minderheit gestattet wird, es also legal ist, das Gemeinwohl der eigenen Bereicherung wegen schwer zu schädigen, ist postdemokratisch. Schuld ist das Gemeinwesen selbst, weil es sich nicht gegen seine Ausplünderung schützt, weil es nicht in der Lage ist, Vertreter zu wählen, die seine Interessen wahrnehmen."
Artur Zmijewski, dessen Film "Berek", in dem einige Nackte in einer Art Gaskammer Fangen spielen, im Herbst aus einer Ausstellung im Martin-Gropius-Bau entfernt wurde, erklärt im Gespräch mit Catrin Lorch, warum er sich als Kurator der 7. Berlin Biennale mehr für die politischen als für die künstlerischen Arbeiten der eingeladenen Künstler interessiert: "Es ist mir ernst damit, wenn ich sage, dass kreative Disziplinen wie die Kunst ihre Kraft eingebüßt haben. Deshalb möchte ich Kunst dazu benutzen, Prozesse anzustoßen, die wirklich Konsequenzen haben, Folgen, die man in der Realität beobachten kann."
Weitere Artikel: Till Briegleb beobachtet in jüngeren Theaterproduktionen einen teilweise recht drastisch ausgelebten Kinderwunsch. In der politischen Kultur in Deutschland hapere es auf der einen Seite an "Reue und Umkehr", auf der anderen an "Vergebung und der Bereitschaft zum Neuanfang", findet Mathias Drobinski im Kommentar zur Wulff-Debatte. Filmhistoriker Hans Helmut Prinzler blickt auf 100 Jahre Studio Babelsberg zurück. Dirk von Gehlen meldet amüsiert, dass es nun in Schweden eine staatlich anerkannte Filesharing-Religion geben soll (mehr). Reinhard J. Brembeck verabschiedet sich von dem Sänger Thomas Quasthoff, der sich aus gesundheitlichen Gründen von der Bühne zurückzieht.
Besprochen werden der Dokumentarfilm "The Real American - Joe McCarty", die "leidlich komische" Gangsterklamotte "Offroad" und Bücher, darunter ein Band mit Thomas Manns gesammelten Briefen von 1924-1932 (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).
1. Von einem Angriff auf die Demokratie zu sprechen, ist euphemistisch. Eine Situation, in der es der Minderheit einer Minderheit gestattet wird, es also legal ist, das Gemeinwohl der eigenen Bereicherung wegen schwer zu schädigen, ist postdemokratisch. Schuld ist das Gemeinwesen selbst, weil es sich nicht gegen seine Ausplünderung schützt, weil es nicht in der Lage ist, Vertreter zu wählen, die seine Interessen wahrnehmen."
Artur Zmijewski, dessen Film "Berek", in dem einige Nackte in einer Art Gaskammer Fangen spielen, im Herbst aus einer Ausstellung im Martin-Gropius-Bau entfernt wurde, erklärt im Gespräch mit Catrin Lorch, warum er sich als Kurator der 7. Berlin Biennale mehr für die politischen als für die künstlerischen Arbeiten der eingeladenen Künstler interessiert: "Es ist mir ernst damit, wenn ich sage, dass kreative Disziplinen wie die Kunst ihre Kraft eingebüßt haben. Deshalb möchte ich Kunst dazu benutzen, Prozesse anzustoßen, die wirklich Konsequenzen haben, Folgen, die man in der Realität beobachten kann."
Weitere Artikel: Till Briegleb beobachtet in jüngeren Theaterproduktionen einen teilweise recht drastisch ausgelebten Kinderwunsch. In der politischen Kultur in Deutschland hapere es auf der einen Seite an "Reue und Umkehr", auf der anderen an "Vergebung und der Bereitschaft zum Neuanfang", findet Mathias Drobinski im Kommentar zur Wulff-Debatte. Filmhistoriker Hans Helmut Prinzler blickt auf 100 Jahre Studio Babelsberg zurück. Dirk von Gehlen meldet amüsiert, dass es nun in Schweden eine staatlich anerkannte Filesharing-Religion geben soll (mehr). Reinhard J. Brembeck verabschiedet sich von dem Sänger Thomas Quasthoff, der sich aus gesundheitlichen Gründen von der Bühne zurückzieht.
Besprochen werden der Dokumentarfilm "The Real American - Joe McCarty", die "leidlich komische" Gangsterklamotte "Offroad" und Bücher, darunter ein Band mit Thomas Manns gesammelten Briefen von 1924-1932 (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).
Zeit, 12.01.2012
Adam Soboczynski besucht in Budapest die Philosophin Agnes Heller, die markanteste Stimme des Protests gegen die Demokratur Viktor Orbans. "Über die historischen Traumata Ungarns hatte der Sozialismus einen Mantel des Schweigens gelegt. Das erkläre, meint Agnes Heller, die unausgegorene Mentalität des Landes, die es verführbar für Bonapartisten wie Orban mache. Man pendele in Ungarn zwischen Größenwahn und Minderwertigkeitskomplex, zwischen rabaukenhaftem Tätertum und Opfergehabe."
Transparenz wird derzeit gern gefordert: von Christian Wulff, der Bild-Zeitung oder den Piraten. Der Karlsruher Philosoph Byung-Chul Han warnt vor dem neuen Fetisch, der nicht nur der totalen Kontrolle den Weg ebnet: "Der Zwang zur Transparenz ist letzten Endes kein ethischer oder politischer, sonder ein ökonomischer Imperativ. Ausleuchtung ist Ausbeutung."
Außerdem: Im Aufmacher legen Stefan Koldehoff und Tobias Timm in aller Ausführlichkeit dar, wie in Brühl ein Klüngel aus Galeristen, Kunsthistorikern und Stadtpolitikern das Max-Ernst-Museum zur Beute gemacht hat. Besprochen werden Carls Sternheims "Aus dem brügerlichen Heldeleben" am Theater Hannover, Clint Eastwoods Film "J. Edgar" über FBI-Chef Hoover, eine Ausstellung der Architekten Graft im Berliner Haus am Waldsee, eine Schau des Fotografen Tobias Zielony im Frankfurter MMK Zollamt, das Album "Die Fantasie wird siegen" des Songwriters Max Prosa und Bücher, darunter Jodi Kantors Band über "Die Obamas" als Liebespaar (mehr ab 14 Uhr in unserer Bücherschau des Tages).
Transparenz wird derzeit gern gefordert: von Christian Wulff, der Bild-Zeitung oder den Piraten. Der Karlsruher Philosoph Byung-Chul Han warnt vor dem neuen Fetisch, der nicht nur der totalen Kontrolle den Weg ebnet: "Der Zwang zur Transparenz ist letzten Endes kein ethischer oder politischer, sonder ein ökonomischer Imperativ. Ausleuchtung ist Ausbeutung."
Außerdem: Im Aufmacher legen Stefan Koldehoff und Tobias Timm in aller Ausführlichkeit dar, wie in Brühl ein Klüngel aus Galeristen, Kunsthistorikern und Stadtpolitikern das Max-Ernst-Museum zur Beute gemacht hat. Besprochen werden Carls Sternheims "Aus dem brügerlichen Heldeleben" am Theater Hannover, Clint Eastwoods Film "J. Edgar" über FBI-Chef Hoover, eine Ausstellung der Architekten Graft im Berliner Haus am Waldsee, eine Schau des Fotografen Tobias Zielony im Frankfurter MMK Zollamt, das Album "Die Fantasie wird siegen" des Songwriters Max Prosa und Bücher, darunter Jodi Kantors Band über "Die Obamas" als Liebespaar (mehr ab 14 Uhr in unserer Bücherschau des Tages).
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