Wer beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Geld sparen will, verweist gerne auf die
Rundfunkorchester, die man ja wahlweise zusammenlegen, ganz abschaffen oder deren Präsenz im Radio man reduzieren könne. Dabei ist ihr Anteil am großen Topf des Rundfunksystems mit 187 Millionen Euro im Jahr verhältnismäßig gering, hat Axel Brüggemann für
Backstage Classical ausgerechnet - und man bekommt dafür einiges: "Die großen Rundfunkorchester spielen viele Konzerte vor Ort, gehörten zu den
großen musikalischen Playern ihrer Regionen und sind durchaus dabei, ihre Rolle im Zeitalter der Multimedien neu zu definieren." Etwa das Orchester des Hessischen Rundfunks "
meint es ernst, wenn es darum geht, Musik allen Menschen zur Verfügung zu stellen und reagiert mit viel Kraft auf den digitalen Medienwandel. ... Sender stecken mit ihren Orchestern bereits in der digitalen Erneuerung und interpretieren den einstigen Auftrag, Musik für das Programm einzuspielen, längst neu. Sie verstehen, dass das Radio von gestern
das Netz von heute ist - und dass die Legitimation der Rundfunkgebühren auch darin besteht, allen Menschen im Land
Musik zugänglich zu machen."
Der
SWR wusste bereits im Vorfeld der Berichterstattung davon, dass ein Tenor seines Vokalensembles sich auf Social Media durch
Liebesbekundungen an Putin und mit Fotos, auf denen er
mit russischer Flagge vor russischen Panzern posiert, hervortut,
berichtet Axel Brüggemann auf
Backstage Classical. "Dass der Sender nicht handelte, erklärte der
SWR damit, dass es sich um 'private Äußerungen auf einem privaten
Facebook-Account' gehandelt habe, und dass Alexander Y. in Deutschland das
Recht auf Meinungsfreiheit genieße." Pikant dabei: Das
SWR-Vokalensemble soll heute unter dem Dirigat von
Teodor Currentzis Benjamin Brittens "War Requiem" aufführen, vom
SWR als Statement für den Frieden gebrandet. "Ein War Requiem als Kritik am Angriffskrieg Russlands - mit einem Dirigenten, der in Russland mit Gazprom und der VTB-Bank kooperiert und eventuell mit einem Tenor, der auf seiner
Facebook-Seite den Sieg Russlands wünscht.
Wer soll das verstehen?"
Hartmut Welscher
blickt für
VAN auf die Reaktionen zu den Vorwürfen, die dem Dirigenten
François-
Xavier Roth in den letzten zwei Wochen gemacht wurden und die ihn binnen kürzester Zeit über weite Strecken im Klassikbetrieb zu Fall brachten. Dass der Intendant der
Kölner Philharmonie,
Louwrens Langevoort, weiterhin zu seinem "Freund" Roth stehen will, findet Welscher nicht nur sanft irritierend: "Im Fall Currentzis hatte Langevoort letztes Jahr moralische Kriterien angeführt, als er den griechisch-russischen Dirigenten auslud, weil dieser sich nicht kritisch zu Russlands Angriff auf die Ukraine geäußert habe. ... Da muss die Frage erlaubt sein: Wer entscheidet, wer in der Kölner Philharmonie auftreten darf, die Moral, das Recht, oder der
Kölsche Klüngel? In dieser Hinsicht werden die kommenden Wochen auch zeigen, wer in Köln zu welchem Zeitpunkt
wie viel wusste, warum die Vorwürfe nicht früher ans Licht kamen und wer möglicherweise geschwiegen oder verschwiegen hat, zum Beispiel, weil im Zweifelsfall das Ansehen und die künstlerische Entwicklung eines Orchesters als wichtiger erachtet wurden."
Weitere Artikel: Die Pianistin
Elena Bashkirova, die ab morgen in Berlin das Kammermusikfestival Intonations in Berlin ausrichtet und dafür das Jerusalem Chamber Music Festival in die Stadt holt, findet es "
feige", wenn Veranstalter von Konzerten mit israelischen Orchestern diese aus Furcht vor einschlägigem Radau absagen, sagt sie im
FAZ-Gespräch: "Ich habe keinen Respekt davor." Mit Sorge
betrachtet Merle Krafeld in
VAN, dass mit dem durch herben Personalmangel bedingten Dahinsiechen des
Musikunterrichts langsam auch "der Boden, auf dem das klassische Musikleben in Deutschland wurzelt, erodiert". Holger Noltze
verzweifelt im
VAN-Kommentar über jene Teile des Konzertpublikums, die mit Husten, Handyklingeln, Nasepopeln und
auf dem Boden zum Rollen gebrachten Flaschen noch jede Aura eines Klassikkonzerts zunichte machen. Für
VAN blickt Gunnar Leue auf die Beziehung zwischen
Fußball und Klassik. Konstantin Nowotny
schreibt im
Freitag zur Kartellklage in den USA gegen eine Konzertticketplattform. Christoph Amend
schreibt in der Zeit über
Madonnas Verhältnis zu ihrem Vater.