Stephan Thome

Fliehkräfte

Roman
Cover: Fliehkräfte
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
ISBN 9783518423257
Gebunden, 474 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Hartmut Hainbach ist Ende fünfzig und hat alles erreicht, was er sich gewünscht hat: Er ist Professor für Philosophie und hat seine Traumfrau geheiratet, die er nach zwanzig Jahren Ehe immer noch liebt. Dennoch ist Hartmut nicht glücklich. Seine Frau ist nach Berlin gezogen, so dass aus der Ehe eine Wochenendbeziehung geworden ist, die gemeinsame Tochter hält die Eltern auf Distanz, der Reformfuror an den Universitäten nimmt Hartmut die Lust an der Arbeit. Als ihm überraschend das Angebot zu einem Berufswechsel gemacht wird, will er endlich Klarheit: über das Verhältnis zu seiner Tochter, über seine Ehe, über ein Leben, von dem er dachte, dass die wichtigen Entscheidungen längst getroffen sind.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.10.2012

Rainer Moritz zeigt sich von einigen Szenen in diesem voluminösen Roman von Stephan Thome berührt, hat sich aber schon gefragt, warum er sich durch diese Masse Text kämpfen und einem Sprachphilosophen bei der midlife crisis zuschauen soll. Die Antwort hat Moritz dann schnell bei der Hand: die epische Breite in diesem Buch ist kunstvoll gefüllt, schon durch die Wahl eines mittelmäßigen Helden, einer biederen Existenz, aber auch mittels feinfühliger Figurenzeichnung, psychologischer Seelenforschung, und das alles denkbar unangestrengt und unaufgeregt, wie Moritz versichert. Dass das Subjekt tot sei, so Moritz begeistert, möchte dieser Autor nicht wahrhaben. Sprachlich überzeugt ihn Thome durch "ungewöhnliche Bilder". Was an "Wolkentupfern über Berlin" wie eine "Armada wartender Luftschiffe" originell sein soll, muss Moritz uns aber unbedingt erklären.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.10.2012

Stephan Thomes Roman "Fliehkräfte" wirkt auf Judith von Sternburg ziemlich "ausufernd". Im Mittelpunkt des Werks sieht sie den Philosophieprofessor Hainbach, Ende 50, der mit dem, was er erreicht hat - Professur, Haus, Ehefrau und Tochter -, eigentlich zufrieden sein müsste, es aber nicht ist. Hainbach ist für sie ein "Jedermann unserer Tage", ein "Spiegel", der dem Leser auch lästig werden könne. Dass sie die Lektüre des Romans mitunter als mühsam empfindet, führt sie darauf zurück, dass er unzählige Details, Gespräche, Rückblenden auffährt und es dem Leser überlässt, Wichtiges von Unwichtigen zu unterscheiden. Andererseits spricht dies in ihren Augen für die Konsequenz des Autors.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.09.2012

Dem allgemeinen Lob für Stephan Thomes Roman "Fliehkräfte" kann sich Alexander Cammann überhaupt nicht anschließen. Ein schlechtes Buch ist an sich ja kein Problem, meint er, aber wenn das schlechte Buch als großer Favorit für den Deutschen Buchpreis gehandelt wird, dann wird es problematisch. Ausgiebig referiert der Rezensent, was ihm an "Fliehkräfte" nicht passt: die Handlung findet er klischeehaft, die Figuren kindisch, die Sprache zum Fremdschämen pseudo-poetisch, und am Ende stehe ein "gefühlig-konventioneller Der-Weg-ist-das-Ziel-Schluss", den Cammann lange kommen sah. Kein gutes Haar also, außer vielleicht: es liest sich leicht. "Mit preiswürdiger Literatur", so das Fazit, "hat das alles aber nichts zu tun."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.09.2012

Meike Fessmann lässt sich nicht beirren. Dass der Autor, Jahrgang 1972, den Eheroman à la Frisch und Walser fortschreibt, findet sie okay. Schließlich macht der Autor das mit durchaus neuen Bezügen, digitalem Lifestyle und Bologna-Reform-Diskurs inklusive. Fessmann langweilt sich auch nicht, denn Stephan Thomas ist sprachgewandt, wie sie erklärt, schreibt weitgehend natürlich wirkende Dialoge, entwirft starke Figuren und ist in der Lage, die Beziehungs- und Familiengeschichte eines Bonner Philosophieprofessors zu einem Gesellschaftspanorama der Bundesrepublik zu entwickeln. All das sorgt dafür, dass Fessmann hier einen Abgesang vernimmt auf die bürgerliche Lebensform, durchaus mit Mitteln des bürgerlichen Romans.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2012

Hymnisch bespricht Rezensentin Sandra Kegel Stefan Thomes neuen Roman "Fliehkräfte", der ihrer Meinung nach vollkommen zu Recht auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis steht. Die Kritikerin begleitet hier den Bonner Philosophieprofessor Hartmut Hainbach, der kurz vor der Pensionierung das Angebot erhält, bei einem Verlag in Berlin aufgenommen zu werden und plötzlich in einen Sog der Lebens- und Selbstzweifel gezogen wird. Die Entscheidung verschiebend, begibt er sich auf eine Reise quer durch Europa, auf welcher ihm in einer Vielzahl von Episoden ehemalige Weggefährten begegnen, die mit ihren Lebensentwürfen gescheitert sind. Auch Hainbachs Werdegang liest die Rezensentin als "umgekehrten Bildungsroman", in dem sich der Autor, selbst studierter Philosoph, mit spürbarer Lust der Abwicklung einer gescheiterten Biografie widmet. Darüber hinaus erfährt sie in diversen Rückblenden viel über das West-Berlin der Achtziger, das Bonn der Neunziger und die Krisen der Gegenwart, die auch vor dem reformwütigen Hochschulbetrieb nicht Halt machen. Thome pflegt außerdem eine meisterhaft "realistische" Erzählweise und gewährt einen "verstörenden" Einblick in die Tiefe der menschlichen Seele, versichert die Rezensentin.
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