Saul Friedländer

Proust lesen

Ein Essay
Cover: Proust lesen
C.H. Beck Verlag, München 2020
ISBN 9783406755118
Gebunden, 208 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Annabel Zettel. Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" ist der längste und für viele seiner Leserinnen und Leser auch der bedeutendste Roman der französischen Literatur. Manche begleitet er durch das ganze Leben, so auch Saul Friedländer, den Friedenspreisträger und großen Historiker des Holocaust. Saul Friedländer legt keine Einführung in Leben und Werk von Marcel Proust vor, sondern einen Essay über das Lesen von Proust. Er spürt darin einigen Fragen nach, die ihn besonders beschäftigt haben, wie etwa der widersprüchlichen Rolle der Juden oder dem Umgang mit dem Thema Homosexualität, der komplexen Beziehung von Erzähl-Ich und Autor oder dem Status der Erinnerung im Werk. Vor allem aber vermittelt Friedländer das Glück der Proust-Lektüre, den Reichtum der Sprache Marcel Prousts, und die unvergleichliche Schärfe und Hellsichtigkeit, mit der er die Gesellschaft seiner Zeit seziert. Am Ende überkommt den Leser nur ein dringender Wunsch - Proust lesen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 14.12.2020

Der israelische Historiker und Holocaust-Überlebende Saul Friedländer macht kein Geheimnis aus seinem subjektiven Ansatz bei der Deutung und Untersuchung von Marcel Prousts Romanwerk. Friedländer habe bei der Suche nach Anzeichen für Prousts Verhältnis zu seiner Identität als homosexueller Jude ein "inneres Bedürfnis" getrieben, eine "subjektive Ergriffenheit", erklärt der Rezensent Ruthard Stäblein. Die Frage ist nun, ob man dem Autor seine objektiven Fehleinschätzungen vor diesem Hintergrund überhaupt vorwerfen kann. Dass Friedländer Prousts Haltung in "Die Suche nach der verlorenen Zeit" völlig falsch einschätzt, ist für Stäblein offensichtlich. Der Historiker missdeutet Anspielungen als Zitate und Zitate als Figurenrede, er hat die kommentierte Fassung der Romane offenbar nicht gelesen und scheint für Ironie und Überzeichnung absolut unempfänglich zu sein. So kommt er denn auch zu dem wenn nicht falschen so zumindest diskutablen Schluss, Proust habe seine Homosexualität verleugnet und schlimmer noch: sich dem Antisemitismus angedient. Aber! Ruft der Rezensent. Man müsse Friedländers eigene Biografie mitbedenken, die es ihm vielleicht unmöglich mache, gewisse Nuancen wahrzunehmen. Prousts spielerischer, ironischer Umgang mit der eigenen jüdischen Identität, sei für Friedländer eine "Zumutung", und das sei doch vielleicht verständlich.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.2020

Es muss hellsichtig machen, wenn Bewunderung und Misstrauen aufeinandertreffen, denkt sich Rezensent Lothar Müller beim Lesen von Saul Friedländers Essay über Marcel Proust. Er wundert sich zwar, dass Friedländer nicht auf Französisch schreibt, sondern auf Englisch, aber was er über Judentum und Homosexualität in der "Suche nach der verlorenen Zeit" findet, erscheint Rezensent Müller schön irritierend. In den Passagen über den homosexuellen Baron de Charlus etwa entdeckt Friedländer geradezu eine "Sprache des Hasses", was er sich noch damit erklären könnte, dass Proust sein konventionelles Publikum habe besänftigen wollen, wie Müller ausführt. Aber in den abfälligen Passagen über den jüdischen Aufsteiger Bloch vermutet Friedländer einen Exorzismus, der weit über den häufig bei Proust aufscheinenden Opportunismus hinausgehe. In Müllers Augen ist mit Friedländers Essay nicht das letzte Wort zum Thema gesprochen, aber er bewahre vor "allzu beruhigenden Befunden".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2020

Rezensentin Susanne Klingenstein lässt sich lieber auf Proust ein denn auf Saul Friedländers biografische Lesart der Recherche. Proust verlangt eine Lesearbeit, die der Autor nicht zu leisten bereit ist, empört sich Klingenstein. Dass der Autor kein gutes Haar an Prousts Romanprojekt findet, wundert die Rezensentin daher nicht. Friedländer betrachtet Prousts Kosmos von außen und verurteilt ihn, statt in ihn hineinzutauchen, so Klingenstein. Was der Autor alles im Roman zu erkennen glaubt, allen voran die Verschlüsselung von Prousts Hadern mit seinem Judentum und seiner Homosexualität, führt allenfalls zu schiefen Interpretationen, ärgert sich die Rezensentin.
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