Santiago Lorenzo

Wir alle sind Widerlinge

Roman
Cover: Wir alle sind Widerlinge
Heyne Verlag, München 2022
ISBN 9783453273283
Gebunden, 240 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Daniel Müller und Karolin Viseneber. Aus Notwehr verletzt Manuel einen Polizisten und taucht in einem verlassenen Dorf in der Nähe von Madrid unter. Dort lebt er zurückgezogen und gibt sich mit dem Wenigsten zufrieden. Handwerklich begabt und voller Ideen richtet er sich in seinem Zufluchtsort ein. Genügsamkeit und Zeit sind sein Kapital, Einsamkeit und Kargheit werden seine Gefährten. Manuel findet das Glück. Bis Menschen aus der Stadt das Haus nebenan beziehen. Die Ruhe ist dahin. Es wird gelärmt und gefeiert, und Manuel beschließt, seine Freiheit zu verteidigen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 16.06.2022

Ein "großes Lesevergnügen" ist dieser Roman über einen modernen Don Quichotte, versichert Rezensent Dirk Fuhrig. Der spanische Autor Santiago Lorenzo erzählt die Geschichte eines unattraktiven jungen Mannes, der sich von der Polizei verfolgt glaubt und sich in ein verlassenes Dorf flüchtet, wo er zum asketischen Eremiten aus Überzeugung mutiert: Kein Alkohol, keine Kleider, keine Heizung, kein Sex und ganz bestimmt keine Seife. "Kräuter und Brunnenwasser" genügen ihm. Diese kleine Idylle wird plötzlich gestört durch eine Familie, die eins der verlassenen Häuser als Wochenendwohnsitz bezieht, so Fuhrig. Die sind laut, vulgär und fahren dicke Autos. Wie der Autor diese zwei Welten beschreibt, mit Sprachwitz und Poesie, hat Fuhrig hochgradig - amüsiert. Nicht nur witzig, sondern auch originell ist dieser Roman, lobt er.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 20.05.2022

Santiago Lorenzos Roman, so drückt Rezensent Christoph Schröder es aus, gleicht einem laschen Tischfeuerwerk mit sehr langer Zündschnur. Das Brennen der Zündschnur ist teilweise durchaus schön anzusehen, es hat seine Höhepunkte, doch von einem Feuerwerk kann bei der Pointe dieses Buches kaum die Rede sein, meint der Kritiker. Die Geschichte vom technisch begabten Manuel, der sich im wirtschaftskriselnden Spanien mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten muss, und sich schließlich nach einem Vorfall mit der Polizei in einem Geisterdorf nahe Madrid versteckt, beschreibt Schröder als "haarsträubend, aber apart". Die Lektüre könnte also einigermaßen vergnüglich sein, wären da nicht die schwülstigen Sprachspielereien, die zunächst zumindest allzu bemüht und vor allem völlig sinnlos wirken. Erst als der junge Robinson der Ruinen neue Nachbarn bekommt - eine Familie, die er auf wunderbar witzige Weise er als abartig und ekelerregend beschreibt, bekommen die schrillen Formulierungen ihre Motivation. Trotzdem bleibt der Rezensent am Ende eher unbefriedigt zurück, nachdem er feststellen muss, dass der Kern des Ganzen - die "Quintessenz" -  nicht über die Aussage des Titels hinausgeht.
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