Paul Nizon

Das Drehbuch der Liebe

Journal 1973-1979
Cover: Das Drehbuch der Liebe
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518416396
Gebunden, 300 Seiten, 22,80 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Wernd Kässens. Ein Mann in der Mitte des Lebens, Schriftsteller. Auf einer Lesereise, unterwegs durch fremde Länder, zieht er sich in einer dramatischen, ebenso ausweglos wie aussichtslos scheinenden Begegnung mit einer jungen Frau das zu, was er später eine "Liebesvergiftung" nennen wird. Nach dieser Begegnung findet er sich nicht mehr zurecht, er verkommt. Auch das Verhältnis zu seiner jahrelangen Lebensgefährtin, die er erst kürzlich geheiratet hat, wird dadurch zerstört. Er übersiedelt, nein flieht von Zürich nach Paris, wo ihm eine verstorbene Tante eine winzige Wohnung hinterlassen hat. In dieser Zelle wartet er, wider alle Vernunft, daß die junge Geliebte sich für ihn entscheidet und daß das Schreiben wieder von ihm Besitz ergreift. Um die Wartezeit bis dahin zu überbrücken, klammert er sich an seine täglichen Notate, in denen er die Geschichte dieser verrückten Liebe, seine Geschichte bewahrt: "Das Drehbuch der Liebe".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.12.2004

Paul Nizons Prosa variiert mehr oder weniger die gleichen Themen, meint Stephan Reinhardt und zählt auf: die Qualen des Schriftstellerlebens, die Faszination von Reisen und "die Überwindung von Fremde durch Empathie, Eros und Sexualität". Sprich, es gibt drei Obsessionen im Leben des Schweizer Schriftstellers Paul Nizon, der seit Mitte der 70er Jahre in Paris lebt: ihn selbst, sein Schreiben, die Frauen. Wie in den Romanen so verhält es sich auch im Journal, einer Art Werkstattbericht aus dem Leben Nizons, das einerseits Begegnungen mit Schriftstellerkollegen wie Peter Handke oder Georges-Arthur Goldschmidt festhält, andererseits Nizons erotische Obsessionen en Detail verfolgt. Das mag man eitel oder abstoßend finden, überlegt der Rezensent laut, doch erweise sich Nizon gerade in den Passagen über die Trennung von seiner Frau und seine "amour fou" als besonders sprachgewaltig. Hier knüpfe Nizon thematische Verbindungen zu seinem Roman "Jahr der Liebe" und lasse den Journalrahmen hinter sich. Auch dies ein Beweis für Reinhardt, dass Nizon zwar mit dem typischen Künstlernarzissmus geschlagen ist, aber dessen Problematik bewusst zu machen versteht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.12.2004

"Das Drehbuch der Liebe" ist bereits der zweite Journal-Band des seit langem in Paris lebenden Schweizer Schriftstellers Paul Nizon, und obwohl Herausgeber Wend Kässens das Textkonvolut aus Notizen, Skizzen, Briefen und so weiter bereits geordnet haben soll, müsse sich der Leser nach wie vor durch die Textmassen "navigieren", warnt Samuel Moser. Er rät keineswegs von der Lektüre ab, seines Erachtens winken im Journal lohnenswerte Entdeckungen, handelt es doch die für Nizon durchaus wichtigen Jahre 1973 - 1979 ab. Im Klartext: Fündig wird vor allem derjenige, der auch Nizons Romane aus jener Zeit kennt, beispielsweise jenen "Roman der Liebe", dem nun das Drehbuch hinterher geliefert wird. Moser verspürt eine eigenartige "Kombination von Melancholie und Geilheit" in Nizons Texten, die davon zeugen, dass der Schriftsteller seinen Beruf regelrecht "als Amt" versieht: mit kriegerischem Ernst, meint der Rezensent. Dazu gehört für ihn auch die paradoxe Entdeckung, dass der Autor nur unter Aussschluss von der Welt schreiben könne, die genau jene betrifft, über die Nizon schreibt: Frau, Kinder, Geliebte, Freunde. Als Triebfeder von Nizons Schaffen vermutet Moser: Leere.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.2004

Seit 1977 lebt der ursprünglich aus Bern stammende Schriftsteller Paul Nizon in Paris, wo er sich seither im Geiste Walter Benjamins dem Flanieren, der Huldigung der Stadt und der Liebe ergeben hat, stellt uns Sabine Doering den hierzulande nicht ganz so bekannten Autor vor. Nizon hat bereits zweimal Tagebuchauszüge veröffentlicht, erklärt sie, der nun vorliegende Journalband der Jahre 1973 - 1979 schließt die Lücke zwischen den beiden vorangegangenen. Nizon sei hemmungslos auf die eigene Person und die eigene Wahrnehmung fokussiert, warnt Doering: was das Ausbreiten seiner krisengeschüttelten Liebesbeziehungen angeht, nehme diese Art der Selbstentblößung häufig eine Wende ins Peinliche. Vor allem Nizons Lobpreisung der käuflichen Liebe sei "vorsichtig ausgedrückt, Zeichen einer beschränkten Weltsicht", findet die Rezensentin. Die bewusste Konzentration auf die eigene Wahrnehmung gehört andererseits zum poetischen Programm Nizons, weshalb auch seine literatur- und kunstkritischen Passagen, in denen er sich mit Vincent van Gogh, Robert Walser oder Elias Canetti auseinandersetzt, zu den lesenswerten Dingen dieses Buches gehören, das man ausschließlich als Werkstattbericht lesen sollte, empfiehlt Sabine Doering.
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