Panos Karnezis

Der Irrgarten

Roman
Cover: Der Irrgarten
dtv, München 2005
ISBN 9783423244527
Taschenbuch, 359 Seiten, 14,50 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Sky Nonhoff. Die tragikomische Odyssee einer griechischen Brigade, die sich im Sommer 1922 auf der Flucht vor den Türken in der anatolischen Wüste verirrt.
Nach drei Jahren des Versuchs, die Mittelmeer-Region des türkisch-osmanischen Reichs zu besetzen, zieht sich die griechische Armee im Sommer 1922 geschlagen aus Kleinasien zurück. Tausende von Soldaten fliehen Richtung Küste, um von dort aus zurück in die Heimat zu gelangen. Eine Brigade jedoch hat sich verirrt, mitten in der anatolischen Wüste und ohne jeden Funkkontakt nach außen. General Nestor scheint seine Truppen im Kreis zu führen, chancenlos und ohne Aussicht auf Rettung. Abhängig von immer größeren Mengen an Morphium, gibt er sich seiner Leidenschaft für die griechische Mythologie hin, während die Moral seiner Offiziere langsam im Wüstensand versinkt: eine Reihe von Diebstählen gibt ebensolche Rätsel auf wie die kommunistischen Pamphlete, die seit geraumer Zeit allmorgendlich im Lager entdeckt werden.
Die Erinnerung an ein gemeinsam verübtes Massaker drängt zudem immer stärker in die Köpfe der Soldaten und droht ihnen allmählich den Verstand zu rauben. Da hilft auch das Wort Gottes nicht, das Pater Simeon über sein Megaphon verbreitet, bis seine Bibel eines Tages einem Unglück zum Opfer fällt. Erst als der Tross auf eine bisher vom Krieg verschonte griechische Siedlung stößt, scheint sich das Schicksal zu wenden. Doch anders als der Herr kennen die nach Gerechtigkeit heischenden Furien keinerlei Gnade, und so folgen sie rachsüchtig den Männern in das scheinbar friedliche Dorf.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.07.2005

Malte Herwig gesteht dem in London lebenden griechischen Autor Panos Karnezis zwar einige "Höhenflüge an Sprachwitz und Einfallsreichtum" zu, aber dies kann seinen negativen Eindruck von diesem Buch nicht wirklich schmälern. Viel zu aufdringlich sind ihm die Anspielungen an die klassische Mythologie, mit denen Karnezis seiner modernen Version von Xenophons "Anabasis" Bedeutung verleihen will. Die Geschichte um eine griechische Brigade, die im Sommer 1922 unter dem Kommando eines morphiumsüchtigen Generals in Anatolien auf der Suche nach dem Meer herumirrt, würde sich Herwig ja noch gefallen lassen, aber all die Furien, all das Geraune um schuldhafte Verstrickung, all die bildungshuberischen Anspielungen haben ihn nur genervt, zumal das Ganze noch mit zahllosen orientalischen Vignetten ausstaffiert wurde - von der Puffmutter über korrupte Feldgeistliche bis zu den zivilisationsunfähigen Barbaren. "Statt eine Tragödie zu erzählen", winkt Herwig ab, "hat der Autor mit beiden Händen in den Kostümfundus orientalischer Dekadenz gegriffen und Xenophons 'Rückkehr der Zehntausend' zur Operette ausstaffiert".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.07.2005

Rezensent Andreas Breitenstein leistet sich einen Totalverriss - und das, obwohl das Buch eigentlich vieles von dem enthält, was einen guten Roman ausmacht. Es wird eine fiktive militärische Episode erzählt, angesiedelt in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als der Traum von einem großgriechischen Reich sich als gescheitert entpuppte. Es gibt "äußere Dramatik" und "interessantes Personal", doch der Autor Panos Karnezis macht nach Breitensteins Meinung nichts daraus. Den fortschreitenden geistigen Verfall seiner Protagonisten zu vermitteln gelingt dem Autor beispielsweise nicht - dazu weist das Buch eine zu "brave auktoriale Konstruktion" und "biedere Psychologie" auf, nie jedoch die "dämonische Tiefe", die dem Thema angemessen wäre. Und so kann Breitenstein sich nur seufzend ausmalen, was ein anderer Autor aus diesem Stoff hätte machen können: Ismail Kadare zum Beispiel.