Markus Berges

Irre Wolken

Roman
Cover: Irre Wolken
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2024
ISBN 9783737101035
Gebunden, 288 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Ein schüchterner Neunzehnjähriger, Zivildienst in der Psychiatrie; Wochen voller langweiliger Psychosen, echter Risiken und Elektroschocks. Und dann kommt Anne Schmidt auf die Station. Die Patientin ist gefährlich wie ein Sturm, aber sie zieht den jungen Pfleger in ihren Bann. Es sind die Tage der Tschernobyl-Katastrophe im April 1986, da läuft Anne bei einem Spaziergang davon. Als der Junge sie einfängt, beschwört sie in seinen Armen ihre Liebe, ihre Genesung. Gegen alle Regeln lässt er sie gehen, um sie gleich am Abend wiederzusehen. Der kurze Frühling ihrer verbotenen Liebe beginnt. In einem Versteck erleben sie Momente voller Glück und Unsicherheit, reiner Gegenwart und Angst. Beide schwanken zwischen höchster Verliebtheit und Fremdheit, und da ist auch eine Ahnung von Schuld. Vom Himmel kommen Mairegen und radioaktiver Fallout. Anne fühlt sich bald verraten - dann ist sie verschwunden. Und der junge Mann ist so verzweifelt wie erleichtert, sie nicht zu finden, er fürchtet sie und fürchtet um sie. Denn Anne ist alles zuzutrauen. Markus Berges erzählt von der Freiheit und ihren Exzessen, vom Jungsein als dem Ort des ersten, größten Glücks - und dessen Preis.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 02.03.2024

Rezensent Peter Unfried ist froh, dass ihm mit Markus Berges' Roman über seine Jugend kein typischer 80er-Jahre-Verschnitt begegnet. Zwar spielt das Buch im Tschernobyl-Jahr 1986 und kommen gewisse popkulturelle Marker des Jahrzehnts (bzw. "Grusel-Elemente" wie der Mike Krüger-Song "Der Nippel") vor, aber eben sparsam, und überhaupt scheint der Autor und Erdmöbel-Leadsänger ein gutes Gespür für die Balance zwischen Zeitgeschichte und einer "normalen" Teenager-Geschichte zu haben, vermittelt Unfried. So gehe es um Tschernobyl etwa nur insofern, als der 19-jährige Protagonist sich in seinem sozialen Jahr in einer Psychiatrie in eine Paientin verliebt, die der Wahnvorstellung eines "totalitären Atomstaates" unterliegt. Spannend findet der Kritiker auch, dass Berges beim Recherchieren feststellte, dass sein Freundeskreis sich wohl deutlich weniger an prägende Details, etwa sein jugendliches Dicksein erinnerte, wie Unfried beim Interview mit dem Autor erfährt. Ob es sich am Ende vielleicht doch um "Boomer-Literatur" handelt, lässt er am Schluss als Frage im Raum stehen - er selbst scheint dem Buch nichtsdestotrotz einiges abgewinnen zu können: eine gute Geschichte, ein "tiefergelegtes gutes Ende" und auch "große Gefühle" ohne Kitsch.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.02.2024

Keine Neuerfindung des Genres Psychiatrieroman, räumt Rezensent Jan Wiele ein, aber doch ein sehr lesenswertes Buch ist dieser Roman von Markus Berges. Dessen Protagonist ist, wie auch sein Autor einst, Zivi in einer Psychiatrie, wo er sich in eine Patientin mit psychotischen Schüben verliebt, erfahren wir. Sie bricht aus, er brennt mit ihr in die westfälischen Provinz durch. Er hat sich gerne von dieser Flucht aus dem Einengenden mitreißen lassen, versichert der Kritiker.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 01.02.2024

Eine angenehme Lektüre ist Markus Berges' autofiktionales Buch für Rezensentin Julia Schröder. Der Musiker und Autor erzählt darin eine Liebesgeschichte zwischen einem jungen Mann, der ein Jahr lang in der Psychiatrie arbeitet, und einer etwas älteren Patientin. Das Buch ist gesättigt mit der Popkultur vergangener Tage - die Handlung spielt im Jahr 1986 - sowie mit lokalen Details aus der Gegend um Münster, so Schröder, aber in erster Linie entwirft Berges ein eindrückliches Bild des psychiatrischen Systems sowie der Menschen, die mit ihm zu tun haben. Die Liebesgeschichte selbst ist geprägt von einer Umdrehung der Machtverhältnisse zwischen Betreuer und Betreuter, führt die Rezensentin aus. Berges schreibt unaufdringlich und elegant, findet Schröder, mit "alerter Anmut" und außerdem mit Ironiebewusstsein, was sich etwa in der Art niederschlägt, wie das Tschernobyl-Reaktorunglück in die Handlung einbricht.