Leo N. Tolstoi

Krieg im Kaukasus

Die kaukasische Prosa
Cover: Krieg im Kaukasus
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783518428368
Gebunden, 590 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Rosemarie Tietze. Mit Abbildungen. Vom Leben auf dem Landgut der Familie angeödet, begleitete der junge Lew Tolstoi 1851 seinen ältesten Bruder Nikolai, der im Kaukasus dient, an seinen Einsatzort -  Starogladkowskaja, eine Kosakensiedlung am Terek. Seit Jahrzehnten führte das russische Imperium in der Region Krieg. Erst 1859 gelingt es, die von Imam Schamil geeinten muslimischen Kaukasusfürstentümer zu besiegen. Doch um welchen Preis! Tolstoi, der als Fähnrich an Gefechten teilnahm und verwundet wurde, kennt den Krieg und seine Akteure aus eigener Anschauung. Er beschreibt die Tragödie aus allen Perspektiven: an der Seite russischer Soldaten, die zum Freizeitvergnügen ein tschetschenisches Dorf zerstören, und neben den untröstlichen Überlebenden, die in den Trümmern ihrer Behausungen hocken.
Mit scharfer Beobachtungsgabe und ethnografischem Blick schildert er die Faszinationsgeschichte der "Kaukasier", der russischen Abenteurer, die sich, bestrickt von der stolzen Schönheit und Unbezwingbarkeit der Bergbewohner, auf ein Leben einlassen, an dessen Fremdheit sie scheitern. Ein Werk mit dem Titel "Krieg im Kaukasus" hat Tolstoi nie geschrieben. Aber er hat sein Leben lang über den Kaukasus geschrieben. Der Band konfrontiert den frühen mit dem späten Tolstoi. Von der nüchtern protokollhaften frühen Prosa von Überfall (1852) und  Holzschlag (1855) bis zu den romanhaft farbigen Kosaken (1863), dem harten mündlichen Duktus des Gefangenen im Kaukasus (1872) und dem in Montagetechnik verfassten Hadschi Murat (postum 1912).

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.05.2019

Rezensentin Christine Hamel lobt Rosemarie Tietzes Neuübertragung von Lew Tolstoi Kaukasus-Texten. Gelehrt und im Ton härter, rauer, als ihre Vorgänger, so Hamel, folgt Tietze dem Autor durch sämtliche sprachlichen Register - vom Lyrisch-Erhabenen über das mündliche Erzählen bis zum genauen Beschreiben von Sitten und Gebräuchen in der Region. Wie der Autor dem Kaukasus-Mythos auf den Zahn fühlt, dann doch selbst von tapferen Kriegern und schönen Frauen schwärmt, um schließlich die zaristische Eroberungspolitik und das Militärische knallhart abzulichten, findet Hamel bemerkenswert. Der vom Sachlichen übers Zauberische ins psychologisch Präzise und weiter ins Moralische wechselnde Ton fasziniert Hamel.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.11.2018

Bis zum heutigen Tage ist Lew Tolstoi der wohl beliebteste Schriftsteller im Kaukasus, weiß Rezensent Alexander Menden. Und das ist kein Wunder, so Menden, denn Tolstoi hatte Zeit seines Lebens eine große Faszination für die Kosaken, die sich in seinen "quasijournalistischen" Texten über den Landstrich, seine Völker und Helden ausdrückte. Für den Band "Krieg im Kaukasus" hat Suhrkamp fünf dieser Texte zusammengestellt - mit Bedacht ausgewählt und hervorragend übersetzt von Rosemarie Tietze, so der Rezensent. Die wichtigste Erzählung in diesem Band ist seiner Ansicht nach Tolstois posthum erschienenes Prosastück "Hadschi Murat". Hier zeige sich Tolstois Hochachtung, die er vor den Kosaken empfand. Wir finden weder die herablassende Haltung eines Lermontows - Tolstois Vorgänger, der die Kosaken als einen romantisierten Inbegriff von Freiheit und Wildness darstellte, noch sehen wir den Kosaken Murat zum glanzvollen Helden verherrlicht, erklärt Menden. Dieses Buch erscheint gerade zum richtigen Zeitpunkt, meint der Kritiker. Die Aktualität der Texte lasse sich nicht von der Hand weisen.
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