Laura Leupi

Das Alphabet der sexualisierten Gewalt

Cover: Das Alphabet der sexualisierten Gewalt
März Verlag, Berlin 2024
ISBN 9783755000389
Gebunden, 140 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Beißende Gerüche, starrende Stühle und leise Lakenworte sind die stummen Zeugen einer Gewalt, für die Laura Leupis Buch eine Sprache sucht. Doch nicht nur die erlebte Gewalt will beschrieben werden, auch die Folgen, die Dissoziation, der Verlust des Vertrauens in die Welt. Wie verändert sich die Wahrnehmung des Zuhauses, wenn eine Person in diesem vermeintlichen "Safe Space" sexualisierte Gewalt erfährt? Wie können wir über Vergewaltigung sprechen, wenn wir selbst das Wort nicht unbefangen aussprechen können? "Das Alphabet der sexualisierten Gewalt" ist eine autofiktionale Spurensuche. Es versammelt Begriffe, fantastische Geschichten und politische Zaubersprüche, die als Ausgangspunkt dienen, um über sexualisierte Gewalt und ihre Auswirkungen nachzudenken. Es ist ein Versuch, der prekären Erinnerung ein Gefäß zu geben - und an eine selbstbestimmte Zukunft zu denken.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.05.2024

Rezensentin Emma Rotermund scheint den Ansatz, mit dem sich Laura Leupi in ihrem Buch dem Thema sexualisierter Gewalt nähert, wertzuschätzen. Denn wo man sich zunächst fragen könne, ob die "spielerische Form des Alphabets" dem Stoff angemessen ist - Leupi hangelt sich an einem ganz eigenen Alphabet der sexualisierten Gewalt entlang, von "rape script" bis "Brennnesseltee" -, da wird der Kritikerin schnell klar, dass es sich um einen Versuch handelt, die gängigen Erzählweisen zu diesem Thema aufzubrechen: so etwa das Schema, dass Vergewaltigung gemeinhin als vaginale Penetration einer Cis-Frau durch einen Cis-Mann verstanden und erzählt wird, dass Vergewaltigung immer "die Anderen" betrifft, obwohl sie doch oft im häuslichen Umfeld stattfindet, oder dass männliche Sexualität in einem patriarchalen System völlig "frei" sei. Wie Leupi gegen solche Narrative in einem autofiktionalen, unchronologischen Stil anschreibt und dabei die Leserschaft immer wieder direkt anspricht, findet Rotermund wertvoll und widerspricht dem Vorwurf einer "tendenziell totalitären" (Philipp Tingler) Sprache - gerade essenzialistische Mann-Frau-Gegensätze beklage Leupi ja. Für die Kritikerin eine anregende Lektüre.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.05.2024

Gleich zu Beginn seiner Besprechung betont Rezensent Rainer Moritz, dass es sich bei Laura Leupis Buch um ein besonders mutiges handelt, denn es erzählt von sexualisierter Gewalt, von der Vergewaltigung einer jungen Frau durch ihren Partner. Die Autorin hatte Teile daraus letztes Jahr beim Bachmann-Preis vorgetragen, erfahren wir. Nicht chronologisch, sondern alphabetisch ist die Struktur, so der Kritiker, die zu den Stichworten von "Angst" bis "Zuhause" Prosatexte stellt, die die Spuren des Gewaltaktes nachvollziehen, aber auch theoretische Reflexionen über das Schweizer Strafrecht und in dem Land begangene Femizide. Manche Ausführung etwa zur Genese des Textes hätte Moritz nicht gebraucht, aber trotzdem handelt es sich um ein "gedankenreiches, fruchtbar provozierendes Buch", wie er schließt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 25.04.2024

Diese Veröffentlichung kann dabei helfen, beim Sprechen über sexuelle Gewalt Geschlechterklischees überwinden, die Frauen strikt Opfer- und Männern ebenso strikt Täterrollen zuweisen, glaubt Rezensentin Miriam Zeh. Laura Leupis Buch ist aus einer weiblichen Perspektive entworfen, lernen wir, die Erzählerin wurde von ihrem Partner vergewaltigt. Nicht die Tat selbst steht jedoch im Zentrum, erläutert Zeh, vielmehr widmet sich der Text unter anderem der Beschreibung der Wohnung, in der sie sich ereignete. Insbesondere auf die Sprache selbst fokussiert das Buch laut Rezensentin, spürt der Gewalt nach, die in einzelnen Worten verborgen ist. Zeh ist beeindruckt, wie es der Autorin gelingt, vermittels diverser Textsorten ein neues Sprechen über sexuelle Gewalt zu erkunden, das nicht an linearen Narrativen interessiert ist, sondern neue Räume öffnet für kollektive Erfahrungen jenseits erstarrter Geschlechtererzählungen.