J.G. Ballard

Millennium People

Roman
Cover: Millennium People
Diaphanes Verlag, Zürich 2018
ISBN 9783035800456
Gebunden, 352 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Jan Bender. Nachdem seine Ex-Frau bei einem Bombenanschlag am Flughafen Heathrow getötet wurde, begibt sich der Psychologe David Markham auf die Suche nach den wahren Motiven in ein zeitgenössisches Herz der Finsternis: Chelsea Marina - eine Mittelklassesiedlung in London, deren Bewohner, angeführt von einem enigmatischen Kinderarzt und einer exzentrischen Filmdozentin, gegen ihre eigenen Lebensentwürfe rebellieren. Im Visier der verzweifelten Revolte stehen Reisebüros, Einkaufszentren, Katzenausstellungen, Videotheken, Parkuhren, Immobilienbüros, und die für bildungsbürgerliche Abgrenzung so integralen Museen und Kulturinstitutionen der Stadt. Im zentralen Roman seiner späten Gegenwarts-Tetralogie kehrt Ballard die unterschwellige Selbstverachtung einer gesellschaftlichen Generation nach außen und entlarvt, wie sich Konformität in Nihilismus verkehren kann.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2018

Bisher hat sich J.G. Ballard nicht richtig bei deutschen LeserInnen durchgesetzt, Rezensent Fritz Göttler empfiehlt also noch einmal nachdrücklich die "Millenium People", den dritten Band der neuen Ballard-Ausgabe beim Diaphanes-Verlag. Nur vordergründig geht es in diesem im englischen Original bereits 2003 erschienenen Roman um ein terroristisches Attentat in Heathrow, erklärt Göttler, Ballard interessiere sich vielmehr für die autoaggresiven Tendenzen eines Bürgertums, das in seiner Gated Community zur Revolte gegen seine eigenen Prinzipien aufruft. Dabei bleibe es allerdings - ganz wie der Held des Romans - immer Objekt der Manipulation. Doch bei aller sarkastischen Sozialkritik werde Ballard nie pessimistisch, versichert Göttler, das könnten höchstens Hypermoralisten und Amerikaner denken. Denn wie der Rezensent von Ballard selbst in Erfahrung gebracht hat, besitze der Autor "einen fast manischen Sinn für Humor".
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Buch in der Debatte

Efeu 11.04.2024
Spürbar ungebührlich findet es Andreas Platthaus in der FAZ, dass der Leiter des Literaturhauses Leipzig, Thorsten Ahrend, den Schriftsteller Matthias Jügler vor einer Lesung aus dessen Roman "Maifliegenzeit" um einen Beleg gebeten hat für dessen in der Nachbemerkung zu seinem Roman gefallene Behauptung: "Seit einigen Jahren ist nachgewiesen, dass es in der DDR Fälle von vorgetäuschtem Säuglingstod gab." Ahrend beruft sich auf Studien, die keinen Nachweis dafür erbringen konnten, Jügler wiederum auf anekdotisches Wissen - die Lesung ist abgesagt. "Was ist das für ein Verständnis von Literatur, vor allem ihrer Fähigkeit, über Dinge, die nicht nach juristischen (oder auch journalistischen) Kriterien belegbar sind, zu erzählen und damit eine Debatte zu eröffnen", ärgert sich Platthaus. "Dass Jügler keine Lust hatte, sich von vorneherein auf unliterarisches Terrain zu begeben, ist verständlich. Er ist kein Archivar, er ist Romancier. Romane ziehen ihre Berechtigung nicht aus Wahrheit, sondern aus Wahrhaftigkeit." Dass systematisch Säuglinge entführt wurden, lege Jügler im übrigen eh nicht nahe: "'In der DDR' ist für Menschen, die lesen können, eine probate Orts- und Zeitbestimmung. Wer darin eine Systembeschreibung sieht, macht sich die Gleichsetzung von Diktatur und Alltag zu eigen, die gerade von Ostdeutschen immer wieder kritisiert wird." Unser Resümee