Ingeborg Bachmann, Max Frisch

"Wir haben es nicht gut gemacht."

Der Briefwechsel
Cover: "Wir haben es nicht gut gemacht."
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518430699
Gebunden, 1039 Seiten, 40,00 EUR

Klappentext

(Das Buch erscheint am 21.11.22) Mit Fotografien und Faksimiles. Frühjahr 1958: Ingeborg Bachmann bringt gerade das Hörspiel Der gute Gott von Manhattan auf Sendung. Max Frisch, in dieser Zeit mit Inszenierungen von Biedermann und die Brandstifter beschäftigt, schreibt der "jungen Dichterin", wie begeistert er von ihrem Hörspiel ist. Mit Bachmanns Antwort im Juni 1958 beginnt ein Briefwechsel, der - vom Kennenlernen bis lange nach der Trennung - in fast 300 überlieferten Schriftstücken Zeugnis ablegt vom Leben, Lieben und Leiden eines der bekanntesten Paare der deutschsprachigen Literatur. Die kommentierten Briefe zeigen einmal mehr, dass Leben und Werk nicht zu trennen sind.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 19.11.2022

Oh, was war geunkt worden über diesen Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch, erinnert sich Rezensentin Julia Encke zu Beginn ihrer Kritik.Noch die Bachmann-Biografin Ina Hartwig hatte ohne ihn auskommen müssen. Und Suhrkamp-Lektor Raimund Fellinger habe im Gespräch stets angedeutet, dass der Briefwechsel das gesamte Bild dieser berühmten Beziehung verändern werde. Aber Encke stimmt nicht zu. Zunächst macht sie deutlich, dass die beiden selbst die Briefe eigentlich nicht veröffentlicht sehen wollten, dann informiert sie, dass sich Bachmann schon zu Lebzeiten an diesen Entschluss hielt, indem sie viele Frisch-Briefe nicht aufhob, und schließlich - und da lernt Encke doch etwas aus den Briefen - stellt sie das Opferbild in Frage, das von Bachmann zirkulierte und das Bachmann selbst schon verbreitet hatte. Nein, schließt Encke mit Blick auf Bachmann, man müsse sehr wohl die "Eigendynamik ihrer Autodestruktivität" zur Kenntnis nehmen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.11.2022

Rezensentin Judith von Sternburg fiebert und leidet mit bei dem Briefroman von Ingeborg Bachmann und Max Frisch, bei diesem sich entfaltenden "Beziehungsdrama", dessen Veröffentlichung ihr eigentlich eine "Indiskretion" besonderen Ausmaßes zu sein scheint, sie aber trotzdem mitreißt, weil es "Literatur ist" - was die beiden beim Verfassen sicher auch gemerkt haben müssen, meint von Sternburg: So "auf den Punkt" formuliert, so "scharf" im Ton und so leidenschaftlich seien diese Briefe, mit Liebesbekundungen, die bei Bachmann und Frisch auf einmal gar nicht mehr läppisch klingen, staunt sie. Darüber hinaus gleich mehrere "wesentliche Neuigkeiten", was die Biografie der beiden betrifft - etwa, dass Bachmanns Tablettenkonsum nicht erst durch die Trennung von Frisch ausgelöst worden sei, sondern eher zu dieser beigetragen habe, liest von Sternburg; oder, dass sie sehr viel mitzureden hatte vor der Veröffentlichung von Frischs Roman "Mein Name sei Gantenbein", über den sie sich später empörte. "Großartig" findet die Kritikerin außerdem die Entscheidung der Herausgeber, diplomatische Briefe von Henze und Unseld sowie Inventarlisten, beides aus der Trennungsphase, zu integrieren, was wie "Löschwasser" wirke. Ein "gigantischer" Band mit "fairem, ausführlichem" Herausgeberkommentar, schließt sie.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.11.2022

Gebannt liest Rezensent Helmut Böttiger den umfangreichen Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Marx Frisch, der ihm tiefe Einblicke in deren Liebesbeziehung und neue Perspektiven auf die beiden Schriftsteller bietet. So liest er etwa gespannt, wie Bachmann selbst schon früh ein "Ungleichgewicht" zwischen den beiden in einem Brief festhielt, Frisch auf eine gewisse Bevormundung ihr gegenüber hinwies. Trotzdem sei Frisch bei Weitem nicht der "Popanz" gewesen, als der er in der Forschungsliteratur oft hingestellt werde, auch wenn die Trennung von ihm bei Bachmann wohl Auslöser einer existenziellen Krise war - dass es dabei aber weniger um Max Frisch als um Bachmanns eigene "Aporien" ging, wird dem Kritiker aus den Briefen deutlich. Auch von Frischs Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den schillernden Lyrik-Größen Bachmann und Celan erfährt Böttiger. Ein "erratischer Rest" haftet für ihn nach der Lektüre immer noch an der Figur Bachmann, vielleicht auch, weil auch Bachmann zum Teil die Worte fehlten für das unabhängige Leben, das sie damals führte und das für Frauen zu der Zeit noch untypisch war, so Böttiger. Psychologisch aufschlussreiche Briefe, die den Kritiker berührt zurücklassen.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 19.11.2022

Helmut Böttiger zeigt sich in seiner Rezension zu gleichen Teilen beeindruckt wie mitgenommen vom Briefwechsel der beiden Literaturgiganten Bachmann und Frisch. Ihm ist nun möglich, vom Beginn der Beziehung 1958 bis zu ihrem Ende fünf Jahre später einige schwierige Stationen nachzuvollziehen, seien es Bachmanns Beziehungen zu Hans Magnus Enzensberger und dem Germanisten Paolo Chiarini oder Frischs Eifersucht auf das schriftstellerische Talent seiner Partnerin. Böttiger erfährt, dass Suizidversuch und Abtreibung der Bachmann mythische Fabulationen sind, dass Frisch vielleicht weniger Schuld anhaftet, als oft kolportiert wird. Die psychische Krise der Autorin nach der endgültigen Trennung erschreckt den Rezensenten, verschafft ihm aber auch neue Aufschlüsse und Zugänge zum Werk der beiden. Er empfiehlt den Briefwechsel vor allem wegen dieser Erkenntnisgewinne.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 19.11.2022

Joachim Scholl hat ein Gespräch mit Thomas Strässle geführt, einem der Herausgeber des Mammutprojekts Briefwechsel Bachmann-Frisch. Strässle entschuldigt sich für den "Ziegelstein", den das Team vorgelegt hat, betont aber die Bedeutung der vielen sorgfältig er- und eingearbeiteten Quellen für die insgesamt rund tausend Seiten. Dass die Arbeit, die Bachmanns Geschwister mit der Herausgabe der Briefe ermöglicht hatten, gefruchtet hat, zeigt sich für den Herausgeber vor allem an den Erkenntnissen, die geeignet sein dürften, mit vielen Mythen rund um eines der berühmtesten Literatenpaare aufzuräumen. Von der Konzeption der Beziehung der beiden, von anderen Affären wie auch der Ausbreitung privater Details in fiktionalisierter Form erfahre man Neues, auch Überraschendes. Strässle wünscht sich, dass aufgrund dieser neuen Quellenbasis nun endlich das Urteilen über diese Beziehung aufhören möge. Er vermittelt Scholl, wie sehr ihn diese Briefe inhaltlich wie auch stilistisch beeindruckt haben, wie sich aus ihnen ein umfassenderes Bild der beiden Persönlichkeiten mit all ihren menschlichen Schwächen ergeben könnte. Er empfiehlt den Band als "unerhört attraktiv."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.11.2022

Rezensent Andreas Platthaus liest den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch atemlos wie einen Roman. Endlich kann die Gerüchteküche abkühlen, sowohl, was die Mutmaßungen um Bachmanns Schwangerschaftsabbruch angeht als auch betreffend die Vertrauensverträge zwischen den Liebenden. Neu ist für Platthaus die Erwähnung einer Liaison zwischen Bachmann und Hans Magnus Enzensberger, neu ist auch die Leidenschaft der Beziehung Bachmann-Frisch, die in den Briefen zutage tritt. Was "Revanche", was "Ranküne" war in dieser Beziehung, das fragt sich Platthaus allerdings weiterhin.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.11.2022

Sensationell findet Rezensentin Iris Radisch, dass dieser Briefwechsel zwischen dem "berühmtesten Paar der deutschsprachigen Literatur", Ingeborg Bachmann und Max Frisch, nun endlich vorliegt. Froh ist sie, dass Bachmann ihren Willen - die Vernichtung ihrer Briefe - nicht bekommen hat und ihre Nachkommen diese Veröffentlichung nun erlaubt haben. Radisch erkennt an, dass die Briefe sehr privat sind, findet aber, dass das öffentliche Interesse und die Literatur durch diese emotionalen, kunstvollen, beeindruckenden Zeugnisse nur gewinnen. Die Rezensentin liest fasziniert, wie unmöglich die Liebe im Grunde war zwischen der selbstbewussten, aber emotional vielleicht schwächeren Bachmann und Frisch, der die "allerletzte Epoche ungebrochener männlicher Herrschaft" offenbar voll auskostete. Aber die Briefe zeugen auch immer von einem Ringen um die Liebe und: sie sind selbst ganz große Literatur, schwärmt Radisch.