Ilija Trojanow

Tausend und ein Morgen

Roman
Cover: Tausend und ein Morgen
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2023
ISBN 9783103973396
Gebunden, 528 Seiten, 30,00 EUR

Klappentext

Unter Piraten in der Karibik, mitten in der Russischen Revolution - Zeitreisen sind voller Überraschungen. Fest entschlossen betritt Cya die fremden Welten, sie reist von Zeit zu Ort und will die Vergangenheit von ihren Fesseln befreien, inspiriert von der friedlichen und selbstbestimmten Gesellschaft, in der sie in der Zukunft lebt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.09.2023

Rezensentin Berit Dießelkämper ist kein allzu großer Fan von Ilija Trojanows Science-Fiction-Roman, der immerhin eine originelle Antwort auf die Frage bereithält, ob wir lieber uns selbst oder die Menschheit als Ganzes retten sollen. Letzteres werden die Menschen einer Zukunft übernehmen, so die Prämisse des Romans, erklärt Dießelkämper, weil die Technik dann so weit fortgeschritten ist, dass mithilfe von Zeitreisen auch die Probleme der Vergangenheit gelöst werden können. Das kommt der Rezensentin eher langweilig vor: Trojanow entwerfe seine Zukunftswelt als Utopie, in der alles im vernünftigen Gespräch ausdiskutiert wird und höchstens noch das Bier schal ist. Misslungene Sexszenen geben der Kritikerin den Rest.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.09.2023

Angesichts der Vielfalt an dystopischen Zukunftsentwürfen in der Gegenwartsliteratur ist Rezensentin Gisa Funk überrascht von Ilija Trojanows astreiner Utopie: In geradezu paradiesischen Zuständen von sozialer Gerechtigkeit, fairer Arbeitsteilung und Zufriedenheit leben Trojanows Menschen der Zukunft, deren einzige Sorge das Leid vergangener Generationen ist. Deshalb reist die sogenannte Chronautin Cya auf "ethischer Optimierungs-Mission" in die Vergangenheit, um den Lauf der Dinge rückwirkend ins Positive zu wenden. Der Kritikerin gefällt, dass dabei gerade nicht die bekannten Großkapitel wie die Weltkriege behandelt werden, sondern Cya etwa ins 18. Jahrhundert in die Karibik zur Piratin Fliege reist oder zu den Olympischen Winterspielen in Sarajewo 1984. Zudem rechnet sie es dem Autor hoch an, dass er durch brillante Perspektivwechsel und erzählerische "Überraschungs-Clous" seine altruistische Geschichte nicht in die "literarische Sonntagspredigt" abgleiten lasse. Keine naive, sondern eine "tiefsinnige" Zukunftsvision, schließt sie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.09.2023

Auf die beste Weise hochkomplex ist Ilija Trojanows neuer Roman, versichert die begeisterte Rezensentin Judith von Sternburg, die staunend diese in der Zukunft angesiedelte Geschichte über das Zeitreisen gelesen hat. Die Zeitreisenden, Chronautin genannt, wundern sich über die Lebens- und Denkbedingungen früherer Zeiten und reisen hin und her, was Trojanow die Möglichkeit gibt, immer wieder auch grafisch abgesetzte Punkte zu schaffen, an denen die Erzählung wieder zurück geht oder einen Satz nach vorne macht, schildert Sternburg. Ihr gefällt, wie der Autor den Willen der Chronautin, die für sie schon vergangene, für uns aber aktuelle Welt zu verbessern, mit einer Geschichte des Scheiterns verbindet, wobei er die Ebenen kunstvoll verwebt. Eine "Utopie ohne wurmstichtige Stellen" gibt es nicht, erkennt die Kritikerin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.08.2023

Nicht, wie die meisten jüngeren Zeitreiseerzählungen, auf die Vergangenheit, sondern auf die Zukunft hin ist Ilija Trojanows Roman perspektiviert, führt Rezensent Philipp Theisohn aus. Und zwar ist die Science-Fiction-Erzählung aus der Perspektive einer paradiesischen Zukunft entworfen, in der die Menschheit Neid und Eigennutz überwunden hat, und genau da beginnen für Theisohn bereits die Probleme. Denn in Paradiesen, kritisiert er, kann keine literarische Spannung aufgebaut werden und eben deshalb bleiben Trojanows Figuren für ihn blass. Die Zeitreise nun soll auch die Vergangenheit vom Grund des Übels, dem Kapitalismus erlösen, was, lernen wir, zu allerlei Verwicklungen und auch Paralleluniversen führt. Dass die Weltgeschichte nicht von singulären Ereignissen, sondern von strukturellen Zusammenhängen bestimmt wird, hält der Rezensent freilich für keine bahnbrechende Erkenntnis. Letzten Endes wird den Zeitreisenden, führt Theisohn aus, ihre Interesselosigkeit zum Problem. Auch mit dem Thema KI wisse Trojanow nicht viel anzufangen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.08.2023

Rezensent Andreas Platthaus findet es folgerichtig, wenn Ilija Trojanow seinem Weltenbummler-Roman nun ein Buch folgen lässt, in dem es um das Reisen durch die Zeit geht. Mit Figuren aus unterschiedlichen Epochen, Zeitreisenden, und einer KI-Figur verhandelt der Autor laut Platthaus im Sci-Fi-Stil große Momente bzw. Utopien und Theorien der Menschheit im Indien des 18. oder im Sarajewo des späten 20. Jahrhunderts. Der Leser darf dabei gern an H. G. Wells denken, meint Platthaus. Dass Trojanow keinen Thesenroman schreibt, sondern dialogisch arbeitet, findet Platthaus reizvoll. Das Dilemma aller Zeitreisenden, zu wissen, worauf alles hinausläuft, denkt der Autor immer mit, so Platthaus. Insofern ist das Buch halb Märchen, halb Aufklärungsschrift, meint er. Vor allem aber zeugt es von großer Erzählfreude, so der Rezensent.
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