Herta Müller

Der König verneigt sich und tötet

Cover: Der König verneigt sich und tötet
Carl Hanser Verlag, München 2003
ISBN 9783446203532
Gebunden, 203 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Das eindrucksvolle Bild einer Lebenserfahrung unter absoluter Herrschaft: Herta Müller, die bedeutende und sprachmächtige Autorin, wuchs auf im Rumänien unter der Diktatur Ceausescus. Hier erfuhr sie Sprache als Instrument der Unterdrückung, aber auch als Möglichkeit des Widerstands und der Selbstbehauptung gegenüber der totalitären Macht. Und dieses Sprachbewusstsein stellt sie neben Erinnerungen an die Kindheit in den Mittelpunkt ihrer poetischen und politischen Selbstbefragung.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.02.2004

Ist Herta Müller eine "Zuspätgekommene", die die Erfahrungen während der Diktatur Ceauscescus mit nach Deutschland geschleppt hat, wo sie niemanden interessieren, weil man hier schon längst ganz woanders steht? Michael Naumann hält das offensichtlich für Unsinn und liefert ein paar gute Gründe, warum die Bücher der in Rumänien geborenen Herta Müller auch hierzulande wichtig sind: ihre Ernsthaftigkeit, die "schöne Sprache", mit der sie "bildgenaue Wahrheiten" über das Leben in einer Diktatur in die Gegenwart holt. "An einem 1. Mai wird ihr Freund vom Geheimdienst ermordet. 'Wie muss das sein, wenn man spätabends zu Hause sitzt, es klopft, man öffnet und wird erhängt.'" - Wer solche Fragen stellt, muss nach neuen Wörtern suchen. Die Essays in dem neuen Buch "kreisen um den Wunsch", wahrhaftig "die Überlebenstechniken in einer Schreckensherrschaft vorzustellen, die zwischen stiller Anpassung, Wegducken und Schweigen oder Flucht in gemeinsame seelische Selbstvergewisserung unter Dissidenten liegen", schreibt Naumann. Für ihn ist die Beschreibung solcher Erfahrungen offensichtlich auch im heutigen Deutschland nicht überflüssig.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.11.2003

Nicht Ironie, Pop oder Heiterkeit bestimmen die Inhalte in Herta Müllers neuem Essayband, der sich aus ihren Tübinger Poetikvorlesungen und anderen Vorträgen zusammensetzt, aber dennoch ein beeindruckendes Gesamtbild ergebe, sondern "nichts als der politische und literarische Ernstfall", schreibt ein bewegter Christoph Bartmann in seiner Besprechung. Die "Existenz-Koordinaten" der in Rumänien geborenen und seit gut fünfzehn Jahren in Deutschland lebenden Schriftstellerin benennt der Rezensent mit dem "Dorf" und der "Diktatur". In ersterem liege zwar die "Poesie auf der Straße", doch gebe es eben niemanden, "der sich nach ihr bückt", schreibt Bartmann. Doch nicht das "Ursprüngliche" liege ihr am Herzen, vielmehr erzähle sie von ihrer "Rebellion gegen den stummen Dorfpakt zwischen Dingen und Namen". In der Diktatur wiederum, deren Diktator sie König nennt, liege der Ursprung der ihre Kindheit dominierenden "grundlosen Angst" verborgen, die mit dem Älterwerden durchaus begründet wurde.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.09.2003

Nicht im konventionellen Sinne ist dies eine Autobiografie, stellt die Rezensentin Sibylle Cramer fest: vielmehr erzählt Herta Müller in einem "multiplen, variativen" Collage-Verfahren ihre Biografie als die Geschichtes ihres Lebens mit der Sprache. Hineingeboren ist sie in eine bäuerliche Umgebung, in der die Namen fest an die Dinge gebunden sind, Sprache steht unterm Generalverdacht der bloßen Verdopplung. Müller aber entdeckt, mit Schrecken, das "Niemandsland" zwischen Ding und Wort und tauft die Dinge um. Hier liegt, so Cramer und so die Autorin selbst im Titel-Essay "Der König verneigt", der Ursprung ihrer Poesie. In der Diktatur werde der Unterschied zwischen Reden und Schweigen zur Sache von "Verfolgung, Widerstand, Verrat". Die Summe dieser Autobiografie aus Einzelstücken finde sich im ungesicherten Verhältnis der Dichterin zur Sprache, in einer, wie Cramer formuliert, Angst "vor der Elastizität, der tendenziellen Unzucht und dem repressiven Lärm der Wörter." Ohne explizit zu werten, lässt die Rezensentin an der herausragenden Qualität dieser hoch reflexiven Erzählung von einer fortgesetzten Sprachmenschwerdung nicht den geringsten Zweifel.