Helmut Kuhn

Gehwegschäden

Roman
Cover: Gehwegschäden
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2012
ISBN 9783627001803
Gebunden, 439 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Thomas Frantz ist Schachboxer, Flaneur aus Instinkt, freier Journalist ohne Aufträge. Die Motivation, dem Leben noch eine feste Struktur abzuringen, ist begrenzt. Frantz lässt sich durchs Großstadtleben treiben, von den Kabbalisten zu schlaflosen Swingern, von der Demo der Prekarianer in die Wettbüros Neuköllns und den alten Westen, der wortwörtlich abkackt. Unbarmherzig kommentiert er, was er sieht: das Heer derer, die sich mit Diplom und Aushilfsjobs direkt in die internationalen Märkte hineinträumen und dabei in Streetart, Esoterik und Pecha-Kucha-Nächten einen Rest von Lebenssinn suchen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.06.2012

Ressentimentgeladen und leider ohne Lösung, so urteilt Katharina Teutsch über diesen Berlin-Roman von Helmut Kühn. Für einen neuen Franz Biberkopf reicht es bei Kühn nicht, wie Teutsch zu verstehen gibt, sein Held ist ein schachboxender Sozialromantiker, ein Stammtischsozialist, der selbst Teil des Problems ist, gegen das er losschwadroniert, wie Teutsch kritisch feststellt. Die ewigen Biomarkt-Anekdoten kann sie nicht mehr hören, und so bleibt es ihr schleierhaft, wieso dieser Roman so gefeiert wird.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 02.06.2012

Helmut Kuhns Roman über die prekären Berliner Verhältnisse von Freiberuflern in der kreativen und journalistischen Szene scheint den Rezensenten Detlef Kuhlbrodt durchwachsen. Im Mittelpunkt von "Gehwegschäden" sieht er einen freieren Journalisten Ende vierzig, der eine Leidenschaft für Schachboxen hat, in Neuköllner Wettbüros, der ehemaligen SED-Parteizentrale und einem Swingerclub recherchiert, mit einem türkischen Sozialarbeiter redet und sich in eine zwanzig Jahre jüngere Frau verliebt. Der Roman kommt nach Ansicht Kuhlbrodts ambitioniert daher, ist gut geschrieben, lehnt sich formal gar an Döblins "Berlin Alexanderplatz" an. Allerdings kann ihn das Buch in dramaturgischer Hinsicht nicht wirklich überzeugen. Er sieht keine Entwicklung beim Protagonisten und die geschilderten Szenen wirken auf ihn zusammenhangslos aneinandergereiht und wenig spannungsreich. Mit über 400 Seiten ist das Buch für Kuhlbrodt daher einfach zu lang.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.04.2012

Ach ja, der Prenzlauer Berg, die Latte, das Prekariat. Man hört Jutta Person seufzen angesichts solcher Berlin-Klischees, die der Autor nicht scheut zu wiederholen, wenn er seinen Ich-Erzähler, einen abgehalfterten Zeilenschinder, übers schadhafte Pflaster der Hauptstadt stolpern lässt. Schön döblinesk assoziativ und episodisch teilt uns Helmut Kuhn die Beobachtungen seiner Figur mit. Und doch wirkt die Rezensentin nicht froh, scheint vielmehr ermüdet von den vielen durch den Text spukenden Zeitgeistern. Berlin ist Berlin, hört man sie sagen, und Fiktion ist Fiktion.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.04.2012

Trostloses Berlin, das sich selbst aufgegeben hat und von Gestalten bevölkert ist, die sich ebenfalls aufgegeben haben und Splitter halbherziger Selbstverwirklichung aneinander reihen. So in etwa liest sich Kuhns Roman nach der Schilderung des Rezensenten Alexander Pleschka., dessen Nacherzählung eigentlich ganz interessant klingt, als handle es sich um eine lebensnahe Erzählung aus dem heutigen Berlin, das vor lauter Kreativität nicht zu sich kommt. Pleschka scheint die bruchstückhafte Konstruktion auch zu goutieren - wäre da nicht die Erzählerstimme, die diese Bruchstücke mit larmoyanten Klagegesängen zusammenklebt. Kuhn hat sich wohl nicht alles getraut, was er sich hätte trauen müssen, um eine wirklich guten Roman zu schreiben.