Elisabeth Roudinesco

Wozu Psychoanalyse?

Cover: Wozu Psychoanalyse?
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2002
ISBN 9783608942880
Broschiert, 199 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Werner Damson. Die Psychoanalyse steckt heute in einer vehementen, noch nie dagewesenen Krise. Die Autorin sieht die Psychoanalyse konfrontiert mit den nicht zu bestreitenden Fortschritten der Psychiatrie und der Pharmakologie, für deren Vertreter Gedanken, Gefühle oder Triebe nichts anderes darstellen als Abläufe chemischer Reaktionen im Gehirn. Hat die Psychoanalyse überhaupt noch eine Zukunft?

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.09.2002

Etwas "altbacken" findet Bettina Engels in einer Sammelrezension die Kritik der französischen Historikerin und Psychoanalytikerin an der angelsächsischen Unterwerfung der Psychoanalyse unter "naturwissenschaftliche Standards". Das hat man, so Engels, seit Lacan des Öfteren gehört. Zwar scheint sie der Französin zuzustimmen in dem, dass der "einmalige Verbund von psychiatrischem, psychotherapeutischem und philosophischem Wissen" hiermit aufgelöst würde und dies der Freudschen Lehre etwas ihr Wesentliches nähme, nämlich die Verortung in einer "existenziellen Grunderfahrung" des Menschen, also auch die besondere Beziehung zwischen Arzt und Patient. Aber enttäuschend wird die Lektüre für Engels, wenn nach der Kritik an angelsächsischen Verkürzungen nur mehr, wie sie findet, das altbekannte Lacan-Dogma vom "Begehren des Analytikers" bleibt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.03.2002

Als eine leidenschaftliches Plädoyer für die Psychoanalyse und gegen die Apparatemedizin und ihre Psychopharmaka liest Hans-Jürgen Heinrich Elisabeth Roudinescos Buch. In einer selbst nicht ganz von Pathos freien Kritik zeichnet er Roudinescos Argumentation auch als eine Kritik an neoliberalen Auffassungen der Biowissenschaften nach, die nach Roudinesco, die Konflikte mit immer neuen Medikamenten ruhigstellen will, statt sie zu analysieren und gesellschaftlich auszutragen. Auch ihre Kennzeichnung unserer Gesellschaft als einer "depressiven" folgt er mit Zustimmung - die Depression hat demnach die Hysterie als Hauptsymptom der Kranken abgelöst. Was Heinrichs bei Roudinesco allerdings vermisst, ist eine Selbstkritik der Psychoanalyse. Bei Psychosen und Perversionen versage sie - hier plädiert Heinrichs für neue holistische Behandlungsmethoden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2002

Die Psychoanalyse hat seit längerem schon nicht mehr die beste wissenschaftliche Reputation. Sehr zu unrecht, meint Elisabeth Roudinesco, also hat sie eine flammende, und wie der Rezensent Clemens Pornschlegel findet, sehr überzeugende Verteidigungsschrift verfasst. Die Gründe für den Ansehensverlust sieht sie in einem grundsätzlichen Wandel der Konzeptionen der Psychiatrie. Ursachenforschung ist durch effiziente Symptombeseitigung abgelöst worden, die "moderne Gesellschaft" stellt sich der "Realität von Unglück, Tod und Gewalt" nicht mehr, die gerade das Betätigungsfeld der Psychoanalyse ausmacht. Die Naturwissenschaften träumen, gemeinsam mit einem konservativen Denker wie Francis Fukuyama, vom Menschen als "labortechnisch fabrizierter" Maschine. In Wahrheit aber fürchten sie - den alten psychoanalytischen Trick der Unterstellung des Schlimmsten beim Gegner haben Roudinesco und Pornschlegel noch im Programm - die Psychoanalyse, die der "Hypermoderne" ihre "archaischen Mord- und Inzestwünsche" vom Unterbewusstsein ablesen kann.
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