Bertolt Brecht, Helene Weigel

Ich lerne: Gläser und Tassen spülen

Briefe 1923-1956
Cover: Ich lerne: Gläser und Tassen spülen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
ISBN 9783518418574
Gebunden, 280 Seiten, 26,95 EUR

Klappentext

Erst seit jüngstem gehört die "Brecht-Sammlung Victor N. Cohen" dem Brecht-Archiv, einschließlich zahlreicher unbekannter Briefe, die Brecht während seines amerikanischen Exils Mitte der vierziger Jahre von der Ostküste der USA an Helene Weigel, mit der er seit 1929 verheiratet war, nach Kalifornien geschickt hat. In einer ersten Bestandsaufnahme zum Jahreswechsel 1923/24 schreibt Brecht an und über die junge Schauspielerin: "H W / (zu deutsch: Havary)"; von ihr getrennt herrschen bei ihm "Starke Langeweile / 90 % Nikotin / 10 % Grammophon". Immer wieder bestürmt er sie: Fragen nach einem Zimmer oder einer Wohnung, nach Büchern und Artikeln oder nach Autopreisen und der Wiederbeschaffung von verlorenen Papieren; er erkundigt sich nach ihren Rollen und Auftritten und nach der Resonanz von Publikum und Kritik; er berichtet über die Arbeitan seinen eigenen Stücken oder darüber, daß er "mit viel Nikotin wenige Sonette hergestellt" habe.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.06.2013

Hannelore Schlaffer muss leider feststellen, wie wenig die große Helene Weigel in diesem zwar schon in der Frankfurter Brecht-Ausgabe nachzulesenden, doch hier erstmals gebündelten Briefwechsel tatsächlich sichtbar wird. Sprachliche Askese herrscht vor, wenn Brecht und Weigel kommunizieren. Schlaffer warnt den auf Persönliches schielenen Leser vor der Geschäftsmäßigkeit dieser Korrespondenz, der Trockenheit des Tons. Es geht um Aufenthalte, Tagesabläufe, Personen, später dann um Besetzungen, Theaterbusiness. Eine intime Stimmung kann Schlaffer nicht erspüren, wohl aber mit einiger Mühe den starken Charakter der vielfach betrogenen Weigel.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.04.2013

Interessiert, aber durchaus auch "ernüchtert" hat Rezensent Manfred Koch den Briefwechsel zwischen Bertolt Brecht und Helene Weigel aus den Jahren 1923 bis 1956 gelesen. Während die Briefe der Schauspielerin im Wesentlichen nur die Organisation des Theaters betreffen - Etatprobleme, Besetzungsfragen oder Probleme mit "versoffenen" Kollegen, liest der Kritiker in Brechts Briefen vor allem kurze Berichte von Arbeitsreisen und Anweisungen, die seine "Hauptfrau" in seiner Abwesenheit zu erledigen habe. Nur wenig Intimes erfährt Koch hier: Neben der Weigerung, mit Helene Weigel über seine Geliebten zu sprechen, schließen die Briefe gelegentlich mit einem zärtlichen "Ich kratze Dir den Rücken b", berichtet der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.01.2013

Mit roten Ohren blättert sich Stefan Mahlke durch den Briefwechsel von Bertolt Brecht und seiner "Hauptfrau" Helen Weigel, aus dem der Rezensent absatzweise zitiert. Offenkundig wird ihm bei der Lektüre "das Nadelöhr des Begehrens", durch das die Liebe der beiden gegangen sein muss, wie Mahlke anhand einiger noch nach vielen Beziehungsjahren innig-erotisch aufgeladener Notizen belegt, während sich andere Briefe mit rein professionellen Dingen am Theater befassen. Hellhörig wird der Rezensent bei Brechts eifersüchtigen Eskapaden, derentwegen er den Autor der Spießigkeit zeiht, da Brecht für sich eine Freizügigkeit beanspruchte, die er der Weigel nicht zugestand. Eine Notiz, in der Weigel ihre Beischlafverweigerung begründet und Brecht zurechtweist, präsentiert Mahlke genüsslich umfangreich, um schließlich mit der tröstlichen Erkenntnis zu schließen, dass auch das Liebesleben großer Kulturschaffender von Spannungen geprägt sei.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.11.2012

Ist das überhaupt ein Briefwechsel? Zu groß scheint Fritz J. Raddatz das quantitative Ungleichgewicht zwischen Bertolt Brechts und Helene Weigels Beiträgen. Und sind es überhaupt Briefe? Oder vielmehr Mitteilungen, Anweisungen, Meldungen? Wie dem auch sei: alles was der große Dramatiker und Dichter und seine wichtigste Schauspielerin sich an geschriebenen Botschaften zukommen ließen, ist in diesem Band versammelt. Welch bewegte Zeiten das Ehepaar zwischen 1923 und 1956 durchlebte, dokumentieren die Adressen: erst pendelnd zwischen Berlin und München, dann ausgedehnte Auslandsaufenthalte, dann das dänische und amerikanische Exil und schließlich die DDR. Von Politik jedoch ist praktisch nie die Rede, wundert sich der Rezensent. Dass der "bis zur Lakonie stets unpolemisch-akribische Herausgeber" Erdmut Wizisla detaillierte Hintegrundinformationen bezüglich verschwiegener Affären und nicht eingehaltener Versprechen liefert, rundet für ihn diesen überaus gelungenen Briefband ab.