Bernhard Schlink

Vergangenheitsschuld und gegenwärtiges Recht

Cover: Vergangenheitsschuld und gegenwärtiges Recht
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783518121689
Taschenbuch, 156 Seiten, 8,50 EUR

Klappentext

Dem Recht wohnt beides inne: das Erinnern und das Vergessen. Es kann noch nach Jahren verlangen, dass ein Täter für seine Tat und Schuld bestraft wird. Es kann aber auch fordern, dass Vergangenes ad acta gelegt wird und dass die Bestrafung und Wiedergutmachung von Unrecht der Erhaltung des Rechtsfriedens geopfert wird. Weil dem Recht beides innewohnt, führt seine Instrumentalisierung in die eine wie in die andere Richtung zu einem Konflikt, der auch einen Konflikt zwischen Rechtsstaat und Gerechtigkeit birgt. Bernhard Schlink legt diesen "inneren Konflikt des Rechts" am Beispiel der rechtlichen, besonders strafrechtlichen Bewältigung sowohl der nationalsozialistischen als auch der kommunistischen deutschen Vergangenheit dar. Eine der entscheidenden Fragen gilt dabei dem verfassungsrechtlich verbürgten Rückwirkungsverbot.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.11.2002

Reinhard Mehring hat das Buch über Kollektivschuld und Vergangenheitsbewältigung unter anderem als "Subtext" zu dessen Erzählung "Der Vorleser" gelesen. Er sieht hier im Gegensatz zur literarischen Bearbeitung durch den Schriftsteller die "subtile wissenschaftliche Sicht" der Frage nach der deutschen Schuld durch den Juristen Schlink bearbeitet. Seine Thesen fasst er so zusammen, dass die "Vergangenheitsschuld", wie der Autor sie nennt, darin liegt, keinen klaren "Schnitt zwischen sich und die Tätergemeinschaft zu setzen". Der Autor argumentiert, dass es einen "Unwillen" in der Nachkriegsgesellschaft gegeben habe, sich mit der Schuld der Vätergeneration auseinanderzusetzen und sie sich damit erneut schuldig gemacht habe, referiert Mehring. In der Rechtslehre unterscheide der Autor aber klar zwischen "Moral und Recht" und schreibt der juristischen Bewältigung der Vergangenheit Grenzen zu, stellt der Rezensent fest. Er weist darauf hin, dass sich der Autor mit seinem Buch nicht nur zur Vergangenheitsschuld der Deutschen, sondern an der mangelhaften Vergangenheitsbearbeitung der juristischen Zunft selbst "ketzerisch" Kritik übe. Dass er damit eine "Taktgrenze" übertritt, sei Schlink dabei bewusst, meint der Rezensent dazu.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.09.2002

Milos Vec ist von den Aufsätzen über Recht und Schuld in der Vergangenheit durch und durch begeistert. Wer in diesem Buch mit Texten aus den letzten 15 Jahren, die den Umgang mit NS-Schuld und mit DDR-Recht behandeln, die Theorie zu den literarischen Texten Schlinks erwartetet, wird nicht auf seine Kosten kommen, meint der Rezensent. Allerdings erkennt er in den Aufsätzen den "Schlinkschen Ton" in der "prägnanten" und "lakonischen" Sprache wieder, der auch die Romane des Autors prägt. Vec lobt vor allem die genauen Analysen der Beiträge, wobei er besonders den Aufsatz über juristische Vergangenheitsbewältigung als "Meisterwerk" preist. Herausragend findet der Rezensent, dass Schlink in seinen Texten Fragen des Rechts mit der "Sozialpsychologie" verknüpft. Ebenfalls bemerkenswert erscheint Vec der Text zur Auseinandersetzung der Staatsrechtslehrer mit ihrer eigenen Vergangenheit. Was der Rezensent dem Autor besonders hoch anrechnet ist die "kritische Distanz", die er in den Aufsätzen stets aufrecht erhält.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.09.2002

Cornelia Vismann wirkt recht beeindruckt von den Aufsätzen über den Umgang des herrschenden Rechtssystems mit vergangener Schuld. In seinen Texten aus den letzten 15 Jahren macht sich Schlink Gedanken über Schuld und Zeit, über Verjährung und Vergangenheitsbewältigung, fasst die Rezensentin zusammen. Besonders interessant findet sie die "beeindruckende Einheit", die es zwischen Schlinks Roman "Der Vorleser" und diesen Texten des Autors gibt. Die Rezensentin meint, der Roman verhalte sich zur Aufsatzsammlung wie eine "juristische Falldarstellung zum Gesetz", wobei sie in beidem den "bis zur Formalisierung knappen Stil" hervorhebt. Ihr gefällt die besondere Sensibilität des Autors für jede "noch so verdeckte Entschuldungsrede und -geste", der er konsequent entgegentrete. Hervorhebenswert erscheint Vismann auch die Darstellung der Versuche der Staatsrechtslehrervereinigung, ihre eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. In der "subtilen Beschreibung" Schlinks wird für die Rezensentin überdeutlich, dass zumindest eine Analyse der Denk- und Sprachstrukturen des Rechtssystems noch aussteht.
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