Bernd Wagner

Verlassene Werke 1976 -1985

Cover: Verlassene Werke 1976 -1985
Faber und Faber, Leipzig 2022
ISBN 9783867302234
Gebunden, 500 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Ein Blick in den damals legendären Berliner Künstlerkreis im Prenzlauer Berg. Verlassene Werke, die zu schön und anregend sind, um vergessen zu sein. Sie werden hier endlich aufgelassen. Die Aufzeichnungen entstanden ab 1976 fast ausschließlich in Berlin, zuerst im Ostteil, seit Ende 1985, nach der Ausreise aus der DDR, im Westen der Stadt. Die letzte Notiz datiert vom Heiligen Abend 1989, als die DDR absehbar unterzugehen schien. Verschiedene Notizen fanden sich nicht in Heften oder Tagebüchern, sondern auf losen Blättern, so die "Gazetten", deren Worte der Autor aus Zeitungen schnitt und aufklebte. Dieses Opus ist der Versuch, der allgegenwärtigen äußeren Chronologie der historischen Ereignisse eine innere entgegenzusetzen. Die handelnden Personen, bis auf wenige Ausnahmen, werden bei ihren Namen genannt. Das bedeutet nicht, dass der Autor ihnen im Sinne von Porträts gerecht zu werden glaubt. Es sind betont subjektive, von der damaligen Zeit und den gemeinsamen Erlebnissen geprägte Eindrücke, die er wiedergibt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.05.2022

Rezensent Hans Christoph Buch bezeichnet Bernd Wagners Tagebücher von 1976-1985 als "großen Wurf", den er einerseits kaum aus der Hand legen will, der dann aber doch "eine Menge Porzellan zerschlägt". So gesteht er den Tagebüchern des 1985 aus der DDR nach Westberlin übergesiedelten Schriftstellers einerseits eine große Ehrlichkeit zu, die angenehmerweise nicht die große Selbsterkenntnis behaupte, und lässt sich auch von den philosophischen Dimensionen des Buchs beeindrucken. Zu gefallen scheint ihm außerdem das Fehlen jeglicher "DDR-Nostalgie"; nur der Jugendrevolte im Prenzlauer Berg trauere Wagner etwas hinterher. Ein größeres Problem hat der Kritiker dann aber mit Wagners "grobkörnig-plakativem Bild der Bundesrepublik", für die das Verständnis bei Wagner wie auch bei vielen anderen DDR-Flüchtlingen "notorisch unterentwickelt" sei, und das auch bei Wagner das ein oder andere gröbere Missverständnis entstehen lässt, wie Buch klarmacht. Am Ende ist er sich aber doch "versöhnt", auch wegen der hohen literarischen Qualität des Buchs.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.04.2022

Rezensent Eberhard Geisler wünscht diesem Buch viele junge Leser, denn von Bernd Wagner könne man lernen, sich von der großen Erzählung zu lösen und seinem eigenen Denken und Empfinden zu vertrauen: "Wahrnehmung statt Narrativ!" Wagner versammelt hier Erinnerungen an die siebziger und achtziger Jahre, seine Begegnungen mit Christa Wolf und anderen Größen der DDR-Literatur, verhilft dem Reden gegenüber dem Schweigen wieder zu seinem Recht und macht sich Gedanken über die deutsche Geschichte. "600 Seiten überraschende Prosa" freut sich Geisler, der von Wagner auch lernt, "verlassene Werke" - also nicht zu Ende geführte Arbeiten - nicht verloren zu vergeben. Ein großer Wurf, meint Geisler.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 19.04.2022

Rezensent Cornelius Wüllenkemper freut sich über die erstmals unzensiert erscheinenden Aufzeichnungen des Schriftstellers Bernd Wagner aus den Jahren der Prenzlauer-Berg-Avantgarde und der Wendezeit. Das als "stummes Selbstgespräch" und "innere Chronik" angelegte Notizbuch vermittelt Wüllenkemper Weltgeschehen und deutsch-deutsche Literaturgeschichte aus der subjektiven Perspektive eines unbequemen Satirikers und Ausgebürgerten. Auch als Dokument einer Befreiung aus formalen und inhaltlichen Zwängen bietet der Band reiches Anschauungsmaterial, versichert der Rezensent.