Barbara Köhler

Schriftstellen

Ausgewählte Gedichte und andere Texte
Cover: Schriftstellen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2024
ISBN 9783518225547
Gebunden, 261 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben und mit einem Nachwort von Marie Luise Knott. Mit zahlreichen Abbildungen. Der Band "Schriftstellen" versammelt erstmals Poetisches aus Barbara Köhlers Haupt- und Nebenwerken - von "Deutsches Roulette" (1991) über "Niemands Frau" (2007) bis "42 Ansichten zu Warten auf den Fluss" (2017), von Texten aus der DDR-Künstlerzeitschrift Anschlag (1985) bis zu letzten Veröffentlichungen in die horen (2020). Ebenso enthalten sind Schriftinstallationen, die den multimedialen Charakter ihres Werkes dokumentieren. Bislang Unveröffentlichtes aus dem Nachlass beschließt diesen Band. Politsprache sei immer darauf aus, einen Konsens zu suggerieren, Mehrheiten zu behaupten, Gegenmeinungen, anders Denkende und Sprechende zu vereinzeln, sagte die Dichterin Barbara Köhler einmal im Interview und dichtete: "Ich harre aus im Land und geh ihm fremd." In der DDR geboren und aufgewachsen, begann sie früh, durch und über die Sprache Machtverhältnisse aufzulösen, das Feststehende aufzukündigen, die Bedeutungen aufzubrechen. "Uns ist kein Schnabel gewachsen: wir reden, wie uns der Mund gestopft wurde." Dagegen schrieb sie an und ersann ihre Poetik der Sprachbefragung und der Spracherweiterung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.05.2024

Die Lust am Widerwort zieht sich durch ihr gesamtes Werk: Bettina Köhler habe sich weder von Vorgaben noch von zu erfüllenden Rollen unterkriegen lassen, stellt die Rezensentin Beate Tröger die in der DDR geborene, vielseitig tätige Künstlerin vor. Auch der von männlichen Dichtern dominierte Kanon, dem sie während ihres Literaturstudiums in Leipzig begegnete, schüchterte Köhler nicht ein, so Tröger. Mehr noch: Später wandte sie sich von der Gutenberg-Galaxis ab, stand dem Medium Buch skeptisch gegenüber und veröffentlichte ihre Lyrik in Form von CDs, brachte es in Fotografien und multimediale Ausstellungen. Immer wieder die Grenzen der Sprache provozieren und im Verzicht auf Worte die Möglichkeiten der Sprache finden - so fasst die Rezensentin Köhlers poetischen Ansatz zusammen. Das zeigt sich auch in der nun erschienenen Anthologie, die einen Teil des lyrischen und fotografischen Nachlasses Köhlers versammelt. Trotz Köhlers Skepsis gegenüber dem geschriebenen Wort freut sich die Rezensentin über die Ausgabe, die diese "weltgewandte" Stimme, so Tröger, für die Nachwelt bewahren wird.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 11.04.2024

Rezensent Nico Bleutge freut sich, dass drei Jahre nach dem Tod der Dichterin Barbara Köhler ein von Marie Luise Knott zusammengestellter Auswahlband mit ihren Gedichten erscheint: Schriftstellen ist bei ihr wörtlich, materiell, als Anordnen und Ausloten von Worten und Satzteilen gemeint, erfahren wir. Auch etwas von ihrem Leben zwischen DDR und Duisburg lässt sich aus den Gedichten herauslesen. Bleutge schwärmt von Köhlers "Lust an einer beweglichen Sprache", die sich auch selbst reflektiert: "Alles Verläßliche verlassen/die benutzten Sätze das Besagte verschweigen bis es geht/ bis zu den Dingen geht". Darüber hinaus darf der Kritiker die letzten, bislang unveröffentlichten Texte entdecken, die berührend von der Krebserkrankung der Autorin erzählen und Bleutge durch ihre Kombination alltäglicher, medizinischer Begriffe mit Wörtern wie "Weltraumschrott" oder "Traumwörter" faszinieren. Ein lohnenswerter, schöner Band, wie der Kritiker schließt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.03.2024

Rezensent Björn Hayer bestaunt Barbara Köhlers Gemeinsinn und Verbundenheit beschwörendes Schreiben, in einer neu von Marie Luise Knott herausgegebenen Auswahl von Gedichten und Essays. Gerade in einer Gegenwart der "gespaltenen Gesellschaften" scheinen ihm Köhlers Texte wertvoll: Es geht um Begegnungen und Verbindungen des Selbst mit dem Anderen, um Egalität der Geschlechter, um Freiheit angesichts von Krieg und Repression - all das sieht Hayer poetologisch eindrucksvoll umgesetzt etwa in der Tür- und Schwellenmotivik, im "monolithischen Blocksatz" der Gedichte und in Köhlers fließender, auch formal an einem "Barriereabbau" arbeitender Sprache, die für Wortähnlichkeiten offen ist wie auch für den Einbruch gewaltsamer Assoziationsketten, etwa wenn es um die Vergewaltigungen in Homers Odyssee geht - ein für die Schriftstellerin prägendes Werk, weiß Hayer. Wie sich dieses Ringen um Freiheit der in der DDR aufgewachsenen Autorin auch noch in den späten Texten niederschlägt, in denen Köhler über ihre Krebserkrankung schreibt, findet der Kritiker nicht nur "sehr bewegend", sondern auch hochaktuell.
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