Bachtyar Ali

Mein Onkel, den der Wind mitnahm

Roman
Cover: Mein Onkel, den der Wind mitnahm
Unionsverlag, Zürich 2021
ISBN 9783293005716
Gebunden, 160 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Kurdischen von Ute Cantera-Lang und Rawezh Salim. Djamschid Khan ist hinter dicken Gefängnismauern dünn geworden. Leicht wie Papier, sodass ihn eines Tages ein Windstoß erfasst und ihn fortträgt, über die Mauern des Gefängnisses hinweg und hinaus in die weite Welt. Immer wieder weht er davon, und immer wieder beginnt er ein neues Leben. Bei der Armee, als Geist, als Prophet, als Geliebter, als fliegende Attraktion - zahllose Wirbel ziehen den Mann mit sich fort, bis er selbst nicht mehr weiß, wer er einmal war und wohin er gehört. Einzig sein Neffe ist auf der Suche nach ihm und nach etwas, das seinem Onkel seine Wurzeln zurückgibt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.01.2022

Rezensent Martin Ebel folgt Ali Bachtyar in Siebenmeilenstiefeln auf seinem Flug durch die kurdische Geschichte des Nordiraks. Bachtyars neues Buch, "Mein Onkel, den der Wind mitnahm", mag strukturell ein Schelmenroman sein, erklärt Ebel, aber sein Held ist umgeben von "tiefer Melancholie": Bachtyar erzählt in seinem "bitteren Märchen" von einem Mann, der von den Schergen Saddam Husseins so grausam gefoltert wurde, dass ein Lufthauch den Abgemagerten wegwehen könnte. Er muss also festgebunden werden auf der Erde. Dass dennoch alle Parteien, Machthaber und Armeen versuchen, den "fliegenden Kurden" für ihre Kämpfe zu missbrauchen, erlebt der Rezensent in einer tiefernsten Prosa, die für ihn durchaus etwas Pessimistisches hat, aber stets, wie er betont, das Politische und das Poetische in einer "einzigartigen Erzählsprache" verbindet.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2021

Rezensent Fokke Joel vermittelt in seiner Rezension etwas von der bedrückenden Wirkung des Buchs von Bachtyar Ali. So groß sei die Katastrophe in seiner Heimat, wie Joel den aus dem irakischen Kurdistan stammenden, im Kölner Exil lebenden Autor zitiert, dass man von ihr eigentlich nicht mehr erzählen könne. Wie Ali das hier in Form einer Parabel dennoch tut - ein während der Folter durch Schergen Saddam Husseins völlig abgemagerter Anhänger der irakischen Kommunisten wird immer wieder vom Wind fortgeweht und verliert beim Aufprall auf die Erde sein Gedächtnis - scheint den Kritiker zu berühren. Die märchenhaften Elemente akzeptiert er sofort und bezieht sich dabei auf den Religionswissenschaftler Klaus Heinrich, der das Märchen zur "realistischsten Literatur" überhaupt erklärt - Alis Geschichte scheint das für Joel zu stützen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.09.2021

"Mein Onkel, den der Wind mitnahm" ist mit seinen 160 Seiten so schmal wie seine Hauptfigur, dabei jedoch beeindruckend reichhaltig, findet Rezensentin Irene Binal. Derart dünn ist dieser Protagonist, dass er immer wieder vom Wind weggeweht wird, wobei er jedes Mal einen Teil seiner Erinnerungen verliert. So wird er zum heimat-, geschichtslosen Menschen, dem sein Schicksal immer wieder aus den Händen genommen wird - eine Parabel, erkennt Binal, auf die "Ziel- und Richtungslosigkeit", die im Mittleren und Nahen Osten herrscht, aber auch auf die Vielfalt an verschiedenen Persönlichkeiten, die in einem Charakter vereint sein können. Diese Vielfalt, so Binal, spiegelt sich auch in der Diversität der Themen, die der kurdisch-irakische Autor aufgreift, so wie der Stile, derer er sich bedient. Mal spaßig-skurril, mal leichter, mal schwerer und mal voller Bitterkeit schreibt Ali, jedoch immer mit großer Klarheit und Poesie, so die berührte Rezensentin.