A. L. Kennedy

Stierkampf

Cover: Stierkampf
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2001
ISBN 9783803131577
Gebunden, 160 Seiten, 16,36 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Alison Kennedy erzählt von Stieren und Züchtern, Toreros und ihrem Publikum, von Regeln, Tricks und Risiken, von der Faszination, dem Schrecken und sexuellen Sog eines mörderischen Schauspiels - dem Stierkampf. Sie porträtiert den Dichter Federico Garcia Lorca, der den Stierkampf liebte, und erzählt von berühmten Toreros. Sie beschreibt eine Reise nach Spanien, zu den Stieren und den Arenen, den Stätten des öffentlichen Todes. Und sie stellt die Frage, was einen Menschen bewegt, sich vor den Augen eines Riesenpublikums der Möglichkeit eines blutigen Todes oder aber der Gefahr schwerster Verletzungen auszusetzen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.09.2001

Thomas David ist hin und weg! Da hat es einen Rezensenten richtig gepackt, soviel ist zu spüren, wenn er mit Wörter wie "Luzidität", "kristallin", "gleißend", "außerordentliche Präsenz" ein lichtmetaphorisch getränktes, verbales Feuerwerk zu Ehren dieser Autorin entzündet, von der auf deutsch drei neue Bücher vorliegen - ein neuer Roman, Erzählungen sowie ein kaum klassifizierbares Buch über den "Stierkampf".
1) A.L. Kennedy: "Einladung zum Tanz. Roman"
2) dies.: "Ein makelloser Mann. Erzählungen"
Thomas David feiert A.L. Kennedy als Autorin von außergewöhnlicher Sprachkraft, die es schafft, "ohne jede Spur von Sentimentalität" Momente des Glücks zu beschreiben, die auf das plötzliche Bewusstwerden und intensive Erleben der eigenen Existenz zurückzuführen sind - also keineswegs dem Klischee klein - oder großbürgerlichen Glücks im trauten Heim entsprechen. Kennedy führe ihre Figuren stets in Räume "unverstellter Alltäglichkeit" schreibt David, also Büros, Wohnungen, Fitnesscenter, in denen jähes Erwachen lauere: Momente des Schreckens würden in plötzliche Selbsterkenntnis und intensive Glücksgefühle umschlagen, wenn man die neuen Erzählungen der schottischen Autorin auf einen Nenner bringen wolle. Einen ähnlich gewaltsamen und fast kathartischen Moment beschreibt David aus ihrem Roman "Einladung zum Tanz", der in einer Kreuzigungsszene gipfelt, die dem Gepeinigten hilft, seine verloren geglaubte Liebe wiederzufinden.
3) dies.: "Stierkampf"
Auch in diesem Buch begibt sich Kennedy, so David, auf die Suche nach dem Gefühl äußerster Intensität, das sie beim Stierkampf vermutet und findet. Nun sollte man sich das Buch nicht als kulturhistorische Abhandlung des Stierkampfs vorstellen, sondern vielmehr als Selbstportrait der Autorin vor spanischer Kulisse. "Stierkampf" ist eigentlich ein Selbstportrait, behauptet David, und die Geschichte einer Selbstfindung, da die Autorin ihre Schreibblockade durch dieses Thema zu bezwingen hoffte. Laut David zieht Kennedy den gewagten Analogieschluss zwischen Stierkampf und Schreiben, erklärt beides zum "Blutsport", das nach ähnlichen Regeln und Stationen wie Angst, Schmerz, Freude, Tod, Transzendenz ablaufe. Wie der Stier fühle sich der Schriftsteller nackt und schutzlos, wenn es darum geht, dass er sich etwas abringen muss, erklärt David, und wie der Stierkampf vollziehe sich das Schrieben als Ritual in äußerster Konzentration. Bloß unblutiger.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.06.2001

Reinhard Baumgart stellt uns die junge schottische Erzählerin A. L. Kennedy vor, die seiner Meinung nach über das gewisse Etwas verfügt, das den meisten jungen Autoren fehlt. Zwei Bücher der Autorin hat er sich genauer angesehen: den Roman "Einladung zum Tanz", erschienen im Steidl Verlag, und "Stierkampf", erschienen bei Wagenbach.
1) A. L. Kennedy: "Einladung zum Tanz"
Was also ist es, was Kennedy den anderen voraushat und was jenseits von Talent, Stil, Thematik liegt? Baumgart konstatiert bei diesem Roman eine "intensive Empfindlichkeit für Schmerz und Gewalt", dazu ein "religiöses Glücksverlangen - eine eher archaische als postmoderne Mischung". Voilà. Und dann kann sie erzählen, Kennedy, dass Baumgart nur so staunt. Über ein "Kaleidoskop der Bilder, Dialoge, Gedanken, bald jäh und knapp, dann wieder aus- und scheinbar abschweifend, mit harten Schnitten, weichen Blenden, aber immer traumwandlerisch sicher." Entsteht eine Lebensreise, Liebesgeschichte und ein Panorama der britischen Achtziger, deren Handlungsverlauf nachzubuchstabieren, dem Rezensenten Pein verursacht, denn nicht vermitteln lasse sich, "wie nüchtern und doch fassungslos" hier wahrgenommen und erzählt werde, wie sich Pathos und Komik aneinander reiben.
2) A. L. Kennedy: "Stierkampf"
Ist das erlaubt, fragt der Rezensent, den Leser so peinlich nah an sich heranzuziehen? Der Leser auf Tuchfühlung mit der Autorin als einem schaffens- (lebens-?) müden Menschen also, und vor dem Hintergrund einer kleinen Kulturgeschichte des Stierkampfs. Aber ja doch, meint Baumgart, weil er nämlich daran nicht zu glauben wagt, an die gescheiterte Autorin Kennedy. Eine Autorin, "die immer zum Äußersten geht, um ihrer Kunst den unvergleichlichen Stempel ihrer eigenen Erfahrung aufzuprägen."

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.03.2001

Ein richtig eindeutiges Urteil kann Eva Behrend nicht über A.L. Kennedys Abhandlung über den Stierkampf fällen. Einerseits ist sie fasziniert, sie lobt die systematische und akribische Arbeit an dem Thema und findet Gefallen am Erzählton der Autorin, andererseits geht Kennedy ihr bisweilen zu sehr ins Detail und so kommentiert sie trocken: "Nun ja. Hin und wieder gerät auch die luzideste Beschreibung allzu dicht". Auch findet sie, dass der Autorin der Höhepunkt, auf den sie hinarbeitet - nämlich "den Moment äußerster Kontrolle im Kontrollverlust zu beschreiben" - entgleitet. Dennoch, gelangweilt hat sich Behrend offenbar nicht, und sie attestiert Kennedy - obwohl sie anmerkt, dass die Autorin nur an wenigen Stellen in der Erzählung als Person präsent ist - "ein sehr persönliches Buch geschrieben" zu haben.