Der Buchmessenauftakt mit
Boehm,
Illouz und
Scholz wird trotz Überlänge und Störaktionen heute in den Feuilletons überwiegend wohlwollend resümiert. Schärfere Worte findet allerdings Marc Reichwein in der
Welt, der sich merklich unwohl dabei fühlte, von Buchmesse-Chefin
Astrid Böhmisch dazu aufgefordert zu werden, sich "mit Blick auf die Europawahl und die ostdeutschen Landtagswahlen an einer
kindisch-
kirchentagsmäßigen Mitmach-
Aktion zu beteiligen. Kleine Plakate mit dem Slogan 'Demokratie wählen: jetzt' sollten von jedem Sitz hoch und die Kameras gehalten werden, damit sich die Wucht eines ganzen Saals in Fernsehbilder übersetzt. Wieder mal ein Zeichen, mit dem man
sich selbst auf die Schulter klopft. Mit Mündigkeit im Sinne von Kant hatte dieses Kollektivkommando nichts zu tun, eher dürfte sich mancher Leipziger, der noch als DDR-Bürger sozialisiert wurde, an
Jubelperser-
Choreografien der SED- oder FDGB-Propagandaapparate erinnert gefühlt haben."
Dem Neuköllner Kulturzentrum
Oyoun sind wegen israelfeindlicher Veranstaltungen die Subventionen abgestellt worden. Geschäftsführerin
Louna Sbou hat dagegen geklagt und erklärt im
Interview mit Susanne Mermania von der
taz, warum sie glaubt, Anspruch auf das Geld zu haben. "Für uns war ganz klar, dass es in einer liberalen Demokratie, wie es Deutschland sein soll, möglich sein muss, dass es Räume für Ansichten wie die der 'Jüdischen Stimme' gibt." Auf die Frage, ob sie die Hamas als "
legitime Befreiungsbewegung" sehe würde, wie Judith Butler, oder den 7. Oktober als "Gefängnisausbruch" wie die "Jüdische Stimme für Gerechtigkeit", sagt sie: "Ich persönlich würde das nicht sagen. Aber es gibt Menschen und Gruppen, die das tun - und es gibt im internationalen Kontext auch
wissenschaftliche Arbeiten, die solche Statements stützen. Wir hier bei Oyoun sind keine Expert*innen, können jedoch beobachten, dass der 7. Oktober
international anders kontextualisiert wird als in Deutschland. Dieser Perspektive wollen wir Raum geben."
Auch Patrick Bahners liest nun für die
FAZ das von Rechtsprofessor
Christoph Möllers erstellte Gutachten zur Frage, ob der Staat künstlerische Förderungen von
Bekenntnissen gegen Antisemitismus oder
Rassismus abhängig machen kann - Streit hatte es darum allerdings nur beim Thema Antisemitismus gegeben. In Auftrag gegeben hatte das Gutachten
Claudia Roth und damit einen Professor gefragt, der schon die "
Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" beraten hatte. Diese Initiative von Leitern einiger der renommiertesten Kulturinstitutionen war bekanntlich dafür eingetreten, dass
BDS-Positionen an ihren Häusern möglich sein sollen. Richtig klar wird nicht, was Bahners denkt, aber er scheint mit Möllers gegen politische Bekenntnisse als Voraussetzung für eine Förderung zu sein: "Zwar gibt es kein
Grundrecht auf Kunstsubventionsbezug, aber wo sich die Residenzpflicht eines Stadtschreibers aus der Natur der Sache ergeben dürfte, da ist die Übermittlung des Ansinnens, dass ein Stipendiat einer vom deutschen Staat unterhaltenen Künstlervilla sich provokativer Stellungnahmen zum
Nahostkonflikt enthalten solle, kein gewöhnlicher Verwaltungsvorgang. Ein
Hausrecht geistiger Art müsste gesetzlich fixiert werden."
Auf
Zeit Online versucht auch Thomas E. Schmidt das Gutachten zu fassen, welches er offenbar begrüßt, eben weil es auch daran erinnert, dass der "der deutsche Staat sehr wohl das Recht, ja die
verfassungsrechtliche Pflicht habe, rassistische und antisemitische Kunst im öffentlichen Raum zu verhindern". Und weil es aufzeigt, dass der Ort, "an dem konditionierende Klauseln am effizientesten verankert werden können, die Ebene der öffentlichen und staatlichen Einrichtungen" ist: "In diese Richtung hatte sich die kulturpolitische Debatte ja auch schon bewegt: Was als Rassismus und als Antisemitismus zu gelten habe und wer oder was deswegen nicht zu fördern sei, muss
in den Kultureinrichtungen geklärt (und durchgesetzt) werden, wo faktisch Kultur entsteht. Dort können Kulturbehörden Regeln und Vorschriften strikter fassen, ohne dass es neuer gesetzlicher Grundlagen bedürfte. Aber auch dort gilt: Eine Klausel darf nicht die Freiheit der Einrichtung selbst und ihrer Akteure beschränken, sie darf
keine Politisierung des Programms nach sich ziehen."