Sentimentales Nachspiel

Das blendend hell bleibende Feld - Deutschland: Portugal 3:1

Die Kolumne zur Fußball-WM 2006. Von Georg Klein
09.07.2006. Folge 7: Und so dauerte es gestern Abend elend lange, bis im Stuttgarter Stadion die Musik verstummte und das Licht ausging...
Jedes Spiel steht in einem heiklen Verhältnis zu seinem Ende. Der Fußball macht hierin keine Ausnahme. Auch das schönste und beste, selbst das in sich rundum gelungene Match kann leider nicht vom Lieben Gott abgepfiffen werden.

Wild kickende Knaben wollen daher überhaupt nicht an die Notwendigkeit des Aufhörens glauben. Sie bolzen einfach weiter, obwohl es dunkelt. Sie dreschen verbissen gegen eine Kugel, deren Widerstand sie zuletzt verzweifelt oft an Kopf und Fuß spüren müssen, um sicher zu gehen, daß es mehr als ein Schemen ist, den sie in den gegnerischen Kasten befördern. Und ganz zuletzt braucht es einen handfesten Streit oder eine gute, kurz entschlossen den Ball weggrabschende Mutter, damit Frieden über der nächtlichen Wiese eintritt.

Die FIFA ist keine gute Mutter.

Und das Fernsehen ein notorisch grausamer Gott.

Und so dauerte es gestern Abend elend lange, bis im Stuttgarter Stadion die Musik verstummte und das Licht ausging. Während die Lautsprecher dröhnten, grinsten die Verbandshonoratioren in die Kameras. Einer sah schlimmer aus als der andere. Am ärgsten bleckte der die falschen Zähne, dessen von der Zeit erschlaffte Züge die Schönheitschirurgie zu einer schauderhaften Maske gestrafft hat. Wo große Lust möglich ist, zieht es unweigerlich auch den geilen Lustgreis herbei.

Wie rechte Irrläufer zogen dagegen manche Spieler ihre Kreise über das blendend hell bleibende Feld. Am härtesten traf der blödsinnige Überhang der Veranstaltung wohl unsere beiden Torhüter. Der stille Lehmann und der kantige Kahn hatten vor dem Match eine weltkluge, eine fast weise Vereinbarung getroffen. Kahn durfte ein letztes gutes Spiel geben, und Lehmann gelang es, gute Miene hierzu zu machen. Aber jetzt stapften die beiden Senioren unserer Mannschaft durchs Licht, als fänden sie den Ausgang nicht. Ja, als drohe ihnen beiden einen wichtigeren Ausweg als den aus dem Stadion zu verfehlen.

Sechs Stunden zuvor wurde einer unserer Söhne von einem Freund zum Bolzen auf den nahen Dorfußballplatz abgeholt. Wie es die Unart der Eltern ist, richtete ich das Wort an ihn und fragte, welches Ergebnis er sich für das Spiel um den dritten Platz wünsche. Der Knabe, der den schönen Fußballernamen Kevin Tack trägt und in der hiesigen C-Jugend einen erbarmungslos harten linken Verteidiger abgibt, machte ein nachdenkliches Gesicht. Dann meinte er, bis jetzt sei er natürlich hundertprozent für Deutschland gewesen. Aber heute solle Portugal gewinnen, damit sich der alte Luis Figo in seinem letzten Spiel noch einmal richtig freuen könne.

Gut gesagt, Kevin Tack.

Dergleichen wollen wir uns wünschen.

Und wenn das Spiel aus ist, sollen alle Lichter verlöschen.

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